Von Thomas Engel
Mehr Dissens als Konsens im Schulausschuss der Stadt Dortmund. Einigkeit bestand lediglich über eine Erweiterung der Ganztagsbeschulung von drei auf vier Tage an der Paul-Dohrmann-Schule in Scharnhorst. Offener Dissens hingegen trat bei der Förderung digitaler Klassenzimmer und bezüglich der Errichtung einer neuen Grundschule in der Nordstadt zu Tage. Auch über den Umgang mit Bildungsnachteilen in Problemstadtteilen durch die Bildungspolitik wurde alles in allem ergebnislos gestritten.
„Digitale Laborschulen“ der FDP stoßen auf Skepsis
Angelegenheiten des Schulverwaltung: Über zwei Zusatz-/Ergänzungsanträge zur Einbringung des Haushaltsplanentwurfs der Stadt Dortmund für 2018 seitens der Fraktionen Die Linke&Piraten und FDP/Bürgerliste wird kontrovers diskutiert. Während Linke&Piraten in der Innenstadt Nord/Unterbezirk Borsigplatz eine neue inklusive Grundschule einrichten möchten, beantragt die FDP, dass die Stadt Planungen für digitale Laborschulen in Kooperation mit dem Land NRW vorantreiben solle.
Der anwesende Vorsitzende der FDP-Ratsfraktion, Lars Rettstadt, sieht im Zusammenhang mit dem Antrag seiner Partei Handlungsbedarf bei der Umsetzung des Medienentwicklungsplans. Alisa Löffler (SPD) kann dem zwar im Grundsatz folgen, lehnt aber die Einrichtung von Laborschulen ab, da diese eine Zwei-Klassen-Gesellschaft förderten. Auch die CDU hält Laborschulen prinzipiell für eine gute Idee, möchte aber erst einmal genauer klären, so Eva-Maria Goll, was darunter zu verstehen sei.
FDP-Vertreter Rettstadt wehrt sich natürlich gegen den Vorwurf, mit dem Vorschlag seiner Partei eine Spaltung der Gesellschaft zu produzieren. Aus seiner Sicht der Dinge, ginge es vielmehr darum, vorhandene Ressourcen zu optimieren. Selbstverständlich habe man bei der Förderung digitalen Lernens jene Schulen im Focus, die schon relativ weit seien und das auch wollten. Denn, so Rettstadt, manchmal sei es eben wichtig, zu fokussieren, um danach in die Breite zu gehen.
Linke und Piraten fordern neue Grundschule in der Nordstadt
Schuldezernentin Daniela Schneckenburger verweist darauf, dass die sogenannte Wanka-Initiative der (jetzt geschäftsführenden) Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, zur sukzessiven Einführung digitaler Klassenzimmer mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro sicherlich nicht vom Tisch sei. Von bundesweit geplanten 20 Zentren für digitale Bildung entfiele dann eins auf den Regierungsbezirk Arnsberg – und dafür wäre Dortmund ein guter Standort.
Allein, solange die nun begonnenen Koalitionsverhandlungen zwischen der SPD und den Unionsparteien nicht zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen sind, gleicht das Vorhaben aus der vergangenen Legislaturperiode freilich einem Luftschloss.
Bezüglich der Einrichtung einer neuen Grundschule in der Innenstadt-Nord beziehen sich die Antragssteller von den Linken/Piraten auf den Bericht zur Schulentwicklungsplanung. Danach bestünde hier Bedarf an einer weiteren Grundschule. Da diese – entsprechend den Gegebenheiten in dem Sozialraum Nordstadt – inklusiv geführt werden sollte, müssten Raumbedarfe, Klassengrößen und Personalausstattung nach den Anforderungen für inklusive Beschulung geplant werden.
Anträge werden bis zur Vorlage des Schulentwicklungsplans verschoben
Dies Pläne stoßen auf Widerstand im Schulausschuss. Eva-Maria Goll (CDU) fordert konkrete Zahlen ein. Zudem käme man auch am Hafen beim Neubau der Lessing-Grundschule mit drei Klassenzügen aus. Rettstadt (FDP) wirft ebenfalls ein, entscheidend seien die Bedarfe. Daher wolle er zum jetzigen Zeitpunkt in der Sache keine Entscheidung treffen, sondern erst den Schulentwicklungsplan abwarten, der für den Sommer erwartet wird.
Schuldezernentin Schneckenburger betont, dass der Stadtrat durchaus nicht der Meinung sei, dass an der Lessing-Grundschule drei Züge ausreichend seien. Das Problem läge vielmehr darin, dass planerisch dort von den Örtlichkeiten her nicht mehr möglich sei.
Aus der erkennbar festgefahrenen Debatte ohne Chance mehrheitlicher Annahme ziehen schließlich beide Antragsteller die Konsequenz, ihre jeweiligen Anträge zurückzuziehen und soweit aufzuschieben, bis der Schulentwicklungsplan bzw. der Sachstandsbericht vorliegt.
Antrag des Integrationsrates auf asymmetrische Förderung bei Bildungsnachteilen
Umstritten war auch ein Antrag der Internationalen SPD-Liste im Integrationsrat an den Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie wie an den Schulausschuss auf Beratung und Beschlussfassung darüber, sich mit den Kommunen der Ruhrgebietsschiene in Verbindung zu setzen, um gemeinsam beim Land für Einrichtungen mit einem über 60-prozentigen Anteil von bildungsbenachteiligten Kindern und Jugendlichen „deutliche Investitionen“ zu fordern.
Als Maßnahmen sollten dem Antrag gemäß in solchen Fällen die Gruppengrößen in Kindertageseinrichtungen halbiert, Klassengrößen in Grundschulen und der Primarstufe I auf 20 SchülerInnen reduziert und zugleich mindestens 40 Prozent der Unterrichtsstunden doppelt besetzt werden.
Seitens der FDP kam sofort der Einwand, dass unklar sei, wie besagte Bildungsbenachteiligung denn gemessen worden sei? Weiterhin, so Rettstadt, müsse gefragt werden, weshalb die Maßnahmen, die bisher durchgeführt worden seien, nicht gegriffen hätten? Zudem habe man es hier mit einem Problem des Landes zu tun. Wegen der vielen offenen Fragen, lehne er den Antrag ab.
Bildungspolitik in NRW: Wird Ungleiches gleich oder ungleich behandelt?
Es sei in der Bildungspolitik Nordrhein-Westfalens ein Grundsatz, Ungleiches ungleich zu behandeln, entgegnet auch Schuldezernentin Schneckenburger gegenüber der in dem Antrag geforderten Abkehr vom Gießkannenprinzip bei der Verteilung von Bildungsmitteln zugunsten einer asymmetrischen Förderung benachteiligter Stadtteile. Bei Fabido Dortmund (Familienergänzende Bildungseinrichtungen) etwa gebe es für 45 von 101 Einrichtungen andere Zuteilungsschlüssel und Richtwerte.
Dagegen wiederum wurde der Einwand laut, dass – zumindest was Realschulen beträfe – Ungleiches mitnichten entsprechend behandelt würde. So sei es üblich, von unterbesetzten Ruhrgebietsschulen und überbesetzten Schulen aus dem Sauerland Mittelwerte zu bestimmen. Auch Schneckenberger konzediert hier, obgleich das Grundprinzip von Zuteilungen für Bildungsleistungen eigentlich als gut verankert angesehen werden müsse, es eine andere Frage sei, ob dann auch noch das entsprechende Personal obendrauf käme.
Gleichwohl von verschiedener Seite betont wurde, dass die Zuständigkeit für die in der Beschlussvorlage des Integrationsrates geforderte Initiative beim Land NRW ja nicht beim Schulausschuss läge und dieser daher aus rechtlichen Gründen darüber auch nicht entscheiden könne, wurden Stimmen laut, dennoch diesbezüglich positiv zu befinden.
Keine Einigung über Beschlussfassung als Zeichen trotz juristischer Bedenken
So kann für Detlef Strack (Linke/Piraten) von einem solchen Beschluss ein Signal ausgehen; Monika Landgraf (Bündnis90/Die Grünen) sieht darin einen Appell, denn es ginge schließlich um Bildungsgerechtigkeit.
Und ihre Parteikollegin und Ausschussvorsitzende Saziye Altundal-Köse sekundiert auf einen erneuten Einwand von Rettstadt hin – der Ursprung für Bildungsnachteile sei nicht die Schule, sondern die Familie, und zudem sei man der falsche Ausschuss – dass manche Kinder eben kein Glück im Leben gehabt hätten.
Der Integrationsrat sei eine kommunale Einrichtung ohne Möglichkeit, seine Anliegen abstimmend zur Geltung zu bringen. Die Beiräte müssten ernst genommen werden. Deswegen solle im Schulausschuss darüber diskutiert werden. Es ginge um Haltung. Bildungsnachteile bildeten „Rattenschwänze“. Wie erst vor einigen Tagen bei dem traurigen Ereignis in Lünen, wo ein Kind zum Mörder wurde, deutlich geworden sei.
Auch hier wieder kein Ergebnis der Diskussion. Schließlich einigen sich die anwesenden Ausschussmitglieder auf Vorschlag von Schneckenberger und ohne Abstimmung darauf, zumindest beim Land nachzufragen, wie mit Bildungsindikatoren umgegangen werde. Und für die kommende Sitzung des Schulausschusses im Mai sollen Mitglieder des Integrationsrates eingeladen werden, um weitere Informationen bereitzustellen.
Ganztagsunterricht wird an der Paul-Dohrmann-Schule von drei auf vier Tage erweitert
Einstimmig folgte der Schulausschuss hingegen der vorgängigen Empfehlung der Bezirksvertretung Scharnhorst, den gebundenen Ganztagsunterricht an der Paul-Dohrmann-Schule – eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen – zum Schuljahr 2018/19 von drei auf vier Tage zu erweitern. Mit dem Konzept „Mehr Zeit für Leben und Lernen – Ein Konzept für den gebundenen Ganztag“ kann den SchülerInnen an der Schule dann von montags bis donnerstags ein qualifizierter Unterricht bis 15.30 Uhr angeboten werden.
Die Wahlmöglichkeiten für Eltern zwischen einer sonderpädagogischen Förderung an einer allgemeinen Schule und einer Förderschule bezögen sich durch den erweiterten Ganztagsunterricht damit eher auf tatsächlich vorhandene Alternativen. Für den Schulträger fallen durch die Umstellung keine weiteren Personalkosten an; entsprechende Lehrerstellenanteile werden vom Land NRW zur Verfügung gestellt.