Offener Brief des Forums Gemeinnütziger Journalismus

MEDIENPOLITIK: „Macht endlich gemeinnützigen Journalismus in Deutschland möglich!“

Das Forum Gemeinnütziger Journalismus – in dem auch Nordstadtblogger Mitglied und aktiv ist – hat einen Offenen Brief an Politik und Gesellschaft gerichtet. Die Forderung ist klar und deutlich: Macht endlich gemeinnützigen Journalismus möglich!

Das ist der offene Brief im Wortlaut:

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag angekündigt, gemeinnützigen Journalismus zu ermöglichen. Doch bei der aktuellen Reform der Gemeinnützigkeit stockt es – eine fatale Verzögerung für unsere Demokratie. Gerade jetzt braucht es eine Ergänzung des Angebots für mehr Meinungsvielfalt, ohne staatliche Intervention oder Marktverzerrung. 

In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass die ursprünglichen Pläne zur Förderung der Großverlage in dreistelliger Millionenhöhe auf Eis gelegt wurden. Gleichzeitig wird immer lauter eine staatliche Förderung neuer lokaler Medienangebote im ländlichen Raum gefordert.

Das Forum Gemeinnütziger Journalismus ruft vor diesem Hintergrund dazu auf, den Koalitionsvertrag ernst zu nehmen und den gemeinnützigen Journalismus – wie versprochen – rechtssicher zu machen. Denn der gemeinnützige Journalismus ergänzt Angebote dort, wo mit profitorientiertem Journalismus kein Geld mehr verdient werden kann. Bürger:innen können mit ihren Spenden Projekte ermöglichen, die es sonst nicht geben würde. Die Einführung der Gemeinnützigkeit wäre damit – anders als Subventionen –  der kleinstmögliche Eingriff in die freie Marktwirtschaft.

Ein verlässlicher Gemeinnützigkeitsstatus würde einen kostengünstigen und Pluralität stärkenden Lösungsweg eröffnen, Medieninitiativen zu stärken. Das ist vor allem für den ländlichen Raum wichtig. In Regionen, in denen der Markt mit seinem Ertragsdruck keine Medienangebote mehr garantieren und der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine Landesstudios errichten kann, droht die öffentliche Debatte zu verstummen. Mit allen Konsequenzen für unsere Demokratie.

Wo Lokalmedien schwächeln, leidet das Ehrenamt, blühen Korruption und Misswirtschaft, und das Misstrauen in die Institutionen wächst. Das haben etliche Studien belegt.*

Die Diskussionen der Bundesregierung auf Ebene der Staatssekretäre mit Beteiligung aus den Ministerien für Finanzen, Wirtschaft und des Innern über eine Reform der Gemeinnützigkeit haben bislang kein Ergebnis gebracht.

Während sich Vertreter der Gewerkschaften, der Universitäten, von Stiftungen und vieler bereits bestehender journalistischer Non-Profit-Projekte klar für die Gemeinnützigkeit als Innovationsmotor ausgesprochen haben – etwa in der neuen Studie zum Non-Profit-Journalismus von Stephan Weichert und Leif Kramp für die Otto-Brenner-Stiftung (Link am Ende) – protestieren vor allem Vertreter der großen Verlage in Deutschland gegen die Neuerung. Dabei können die Argumente der Großverlage gegen die Gemeinnützigkeit des Journalismus nicht überzeugen. 

  1. Gemeinnütziger Journalismus verzerrt nicht den Wettbewerb.
  2. Gemeinnütziger Journalismus begünstigt nicht Propaganda.
  3. Gemeinnütziger Journalismus ist staatsfern.
  4. Gemeinnütziger Journalismus sichert Qualität.

Berücksichtigt die Bundesregierung den gemeinnützigen Journalismus nicht, werden SPD, Grüne und FDP unmittelbar vor dem Superwahljahr 2024 einen neuen Konflikt aufreißen. Denn das Sterben der Lokal-Medien ist mitursächlich für die Krise der Demokratie, gerade im ländlichen Raum. Es würde ein neuer Keil zwischen die privilegierten Zentren und die vernachlässigten ländlichen Räume getrieben, in denen kein Ersatz für wegbrechende Medien geschaffen werden kann.

Diesen Konflikt werden Demokratiefeinde zu nutzen wissen. Der gemeinnützige Journalismus bekennt sich zu den höchsten Standards der Berichterstattung, die im Siegel gemeinnütziger Journalismus garantiert werden und wirkt so demokratiefeindlichen Dynamiken effektiv entgegen.

Ergänzung statt Wettbewerbsverzerrung

Der gemeinnützige Journalismus unterscheidet sich grundsätzlich von Subventionen wie der Zustellförderung. Denn die Bürger:innen entscheiden selbst mit ihren Spenden, was existieren kann und was nicht. Der gemeinnützige Journalismus muss sich diesem Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage stellen, um bestehen zu können. Er ist damit der kleinstmögliche Eingriff in einen nicht mehr funktionierenden Markt.

Dabei stützt sich der gemeinnützige Journalismus auf ein sehr erprobtes Rechtssystem. Das Gemeinnützigkeitsrecht definiert für Krankenhäuser schon lange, wie profitorientierte und gemeinnützige Hospitäler nebeneinander existieren und sich ergänzen können.

Das gleiche gilt für Wohlfahrtsbetriebe und Sportvereine. Bürger:innen ermöglichen mit ihren Spenden Projekte, die es sonst nicht geben würde. Die Einführung der Gemeinnützigkeit wäre weder Subvention noch ein Eingriff in die freie Marktwirtschaft.

Die Staatssekretäre, die zur Reform des Gemeinnützigkeitsrechts tagen, müssen den Koalitionsvertrag ernst nehmen und endlich Rechtssicherheit für den gemeinnützigen Journalismus schaffen.

Unterzeichner:

David Schraven, Publisher CORRECTIV
Mika Beuster, Bundesvorsitzender DJV Deutscher Journalistenverband
Susanne Stiefel, Mitbegründerin Kontext:Wochenzeitung
Anh-Linh Ngo, Herausgeber / Editor-in-Chief ARCH+
Konny Gellenbeck, taz Panter Stiftung
Esther Slevogt, Chefredakteurin und Mitgründerin von nachtkritik.de
Hermann Falk, Vorstandsmitglied, GLS Treuhand e.V.
Markus Beckedahl, Gründer netzpolitik.org
Alexander Völkel, Nordstadtblogger
Marcus von Jordan, Schwingenstein Stiftung
Stephanie Reuter, Geschäftsführende Vorständin, Rudolf Augstein Stiftung
Simone Rafael, Chefredakteurin Belltower.News – Netz für digitale Zivilgesellschaft
Ellen Heinrichs, Gründerin und CEO Bonn Institute
Aline Lüllmann, CEO taz, die tageszeitung
Julia Vernersson, Managing Director, Hostwriter gUG
Ariel Hauptmeier, Die Reportageschule
Micha Schulze, Herausgeber queer.de
Marius Hasenheit, Herausgeber transform Magazin
Gemma Terés Arilla, taz Panter Stiftung
Mona Janning, Alfred Toepfer Stiftung F.V.S.
Susanne Klingner & Katrin Rönicke, hauseins
Hannah Göppert, Initiative Offene Gesellschaft e.V.
Alexandra Herzog, Vorsitzende von Transparency International Deutschland e.V.
Martin Wosnitza, Herausgeber von blickfeld – die CampusZeitung für Wuppertal
Markus Pfalzgraf, Vorsitzender DJV Baden-Württemberg
Johnny Haeusler, Gründer spreeblick.com, re:publica und TINCON
Steffen Grimberg, Vorsitzender DJV Berlin/Journalistenverband Berlin-Brandenburg
Nicola Kuhnt, Gründerin MedWatch.de
Dr. Stephan Weichert, Gründungsdirektor und Vorstandssprecher VOCER Institute, Ko-Projektleiter Nonprofit-News (NPJ.news)


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MEDIENPOLITIK: „Macht endlich gemeinnützigen Journalismus in Deutschland möglich!“

Reader Comments

  1. Stiftungen werben für gemeinnützigen Journalismus (PM)

    Ein Offener Brief aus dem Stiftungswesen an die Bundesregierung macht sich für die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts stark. Die acht unterzeichnenden Stiftungen werben neben Rechtssicherheit für die politische Betätigung von gemeinnützigen Organisationen auch für die Erweiterung des Zweckkatalogs um „gemeinnützigen Journalismus“.

    Offener Brief zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2024

    Sehr geehrter Bundeskanzler Scholz,
    sehr geehrter Bundesminister Lindner,
    sehr geehrter Bundesminister Habeck,

    als gemeinnützige Stiftungen wenden wir uns gemeinsam an Sie, um die Notwendigkeit eines modernen und verlässlichen Gemeinnützigkeitsrechts zu betonen.

    Vor dem Hintergrund multipler Krisen, dem Erstarken von populistischen und extremistischen Kräften sowie der Gefahr einer zunehmenden Spaltung unserer Gesellschaft ist eine lebendige Demokratie umso wichtiger. Getragen wird diese auch von engagierten Ehrenamtlichen und einer starken, transparenten und glaubhaften Zivilgesellschaft, die sich mit ihrer Expertise in gesellschaftspolitische Debatten ein- mischt und in diesem Engagement sicher fühlen kann.

    Ein modernes und unbürokratisches Gemeinnützigkeitsrecht ist daher ein wichtiger Baustein für eine funktionierende Demokratie.

    Im jetzt vorliegenden Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums für ein Jahressteuergesetz 2024 fehlen notwendige Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht, jenseits der Wohngemeinnützigkeit.
    Wir möchten Sie daher darum bitten, im weiteren Abstimmungsprozess des Gesetzentwurfes, zumindest die in Ihrem Koalitionsvertrag 2021 vereinbarten Anpassungen des Gemeinnützigkeitsrechts im Jahres- steuergesetz zu verankern, um für Transparenz und Rechtssicherheit zu sorgen und das Ehrenamt und zivilgesellschaftliche Engagement in Deutschland zu würdigen.

    Eine rechtliche Klarstellung in den unten genannten Bereichen reduziert die Unsicherheit bei gemeinnüt- zigen Akteuren und ist die Voraussetzung für größere Einheitlichkeit der Auslegung durch die nachgeord- neten Behörden.

    Als Stiftungen, die gemeinnützig wirken und zahlreiche gemeinnützig tätige Organisationen fördern, wollen wir insbesondere auf drei aus unserer Sicht notwendige Anpassungen hinweisen:

    1. Klarstellung der politischen Betätigung (§52 AO)

    Um die Unsicherheiten auszuräumen, die es insbesondere bei kleineren Organisationen und Vereinen ohne Rechtsabteilung aktuell hinsichtlich der politischen Betätigung gibt, braucht es eine Klarstellung, die Rechtssicherheit für die politische Betätigung von gemeinnützigen Organisationen schafft. Dies gilt zum einen für die allgemeine politische Betätigung. Zum anderen wünschen wir uns die Klarstellung, dass als gemeinnützig anerkannte Satzungszwecke auch ausschließlich über politische Betätigung er- füllt werden können.

    2. Erweiterung des Zweckkatalogs (§52 AO)

    Der derzeitige Zweckkatalog greift zu kurz. Wir werben um eine zeitgemäße Erweiterung entsprechend der gesellschaftlichen Bedürfnisse, zumindest um die Zwecke „Förderung des Schutzes und Durchset- zung der Grund- und Menschenrechte“ und „gemeinnütziger Journalismus“.

    3. Aufhebung der Ungleichbehandlung von Förderungen innerhalb und außerhalb der EU (§§51, 58 AO)

    Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft unter unseren Partner:innen. Die Welt ist vernetzt. Deshalb wollen wir Partner:innen innerhalb und außerhalb der EU gleichbehandeln: Der Vertrauensschutz bei Mittelweitergabe muss auch außerhalb der EU gelten. Notwendig sind praktikable Anforderungen an Nachweispflichten der gemeinnützigen Mittelverwendung bei Weiterleitung an ausländische Körper- schaften.

    Verweisen möchten wir ebenso auf das umfangreichere Positionspapier des Bundesverbands Deutscher Stiftungen sowie auf dessen eingebrachte Stellungnahme zum Referentenentwurf.

    Bitte sorgen Sie dafür, dass das ehrenamtliche und zivilgesellschaftliche Engagement in Deutschland lebendig bleibt und gestärkt wird.

    Gern bringen wir unsere Expertise sowie die Expertise unserer Förderpartner:innen in den weiteren Gesetzgebungsprozess ein und stehen Ihnen als verlässliche Partner:innen für ein modernes Gemein- nützigkeitsrecht und eine starke Demokratie zur Seite.

    Dr. Bernhard Straub
    Geschäftsführer,
    Robert Bosch Stiftung GmbH

    Dr. Ralph Heck
    Vorstandsvorsitzender,
    Bertelsmann Stiftung

    Tim Göbel
    Geschäftsführender Vorstand,
    Schöpflin Stiftung

    Lena Altman, Silke Mülherr
    Co-Geschäftsführerinnen,
    Alfred Landecker Foundation

    Ansgar Gessner
    Vorstand,
    Maecenata Stiftung

    Dr. Wolfgang Rohe
    Vorsitzender der Geschäftsführung,
    Dr. Markus Piduhn
    Kaufmännischer Geschäftsführer,
    Stiftung Mercator GmbH

    Esra Küçük
    Chief Executive Officer,
    Allianz Foundation

    Stephanie Reuter
    Geschäftsführende Vorständin,
    Rudolf Augstein Stiftung

  2. Diskussion über Journalismus: Wie Medien Demokratie gestalten (PM VHS)

    Journalismus ist ein grundlegendes Element jeder Demokratie. Ein Vortrag in der VHS Dortmund beleuchtet, wie deutsche Medien organisiert sind und welche Rolle sie für die Gesellschaft spielen.

    In Zeiten zunehmender Medienkritik stellt sich immer wieder die Frage nach der Rolle des Journalismus in westlichen Demokratien. Der Vortrag „Journalismus in Deutschland – Ausdruck von Demokratie“ wird sich diesen Fragen widmen und am Mittwoch, 25. September, von 17:45 bis 19:15 Uhr in der VHS Dortmund, Kampstraße 47, stattfinden. Die Teilnahme an der Veranstaltung (Nummer: 24-51422) kostet acht Euro. Anmeldungen sind online möglich.

    Journalismus im Fokus der Wissenschaft

    Der Vortrag stützt sich auf die Forschung der letzten 40 Jahre zum Journalismus in Deutschland. Referent Thomas Roessing, Kommunikationswissenschaftler, wird dabei auch auf die aktuellsten Studien eingehen, die den Zusammenhang zwischen Journalismus und Demokratie beleuchten.

    Wer gestaltet die Medienlandschaft?

    Die Organisation der Medien, die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie die journalistischen Akteur*innen stehen im Mittelpunkt der Diskussion. Wie arbeiten Journalist*innen, was ist ihnen wichtig, und welche politischen Einstellungen prägen ihre Arbeit? Diese und weitere Fragen werden anschaulich diskutiert.

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