Was haben leuchtend-gelbe Cocktail-Tomaten mit dem Klimawandel zu tun? Und wieso ist Open-Source-Saatgut gut für die Klimafolgenanpassung? Antworten darauf gibt das Klimaschutzteam des Umweltamtes. Das Team der Koordinierungsstelle für Klimaschutz und Klimaanpassung hat auf dem Acker der Solidarischen Landwirtschaft Kümper Heide Tomatensaatgut geerntet, das ökologische Vielfalt fördert und an Klimaveränderungen angepasst werden kann. Es handelt sich dabei um so genanntes „Open-Source“-Saatgut. Das bedeutet, dass das Saatgut frei von privatrechtlichen Schutzrechten und frei nutzbar ist.
Klimawandel fordert Vielfalt im Saatgut und Anpassung der Landwirtschaft
Eigentlich war geplant, dass Dortmunder Gärtner*innen das geerntete Saatgut der samenfesten Tomatensorte „Sunviva“ ab sofort beim Umweltamt (dlze) kostenfrei abholen können – solange der Vorrat reicht. Dies ist aufgrund der Corona-Auflagen derzeit leider nicht möglich. Trotzdem erklärt sich Christian Nähe vom Umweltamt bereit, Anfragen per Mail zu bearbeiten (Adresse im Anhang des Artikels) und die Samen dann per Post auf den Weg zu schicken. ___STEADY_PAYWALL___
Hierfür bitte die Anschrift und die gewünschte Menge Saatgut angeben. Aufgrund der aktuellen Lage, können telefonische Anfragen nicht beantwortet werden und Christian Nähe bittet um Verständnis, wenn die Bearbeitung der Anfragen etwas dauern kann.
Der internationale Saatgutmarkt wird von immer weniger Unternehmen bestimmt. Da die Saatgutfirmen ihre Züchtungen immer stärker vereinheitlichen, geht die Pflanzenvielfalt stetig zurück. Diese Entwicklung verringert die Fähigkeit der Landwirtschaft, sich an regionale Unterschiede und den Klimawandel anzupassen und macht sie damit auch anfälliger für Umwelteinflüsse.
Ökologische Vielfalt ist eine zentrale Grundlage dafür, dass sich Landwirtschaft an den Klimawandel anpassen kann. Dafür leistet das samenfeste Open- Source-Saatgut einen entscheidenden Beitrag zur Klimafolgenanpassung. Durch die aktuelle Entwicklung auf dem Saatgutmarkt ist nicht nur die ökologische Vielfalt, sondern auch unsere Ernährung gefährdet.
Steriles Hybridsaatgut und seine Folgen für die Landwirt*innen
Gemüse keimt heutzutage in der Regel von sogenanntem Hybridsaatgut. Für Hybridzüchtungen werden bestimmte Eigenschaften einer Pflanze wie Pflanzengröße, Form und Farbe der Früchte durch Kreuzung von Inzuchtlinien verstärkt. Ein gewünschter Effekt ist, dass die erste Generation überdurchschnittlich gute Ertragsergebnisse liefert.
Die Kehrseite ist jedoch, dass die Landwirt*innen das Saatgut aus eigener Ernte nicht verwenden können. Es verliert seine Einheitlichkeit. Manche Pflanzen würden z.B. sehr groß, andere sehr klein. Das bringt enorme Schwierigkeiten für die Weiterverarbeitung und den Verkauf der Ernte mit sich. Zum Teil sind Hybride sogar steril, so dass sie sich gar nicht fortpflanzen können.
Zudem dürfen Landwirt*innen das selbst geerntete Saatgut mitunter aufgrund von Lizenzbestimmungen nicht verwenden. Auf diese Weise entsteht neben der ökologischen Verringerung auch eine Abhängigkeit der Landwirt*innen von Saatgutproduzenten, denn das Saatgut muss jedes Jahr neu gekauft werden. Dies trifft sowohl die heimische Landwirtschaft als auch Landwirt*innen in Entwicklungsländern. Die Alternative zu Hybridsaatgut ist samenfestes Saatgut, das nachbaufähig, also fruchtbar ist und in den nächsten Generationen Pflanzen mit den gleichen Eigenschaften hervorbringt.
Berücksichtigung regionaler und klimatischer Unterschiede
Die in Dortmund auf dem Acker der Solidarischen Landwirtschaft Kümper Heide gesäte Tomatenpflanze „Sunviva“ ist samenfest. Sie ist aber nicht nur aufgrund ihrer Samenfestigkeit, sondern auch wegen ihrer rechtlichen Eigenschaften ein wesentlicher Baustein für die Klimafolgenanpassung.
Denn nach ihrer Züchtung wurde die Tomatensorte unter eine Open-Source-Saatgutlizenz gestellt. Anders als bei herkömmlichen Rechten an Saatgut erlaubt diese Art der Lizenz, die Samen frei und kostenlos zu verwenden. Auf diese Weise wird die Verwendung des Saatguts für die Allgemeinheit gesichert.
Die Besonderheit ist, dass Landwirt*innen das Saatgut vermehren und für regionale Bedürfnisse weiterentwickeln dürfen. Dabei bleibt es auch in Zukunft frei von Lizenzkosten. Anders als bei globalem Einheitssaatgut großer Konzerne können daher bei Open-Source-Saatgut regionale Unterschiede und klimatische Veränderungen bei der Züchtung und beim Anbau dauerhaft berücksichtigt werden.
Solidarische Landwirtschaft in Dortmund mit OpenSourceSeeds
Als Partnerin für den Anbau der Open-Source-Tomate „Sunviva“ hat sich die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) Kümper Heide in Dortmund angeboten. Die Grundidee jeder SoLaWi ist, dass sich Landwirt*innen mit Verbraucher*innen von Anfang an in einer Gemeinschaft zusammentun.
So verpflichten die Mitglieder sich im Vorfeld zur Abnahme des Gemüses und finanzieren alles, was für den Anbau notwendig ist, vor. Die Ernte steht allen gleichermaßen zur Verfügung.
Somit werden Risiko und Ernte geteilt. Außerdem können alle Mitglieder der Gemeinschaft auf dem Acker mitarbeiten, sich in Arbeitsgruppen und demokratisch in ein Plenum einbringen. Ernährung wird als gemeinschaftliche Aufgabe wahrgenommen. Entscheidend für die erfolgreiche Arbeit des Umweltamtes war die Bereitstellung einer Open-Source-Saatgut-Lizenz. Diese wurde 2017 durch „OpenSourceSeeds – AGRECOL“ zur freien Verfügung veröffentlicht.
Hier gibt’s eine Pflanzanleitung zum Download:
Pflanzanleitung – Tomaten selbst zu ziehen ist gar nicht schwer
Weitere Informationen:
- Das Open-Source-Saatgut kann von allen Bürger*innen kostenfrei per E-Mail bestellt werden: cnaehle@stadtdo.de
- Bei der Bestellung bitte eine Anschrift und die gewünschte Menge Saatgut angeben. Herr Nähle wird die Bestellungen kostenfrei per Post an die Interessierten versenden. Die Bearbeitung kann aufgrund der aktuellen Situation etwas Zeit in Anspruch nehmen.
- www.opensourceseeds.org