Motorisierter Verkehr sorgt für Lärm und Abgase – beides kann krank machen. Weil in Dortmund an vielen innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen mit angrenzender Wohnbebauung der Straßenverkehrslärm sehr hoch ist, will die Stadtverwaltung dort Tempo-Reduzierungen anordnen. 60 Straßenabschnitte hat das Umweltamt identifiziert. Die ersten 19 Abschnitte könnten in den Jahren 2023 bis 2026 umgesetzt werden, wenn der Rat zustimmt. Begonnen werden soll mit acht Straßenabschnitten, die realisiert werden könnten, ohne dass Anpassungen an Lichtsignalanlagen erforderlich wären.
Geschwindigkeitsreduzierungen wegen hoher Lärmbelastung
Die Lärmbelastungen an Hauptverkehrsstraßen sind mithilfe zahlreicher Untersuchungen und anerkannter Berechnungsmethoden inzwischen nachgewiesen. Ein Mittel, dies zu verändern, ist die Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit. Die Stadt Dortmund möchte deshalb von der Möglichkeit Gebrauch machen, die sich nach § 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO) ergibt und Geschwindigkeitsreduzierungen wegen hoher Lärmbelastung zum Schutz der Bevölkerung anordnen.
Umwelt- und Planungsdezernent Ludger Wilde machte deutlich, dass dies nichts mit einem möglichen Beginn eines stadtweiten Tempolimits zu tun habe. Es gehe um Lärmschutz – und in den meisten Wohnquartieren gebe es ja jetzt bereits Tempo 30. Allerdings gebe es auch Hauptverbindungsstraßen, wo die Lärmberlastungen so hoch seien, dass die Stadt handeln müsse.
Wenn die Lärmbelastung tagsüber bei über 70 Dezibel bzw. nachts bei über 60 dB(A) liegt, muss die Stadt handeln, um den Lärmschutz sicherzustellen. Das kann durch aktive Maßnahmen wie Tempolimits oder durch passive Maßnahmen wie Lärmschutzwälle, Flüsterasphalt oder Spezialverglasung erfolgen.
Vor allem die passiven Maßnahmen kosten entweder ganz viel Geld oder sind – Stichwort Lärmschutzwälle – an Hauptstraßen kaum zu realisieren. Daher schlägt die Verwaltung den politischen Gremien nun Geschwindigkeitsbegrenzungen an bis zu 60 Straßenabschnitten vor. Der Rat soll im Dezember entscheiden.
Umfangreiche Lärmkartierung des Dortmunder Stadtgebietes
Das Umweltamt hat auf Basis der Lärmkartierung und der Zahl der betroffenen Anwohner:innen eine Liste von ca. 60 Straßenabschnitten erstellt, an denen aus Sicht des Lärmschutzes ein Handlungserfordernis besteht. Da die Prüfung und Umsetzung nicht zeitgleich für alle Abschnitte erfolgen kann, wurde anhand der Anzahl der Betroffenen und der Höhe der Lärmpegel eine Priorisierung vorgenommen.
Die ersten 19 Abschnitte können in den Jahren 2023 bis 2026 umgesetzt werden. (Siehe Liste am Ende des Artikels) Begonnen wird mit acht Straßenabschnitten, die realisiert werden können, ohne dass Anpassungen an Lichtsignalanlagen erforderlich wären. Des Weiteren ist im nächsten Jahr eine Umsetzung auf der Mallinckrodtstraße von Tempo 30 im Bereich zwischen Münster- und Schützenstraße sowie Tempo 40 im Abschnitt zwischen Schützenstraße und Lagerhausstraße vorgesehen.
Alle Maßnahmen seien eng mit DSW21 abgestimmt. Daher sind zumindest im ersten Aufschlag keine Streckenabschnitte vorgesehen, wo bei Reduzierung auf Tempo 30 oder 40 die Attraktivität des ÖPNV leiden würde – also beispielsweise die Reisezeit verlängert und Anschlüsse nicht mehr erreicht würden. „Der ÖPNV soll attraktiv bleiben. Das war auch ein Auswahlkriterium für die ersten Abschnitte. Wir werden Bus und Bahn nicht tangieren“, so Wilde.
Hintergrund: Weniger Lärm bei reduziertem Tempo
Bei einer Senkung von 50 auf 30 Stundenkilometern verringern sich die sogenannten Beurteilungspegel um 2 bis 3 dB(A), die Maximalpegel einer Vorbeifahrt sogar um etwa 6 dB(A). Um eine vergleichbare Minderung der Beurteilungspegel zu erreichen, wäre eine Reduzierung der Verkehrsmenge um etwa 40 bis 50 Prozent nötig, da ein Unterschied von 3 dB(A) einer Verdopplung bzw. Halbierung der Schallenergie entspricht.
Durch verringerte Geschwindigkeiten wird bei angepasster Ampelschaltung auch der Treibstoff- bzw. Energieverbrauch gesenkt, weil Beschleunigungsvorgänge verkürzt werden. Dadurch verringert sich auch der Ausstoß von CO2 und Luftschadstoffen. Die Reisezeiten für Autofahrer:innen erhöhen sich nur geringfügig.
Alternative Maßnahmen zu einer Geschwindigkeitsbegrenzung mit ähnlicher Effektivität und vergleichbaren positiven Wirkungen stehen an innerstädtischen Straßen nicht zur Verfügung: Schallschutzwände und Schallschutzwälle kommen aus städtebaulichen Gründen nicht in Betracht, lärmarmer Asphalt und Schallschutzfenster haben erheblich höhere Kosten und Umsetzungszeiträume bei geringerer Wirkung und können daher nach Ansicht der Stadt Dortmund nur ergänzend, aber nicht als Ersatz eingesetzt werden.
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Reader Comments
Marc
Leider steckt hinter den großen Ankündigungen eher die typische Dortmunder Mutlosigkeit. Bei genauerer Betrachtung entdeckt mensch, dass nur in einem kleineren Teil der Straßenabschnitte tatsächlich Tempo 30 als Höchstgeschwinidgkeit vorgesehen ist. Bei vielen anderen sind zumindest zeitliche Einschränkungen (nur nachts, nur tagsüber, nur in ungeraden Stunden) oder Tempo 40 vorgesehen. 2/3 der Abschnitte wurden noch gar nicht geprüft.
Die Aussage, dass man den ÖPNV attraktiv halten wolle, ist auch nur ein nettes Framing dafür, dass die DSW immer noch bei vielen Bereichen Tempo 30 verhindert.
Das führt bspw zu der aburden Situation, dass auf der Märkischen Straße, wo die Lärmbelastung gerade im Nachtbereich besonders gesundheitsschädlich ist, nachts kein Tempo 30 gilt, weil dies den Nachtbus verlangsamen würde. Auf der Rheinischen Straße verhindert die DSW gar Tempo 30 komplett – es bleibt bei 50.
Hier ist es dringend geboten, dass die DSW ihre Fahrpläne zeitnah Tempo 30 kompatibel macht, sonst werden die paar jetzt angegangenen Straßen tatsächlich nicht nur die ersten, sondern auch die letzten sein, die in den kommenden 15 Jahren Tempo 30 bekommen.
Die Anwohner haben dann die Ars..karte.
SPD-Landtagsabgeordnete kritisieren Umweltminister Krischer (PM)
Was verbindet die Städte Dortmund, Bochum und Hagen? Zum Beispiel eine Gemeinsame Untere Umweltschutzbehörde (GUUB). Auch wenn diese Untereinheit des NRW-Umweltministeriums der breiten Öffentlichkeit eher unbekannt sein dürfte, übernimmt die Behörde wichtige Aufgaben in lokaler Vertretung, beispielweise hinsichtlich der Kontrolle von Lärmbelastungen für die Bevölkerung.
Einen solchen Fall, verursacht durch starken LKW-Verkehr, hatten Bürgerinnen und Bürger aus Wickede und Asseln vor einigen Monaten an die Kommunalpolitik gemeldet, die sich auch umgehend an die Untere Umweltschutzbehörde wandten. Das Ergebnis war so überraschend wie frustrierend: Aufgrund starkem Personalmangel kann die Behörde seit geraumer Zeit ihre gesetzlichen Aufgaben nicht erfüllen. Diesen Umstand hatte der Leiter der GUUB auch dem Landesumweltministerium bereits im Jahr 2022 mitgeteilt und Alarm geschlagen. Seine dringende Bitte, die Finanzmittel für fünf zusätzliche Personalstellen zur Verfügung zu stellen, blieb durch die Landesregierung jedoch unbeantwortet.
Diesen Zustand wollten die Dortmunder SPD-Landtagsabgeordneten Nadja Lüders, Anja Butschkau, Volkan Baran und Ralf Stoltze nicht hinnehmen, und fragten gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus Bochum und Hagen Ende März 2023 schriftlich bei Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) an, wann er den Missstand endlich zu beheben gedenke. Dieses Mal antwortete Krischer – seine Aussagen seien aber „an Verantwortungslosigkeit und Ignoranz nicht zu überbieten“, kommentieren die vier Dortmunder SPD-Abgeordneten.
Der Minister gestehe zwar ein, dass er bereits im Juli 2022 Kenntnis darüber erhalten habe, dass eine Untereinheit seiner Behörde nicht mehr arbeitsfähig sei. Den Grund dafür benennt Krischer in der „Arbeitsverdichtung“. Diese treffe aber nicht nur auf Dortmund, Bochum und Hagen zu, sondern landesweit auf alle Unteren Umweltschutzbehörden. Diese Überlastung begründe auch, dass der schriftliche Hilferuf aus Dortmund, Bochum und Hagen ignoriert wurde – eine Prüfung habe nicht stattgefunden.
Lüders, Baran, Butschkau und Stoltze erklären dazu: „Der grüne Umweltminister hat es innerhalb von 9 Monaten nicht einmal geschafft, einen personellen Notstand in seinem Verantwortungsbereich überhaupt näher untersuchen zu lassen, geschweige denn zu beheben. Und dass, obwohl er selbst eine generelle Problematik eingesteht, er sogar explizit darauf hingewiesen wurde. Alles, was er bisher geschafft hat, ist eine Eingangsbestätigung zu versenden – und das auch erst, nachdem wir ihn mit unserer Kleinen Anfrage darauf aufmerksam gemacht haben. Das ist ein Armutszeugnis in Sachen Führungsverantwortung. Damit lässt er die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genauso im Stich, wie die lärmgeplagten Bürgerinnen und Bürger in Wickede und Asseln. Es war genug Zeit zum Prüfen. Wir fordern den Minister auf: Fangen Sie an zu machen!“