Nach der Ablehnung der Umwandlung der Haupt- und Realschule in der Nordstadt in eine zweite Gesamtschule durch die Schulkonferenzen hat sich auch die Bezirksvertretung Innenstadt-Nord erneut mit dem Thema beschäftigt.
Die Nordstadt verliert vier Schulzüge an andere Stadtbezirke
Volker Werner vom Schulverwaltungsamt fasste den Prozess und die Gespräche mit der Gertrud-Bäumer-Realschule und der Schule am Hafen zusammen.
Außerdem erinnerte er daran, dass rund 15 Prozent der Eltern bewusst weiterführende Schulen außerhalb der Nordstadt für ihre Kinder nachfragten. Damit würden der Nordstadt drei bis vier Schulzüge verloren gehen. Zudem gebe es einen deutlichen Elternwillen nach längerem gemeinsamen Lernen, wie ihn eine Gesamtschule bietet.
Doch aus der zweiten Gesamtschule wird vorerst nichts. Denn gegen den Willen der Schulkonferenzen wollen Politik und Verwaltung nichts unternehmen.
Kritik am Diskussionsprozess mit den Nordstadt-Schulen
„Parteiseitig sollte ich mich freuen, dass klassische Schulsystem zu behalten. Aber Gewinner gibt es in dieser Situation keine“, machte Marius Dorian Vornweg (CDU) deutlich.
Er kritisierte, dass während des Diskussionsprozesses viel zu sehr mit Vorbedingungen gearbeitet und die Wünsche und Vorstellungen der Schulen zu wenig berücksichtigt worden seien.
„Die Schulleitungen haben sich Veränderungen gewünscht“, verdeutlichte Cornelia Wimmer (Linke & Piraten). Doch im Prozess hätten sich die städtischen Planungen immer weiter von den Vorstellungen der Schulen entfernt.
Es gibt auch Kritik am Verhalten der beiden Schulleitungen
Allerdings erinnerte Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder auch daran, dass es gerade die Realschule gewesen sei, die bei verschiedensten Gelegenheiten betont habe, dass die Schulleitung gar keine Zukunft für die Realschule sehe, weil sie ihre Aufgaben nicht erfüllen könne.
„Daher ist es außerordentlich erstaunlich, dass man sich nun als Realschule weiterentwickeln will“, so Jörder.
„Die Realschule hat genügend Schüler, die es nicht auf Gymnasium schaffen. Und auf der Hauptschule gibt es viele Neuzugänge. Daher sehen wohl die beiden Schulen keinen Handlungsbedarf mehr“, glaubt Brigitte Jülich (SPD): „Aber ob das die richtige Strategie für den Stadtbezirk ist, bezweifele ich.“
Vorwurf: Mehr über die juristische Form als die Inhalte gesprochen
„Die Realschule schafft es gut, sich auf ihre Schülerschaft einzulassen“, verdeutlicht Wimmer. Sie glaubt, dass die Schulen sich auch den neuen Herausforderungen stellen würden.
Allerdings sei nur über die juristische Form und nicht über die inhaltliche Ausgestaltung gesprochen worden. „Wenn man das ernst nimmt, kommt man auch zusammen“, glaubt die Schulpolitikerin.
„Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass beide Schulleiter und die Kollegien super Arbeit leisten. Aber die Frage ist doch, auf welchem Niveau“, ergänzt Jülich.
„Ich will doch Qualität in unserem Stadtbezirk. Da darf der Realschulabschluss nicht das Niveau eines Hauptschulabschlusses haben. Wir brauchen auch eine Entwicklungsperspektive.“
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Cornelia Wimmer
Nach langen, auch kontroversen Diskussionen in den beteiligten Gremien war es das Nein der beiden beteiligten Schulkonferenzen, das den Ausschlag für den aktuellen Rückzug der Stadt gab: Keine neue Gesamtschule an insgesamt 3 Standorten; Haupt- und Realschule bleiben vorerst, was sie sind.
Es trifft zu, dass der Wunsch nach Veränderung von den Leitern der beiden Schulen vorgetragen wurde. Und sicher ist es bedauerlich, dass eine Menge Arbeit auf der Suche nach einer neuen Lösung nun fürs erste vielleicht nicht gerade umsonst, aber doch ohne direktes Ergebnis geleistet wurde.
Dem Vertreter der Stadt war die Ratlosigkeit noch anzumerken: Wie konnte das geschehen?
Die Ursachen scheinen auf zwei Ebenen zu liegen:
Zum einen war die Initiative der Schulleiter zu Anfang an unterfüttert mit eigenen konzeptionellen Vorstellungen. Diese sind in den städtischen Planungen so gut wie gar nicht mehr wiederzufinden. Wann ein zunächst gemeinsam beschrittener Weg sich offenbar trennte, wissen nur die Beteiligten.
Zweitens wurde die betroffene und interessierte Öffentlichkeit höchst marginal beteiligt. Man hätte mit den Lehrerinnen und Lehrern sprechen und deren Bedenken in verbindliche konzeptionelle Präzisierungen umsetzen müssen. Die Arbeitsbedingungen der Bediensteten wären nämlich ganz andere gewesen, wenn sie sich nach Realisierung der Pläne nunmehr an einer Dienststelle mit drei Einsatzorten befunden hätten. Das betrifft keineswegs nur die Anfahrt zum Arbeitsplatz: Gemeinsame Planung, Vernetzung, Teamarbeit, – tägliche Realitäten an Gesamtschulen würden massiv kompliziert, manches vielleicht gar nicht mehr möglich.
Und jetzt? – Auch wenn der Ausgang der Abstimmungen verständlich ist, zufrieden kann man nicht sein. – Das dreigliedrige Schulsystem mag hochhalten wer will; Tatsache ist, dass es im Norden besonders unangebracht ist. – Die Schullaufbahnempfehlungen nach dem 4. Schuljahr sind hier mit besonderer Unsicherheit behaftet: Zu ungleich sind hier die Bedingungen, die Grundschüler in die Primarstufe mitbringen. Aktuell kommen auch zahlreiche Flüchtlings- und Zuwandererkinder in den Stadtteil, die das Alter der I-Männchen längst überschritten haben. Wo sie unterkommen, scheint zufällig: Das deutsche Schüler-Sortiersystem greift hier ganz eindeutig nicht.
Wie weiter? Vielleicht könnte sich so etwas wie eine „Kleine Bildungskommission Nordstadt“ bilden. Der stadtteilbezogene Sachverstand und reichlich Erfahrung sind da, Zeit plötzlich wieder auch. Man könnte wieder in Richtung eines Modellversuchs denken und planen. Und nach den nächsten Landtagswahlen könnte es Realisierungsmöglichkeiten geben, die derzeit nicht bestehen.