Von Joachim vom Brocke
Spannender Fund bei Grabungen aus einem Brunnen zwischen Kuckelke und Thomasstraße. Der lehmverkrustete Brocken aus etwa zwei Meter Tiefe gab beim Reinigen eine Besonderheit frei: Eine kleine, noch sechs Zentimeter hoch erhaltene Tonstatuette aus dem 16. Jahrhundert. Archäologe Dr. Gerard Jentgens freute sich. Wie sich herausstellte, sind auf der kleinen Figur die heilige Anna, die Mutter Marias, und vor ihr ihre Tochter Maria mit dem Jesuskind zu erkennen. Diese bildliche Einheit, von der Anna ein Drittel verkörpert, führte zur Bezeichnung „Anna Selbdritt“.
Fundstücke waren einst Heilsbringer, Souvenir und Idole
„Der mediale Aufbruch am Ende des Mittelalters – Tonfiguren aus Dortmunder Ausgrabungen“ ist der Titel des achten Heftes der Reihe „Bausteine und Fundstücke – Dortmunder Denkmalhefte“, das jetzt erschienen und kostenlos zu haben ist. Die kleine Figur ist aus weißem Ton hergestellt. „Fundstücke dieser Art“, weiß der Experte, „waren Heilsbringer, Souvenir und Idol“.
Sie wurden als Andenken bei Wallfahrten erworben, als Glücksbringer verschenkt, als Modevorlagen genutzt oder waren Spielpüppchen. „Die damalige Zunft der Bilderbücher haben die auf hohe Stückzahlen angelegten Figuren einst hergestellt“, erläuterte Gerard Jentgens. Darüber hinaus dienten die Figuren der privaten Andacht.
Umsätze auf dem Weg zur Glückseligkeit angetrieben
Von den Heiligen und von Jesus Christus erhofften sich die Menschen durch Gebete eine Verbesserung ihres Seelenheils, um die Zeit im Fegefeuer nach dem Tod zu verkürzen und dann in dem Himmel zu kommen. Gewissermaßen ein ganzer Geschäftszweig war mit der Herstellung der kleinen Tonfiguren beschäftigt.
Ablassprediger trieben die Umsätze auf dem Weg zur Glückseligkeit an: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt“.
Reformator Martin Luther, dessen Thesen-Anschlag vor 500 Jahren in diesem Jahr gefeiert wird, war es, der die christliche Lehre wieder auf Glaubensinhalte konzentriert haben wollte.
Experten schildern im Heft die Dortmunder Exponate
Auf den 30 Seiten des aktuellen Dortmunder Denkmalheftes beschäftigt sich Dr. Gerard Jentgens mit kleinen Bausteinen und Fundstücken. Über „Bilder und Erzählwelten“ informiert Prof. Dr. Barbara Welzel, Bernd Thier mit dem Thema „Beten für die Glückseligkeit“.
Unter dem Titel „Vier Wege führen nach Santiago….“ berichtet Ulrike Steinkrüger über Jakobspilger im spätmittelalterlichen Westfalen. Alles ist im Heft reichhaltig bebildert. Dortmunder Fundstücke werden demnächst in einer eigenen kleinen Ausstellung im Museum für Kunst und Kulturgeschichte an der Hansastraße gezeigt, versprach Museumsdirektor Dr. Jens Stöcker.
Mehr Informationen:
- Die neue Veröffentlichung „Der mediale Aufbruch am Ende des Mittelalters – Tonfiguren aus Dortmunder Ausgrabungen“ ist das achte Heft der Reihe Bausteine und Fundstücke – Dortmunder Denkmalhefte.
- Es wird ab sofort kostenlos von der Denkmalbehörde im Stadtplanungs- und Bauordnungsamt, vom Museum für Kunst und Kulturgeschichte und vom Stadtarchiv ausgegeben – solange der Vorrat reicht.
- Alle ältere Denkmalhefte stehen ebenfalls kostenlos zur Verfügung.
- Darüber hinaus können alle Hefte auf der Internetseite www.denkmalbehoerde.dortmund.de heruntergeladen werden.
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