Von Susanne Schulte
In der Buchhandlung Litfass hat ein neues Kapitel angefangen: Im 35. Jahr nach der Gründung verkaufte Wolfgang Thönes das Unternehmen – an seine MitarbeiterInnen. Nun ist die Firma eine GmbH, als Geschäftsführer und Gesellschafter steht Karsten Schulz gerade, vier weitere sind so genannte Stille Teilhaber. „Wir sind sehr froh, dass es auf diesem Wege gelungen ist, den Betrieb wie gehabt fortzusetzen“, sagen der alte und der neue Chef.
Es hieß noch nicht Crowd Funding, aber klappte: Freunde liehen 1982 Geld zur Gründung
Ihre Freude wollen sie mit den KundInnen teilen und laden für den kommenden Freitag, 5. Mai, ab 11 Uhr zum Feiern an die Münsterstraße 107 ein. Gelesen wird natürlich auch: Das tun um 16 Uhr Reinhard Junge und Christiane Bogenstahl, die mit ihrem Krimi „Datengrab“ das Dortmunder Filmteam Pegasus auf eine weitere Verbrecherjagd schicken.
Als Reinhard Junge und Leo P. Ard das Pegasus-Team den ersten Fall lösen ließen, hatte Wolfgang Thönes seine ersten sieben Jahre als Buchhändler hinter sich. Mit einem Freund, der wie er das Raumplanungsstudium abgeschlossen hatte, gründete er den Buchladen, auf derselben Straße, wo er sich heute befindet, nur ein paar Meter weiter Richtung Eving. „Wir kannten andere, die das auch gemacht haben – ohne die klassische Buchhändler-Ausbildung.“
Angetreten waren die beiden „als politisch alternativer Buchladen und als Stadtteilbuchhandlung.“ Sie liehen sich Geld von Freunden. „Heute würde man Crowd Funding sagen“, sagt Thönes. Jede Mark konnten sie später zurückzahlen. Er ist auch ein wenig stolz, wenn er bemerkt: „Wir sind ohne Bankkredite gestartet.“
Wolfgang Thönes übergibt einen Betrieb mit 22 MitarbeiterInnen an Karsten Schulz
Verkaufte man während der Anfänge auch viel Männerbücher und Frauenbücher – „Zur Lesung mit Ralf König haben die Leute Schlange gestanden“ – merkten Thönes und sein damaliger Mitstreiter dann schnell, „nur das klassische Ladengeschäft reicht nicht“. Mittlerweile ist Litfass eine Fachbuchhandlung mit einem täglichen Lieferservice.
Zwei Angestellte fahren jeden Tag durch ganz Nordrhein-Westfalen, um den KundInnen die bestellten Medien zu bringen. Viele, viele Bibliotheken und Schulen schätzen seit Jahren den Service der Dortmunder Belegschaft. Wenn es gewünscht ist, landet die Lieferung auch gleich im Regal.
Zum Litfass-Programm gehören alle Medien, die Bibliotheken ausleihen oder in ihrem Bestand haben müssen, gedruckt oder elektronisch, als Brettspiel oder Game, das Büchergilde-Sortiment und das Angebot von Zweitausendeins.
Verkauf an einen Filialisten behagten weder dem Chef noch der Belegschaft
Schulz will, wie auch vor ihm Thönes, weiterhin den Mitbewerbern immer eine Nasenlänge voraus sein. Das hat all die Jahre gut geklappt. 22 Frauen und Männer arbeiten heute bei Litfass.
Deren Jobs wollte Thönes, nachdem er für sich überlegt hatte, nach dem 60. Geburtstag „demnächst, in einiger Zeit aufzuhören“, nicht gefährden. Vor allem, weil ihm selbst schon aus der Belegschaft die Frage gestellt wurde: „Wie geht es denn weiter?“ Ja, Angebote von Finalisten gab es, aber die wollte er nicht in Erwägung ziehen „und wir auch nicht“, ergänzt Karsten Schulz und spricht für alle KollegInnen.
Er hat es selbst erlebt als ehemaliger Buchhändler bei Krüger, wie schnell ein Job dann weg ist. So war zu entscheiden, ob die MitarbeiterInnen das Unternehmen kaufen wollten und wenn einige dazu bereit wären, ob die anderen damit gut leben könnten. Diese Entscheidung fiel zugunsten der Idee aus. „Es ist ein sanfter Übergang“, sagen die Männer. Thönes ist nun als selbstständiger Berater für Litfass tätig und gehört wie selbstverständlich zur Belegschaft.
Nach der zwangsweisen Renovierung ist mehr Platz fürs Publikum bei Lesungen
Karsten Schulz ist gelernter Buchhändler. Der Wuppertaler wollte nach dem Abitur Lehrer werden, studierte Deutsch und Chemie, wusste aber nach den ersten Praxiseinsätzen, dass er sich einen anderen Beruf suchen wollte, machte seine Lehre beim Stern-Verlag in Düsseldorf, arbeitete bei Köndgen in Wuppertal, bei Krüger in Dortmund und seit fünf Jahren bei Litfass. Er kennt das Geschäft somit sehr gut.
Und die Belegschaft steht hinter ihm, wie sie ihm schon mit einem netten Spruch auf einem Kaffeebecher kund getan hat. Ändern wird sich in nächster Zeit nichts, Neues ist in Planung. „Wir wollen wieder mehr Lesungen machen. Nach dem Wasserschaden im vergangenen Jahr und der Renovierung haben wir jetzt mehr Platz für Publikum.“
Reinhard Junge und Christiane Bogenstahl lassen während der Feier das Pegasus-Team ermitteln
Das Publikum kann gleich am kommenden Freitag testen, wie es sich denn bei einer Lesung im Litfass-Buchladen so sitzt und zuhören lässt. Der Eintritt ist umsonst. Und wer wissen will, wie Wolfgang Thönes damals auf den Namen für den Laden gekommen ist, kann es jetzt hier lesen. „Es sollte kurz sein und bei Litfass denkt man ein Fass voller Literatur und die Litfass-Säulen. Die haben immer etwas zu verkünden.“
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„Dortmunder Bücherstreit“ geht in die 45. Runde: Fünf Neuerscheinungen auf dem Kritiker-Tisch
Wer Bücher liebt, der streitet sich – und zwar am besten öffentlich. Am Donnerstag, 22. Oktober, 20 Uhr geht es beim 45. Dortmunder Bücherstreit im Studio B der Stadt- und Landesbibliothek (Max-von-der-Grün-Platz 1-3) um fünf Neuerscheinungen. Auf dem Podium garantieren Rutger Booß, Marianne Brentzel, Horst-Dieter Koch, Ulrich Moeske und Julia Sattler einen unterhaltsamen Abend der Dortmunder Lesekultur.
Frisch von der Frankfurter Buchmesse kommen folgende Romane auf den Kritiker*innentisch:
Fang Fang: Wuhan Diary, Hoffmann und Campe
Anna-Katharina Hahn: Aus und davon, Suhrkamp
Astrid Seeberger: Goodbye Bukarest, Urachhaus 2020
Olivia Wenzel: 1000 Serpentinen Angst, S. Fischer Verlag
Colson Whitehead: Underground Railroad, Hanser Verlag
Der Eintritt kostet 4 Euro, ermäßigt 2,50 Euro.
Wegen begrenzter Platzanzahl ist eine Voranmeldung per Mail erforderlich: cvennes@stadtdo.de
Eine Kooperationsveranstaltung von Kulturbüro, VHS, Buchhandlung Litfass und Stadt- und Landesbibliothek.