132 treue Mitglieder waren eingeladen - viele konnten nicht kommen

Jubilarehrung bei der Gewerkschaft NGG in Dortmund: Den Vorleser gab es für 34 Mitglieder

Die Geehrten für langjährige Mitgliedschaft bei der NGG-Ehrung im Brauhaus der DAB-Brauerei. Foto: Klaus Pollkläsener

Von Susanne Schulte

Eine Ehrung von Gewerkschaftsjubilar:innen ist heutzutage eine Feier zur Heimatgeschichte. Die meisten Betriebe, in denen die Frauen und Männer gearbeitet hatten, die die NGG (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten) auszeichnete, gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Hertie und die Schokoladenfabrik Van Netten, die Deutsche Schlafwagen-Gesellschaft und Coop und – die vielen Brauereien, die einst die Dortmunder*innen mit Pils und Export versorgten.

Die Ausgezeichneten prägten auch die Tradition ihrer Betriebe

Ja, viele Biere sind noch auf dem Markt, wie Ritter und Stifts, Union und Hansa, doch gebraut werden sie seit Jahren an einer Adresse: an der Steigerstraße, dem Sitz der Actien-Brauerei. Und dort, im schönen Saal, bedachten Gewerkschaftssekretär Samir Boudih und Gewerkschafts-Geschäftsführer Torsten Gebehardt, die Jubilar:innen mit der Treue-Nadel, dem Vorleser.

So reich an Tradition wie das Bierbrauen ist auch die Geschichte der Gewerkschaft der Brauer. Im kommenden Jahr feiert die NGG ihr 175-jähriges Bestehen. So ist es kein Wunder, dass zu den jetzt Geehrten vier Männer gehören, die seit 70 Jahren Mitglied sind. Das sind Berthold Kleber – langjähriger Schwerbehindertenvertreter der NGG, Willi Kumpsthoff, Horst Mohnberg und Heinz Pasterny.

Die Geehrten für 70 Jahre Mitgliedschaft in der Gewerkschaft. Foto: Klaus Pollkläsener

Der Letztgenannte war fast allen im Saal persönlich bekannt, war er doch die letzten 24 Jahre seines Arbeitslebens Sekretär und später Geschäftsführer der NGG in Dortmund. Pasterny machte eine Ausbildung zum Molkerei-Gehilfen in Ostwestfalen, trat während der Lehre in die Gewerkschaft ein, arbeitete später in Schwerte und Brilon, in der Schweiz und in Dortmund.

Bei der Milchversorgung Dortmund kümmerte er sich als Betriebsratsvorsitzender um die Belange der Kolleg*innen. Als die Dortmunder Milchversorgung mit der aus Bochum fusionierte, wechselte er zur Coop-Schokoladenfabrik, wurde auch hier Betriebsratsvorsitzender und später dann Angestellter der NGG – bis zu seiner Rente. Noch heute ist er mit den NGG-Senior:innen aktiv.

Heidemarie Haselhoff arbeitete im NGG-Büro mit sieben Geschäftsführern

Eine Frau, mit der er lange im Gewerkschaftsbüro zusammengearbeitet hat, ist Heidemarie Haselhoff. Sie erhielt die Ehrennadel für 65 Jahre Mitgliedschaft. Sieben Geschäftsführer habe sie während ihrer Zeit als Beschäftigte bei der NGG kennengelernt, erzählte sie auf die Frage von Torsten Gebehardt nach ihrem Berufsleben. Auch das war den Gästen im Saal einen Applaus wert.

Die für 50 Jahre in der Gewerkschaft Geehrten. Foto: Klaus Pollkläsener

Ebenfalls seit 65 Jahren zahlen Ilse Grodzki, Erhard Krusa, Hans-Gerd Liedlich und Günter Mika Gewerkschaftsbeiträge. Seit 60 Jahren dabei sind Wolfgang Breiter, Klaus Juncker, Ulrich Koch, Horst Koslowski, Werner Lemke, Manfred Mooi, Rudi Niederhagemann und Klaus Schumann.

Vor 50 Jahren traten der NGG bei: Karin Arndt, Fred Benschat, Richard Hornig, Biko Mucovic, Lothar Plewe und Paul Thier.

Für 40 Jahre Mitgliedschaft wurden geehrt: Marlies Grahame, Martina Hoffmann-Rabe, Gudrun König, Christa Roda, Susanne Steinhage, Martin Meise, der derzeitige Vorsitzende der NGG-Region Dortmund Frank Neumann, Jakob Ruge und Marek Zambrzycki. Ian Fletcher und Dietmar Henning unterschrieben vor 25 Jahren die Beitrittserklärung.

Die Treuenadel „Der Vorleser“ ist das Zeichen der Solidarität

Die Urkunde mit der Abbildung des Vorlesers. Foto: Susanne Schulte für Nordstadtblogger.de

Sie alle bekamen die Treue-Nadel angesteckt, die den Vorleser darstellt. Der Vorleser war Mitte des 19. Jahrhunderts ein Kollege der Zigarrenmacher, der aus Zeitungen und Büchern vorlas, während diese Zigarren drehten.

Dadurch ging nicht nur die Arbeit besser von der Hand, die Männer lernten auch jede Menge über Politik und wirtschaftliche Zusammenhänge. Heute ist der Vorleser das Symbol der Solidarität in der NGG.

Solidarität war auch ein Thema in der Rede der SPD-Bundestagsabgeordneten Sabine Poschmann. Anders als es für sie damals, zu Beginn der Ausbildung, selbstverständlich war, in die Gewerkschaft zu gehen, würden heute die Menschen fragen: „Was habe ich denn davon?“. Das höre sie häufig in Gesprächen.

Sie erinnerte daran, dass die Gewerkschaften die 40-Stunden-Woche erkämpft hatten, den bezahlten Urlaub, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ohne Solidarität hätten sich die Arbeitsbedingungen nicht verbessert. Heute sei mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze nicht mehr tarifgebunden.

SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Poschmann hielt eine Rede. Foto: Susanne Schulte für Nordstadtblogger.de

Viele Frauen und Männer müssten trotz einer Vollzeit-Arbeitsstelle zusätzlich Bürgergeld beantragen, um über die Runden zu kommen. Deshalb sei die Forderung der NGG nach 15 Euro Mindestlohn für die Beschäftigten der Systemgastronomie auch gerechtfertigt.

Nach Rede und Ehrung wurde das warme Büffet eröffnet, wie es sich für eine NGG-Veranstaltung gehört. Und als besonderen Service für ihre Mitglieder hatte die Gewerkschaft den Fotografen Klaus Pollkläsener beauftragt, Einzel- und Gruppenfotos von den ausgezeichneten Frauen und Männern zu machen und diese dann auch während der Veranstaltung noch auf Papier auszudrucken. Das kam bei allen gut an. So nahmen sie außer dem Vorleser und der Urkunde auch noch ein Bild mit nach Hause. 

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