Erstmals fand in Dortmund die Jobaktiv-Messe statt: 50 regionale und überregionale Arbeitgeber:innen präsentierten sich und ihre Arbeits- und Ausbildungsplätze auf Einladung von Agentur für Arbeit und Jobcenter an zwei Tagen in den Westfalenhallen. Damit soll arbeitssuchenden Menschen der Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtert werden. Ein Schwerpunkt lag angesichts der aktuellen Lage auf der Integration von Geflüchteten.
Arbeitslosigkeit und Bildung geflüchteter Ukrainer:innen
Die frühere Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles – mittlerweile Chefin der Bundesagentur für Arbeit – ging auf die Bedeutung der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten aus der Ukraine ein. Denn diese biete große Chancen – für Geflüchtete, aber auch für die deutsche Gesellschaft.
Das untermauerte Roland Schüßler, Chef der Landesarbeitsagentur, und verwies auf einen Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB): Demnach sind 72 Prozent aller geflüchteten Ukrainer:innen Akademiker:innen. Zum Vergleich: Akademiker:innen machen nur ein Drittel der deutschen Gesamtbevölkerung aus. Allerdings gibt es Berufe, die in Deutschland in der dualen Berufsausbildung ausgebildet werden, in der Ukraine dagegen an Hochschulen.
Ebenfalls zeigen die Studienergebnisse, dass sich rund 47 Prozent der geflüchteten Ukrainer:innen auch gar nicht langfristig in Deutschland sehen. Weitere wichtige Zahlen: Mehr als zwei Drittel sind Frauen. Der größte Teil der Ukrainer:innen ist zwischen 25 und 50 Jahren alt – in Dortmund machen sie rund 60 Prozent aus.
Der Analyse entsprechend betont Schüßler, dass die qualifikationsgerechte Integration wichtiger sei als schnelle Integration. Es sei wichtig, dass Geflüchteten die Möglichkeit geboten werde, die Tätigkeiten auszuüben, die sie vorher auch ausgeübt hatten.
Sprache, Zertifikate, Kinderbetreuung: Hürden der Integration in NRW
Bei der Integration der geflüchteten Ukrainer:innen entstehen allerdings vor allem drei Hürden: Die fehlende Kinderbetreuung für geflüchtete Mütter, die Anerkennung der beruflichen Zertifikate und Abschlüsse sowie die fehlenden Deutschkenntnisse.
„Es gilt Quantität, aber vor allem auch Geschwindigkeit“, betont Schüßler. Doch an der Geschwindigkeit hapert es: Teilweise besteht eine Wartezeit von bis zu 36 Wochen, um an einem Sprachkurs teilzunehmen. Zwar sei die Agentur für Arbeit nicht für die Sprachvermittlung zuständig, aber sie sei sie laut Schüßler „mit dem Bundesamt für Migration in enger Abstimmung, um das besser hinzubekommen”.
Um die vielen Geflüchteten in qualifikationsgerechte Berufe einzuführen, ist eine Anerkennung der Zertifikate notwendig. Auch das übernimmt die Agentur für Arbeit nicht selbst – es soll aber durch eine „Verweisberatung“ Hilfestellung gewährleistet werden. Hierbei wäre laut Schüßler ebenfalls mehr Tempo angebracht. Durch das unterschiedliche Bildungssystem der Ukraine benötigt die Anerkennung der Zertifikate mehr Zeit.
Dortmund als neue Heimat für Familie Avlasenko
Eingeladen waren, neben zwei weiteren ukrainischen Geflüchteten, die 39-jährige Milana Avlasenko sowie ihr 42-jähriger Mann Viktor. In einem Gespräch mit Nordstadtblogger.de erzählten sie mithilfe von Dolmetscherin Olesia Honaik von ihren bisherigen Erfahrungen in Deutschland und ihren Plänen für die Zukunft.
Milana ist im März 2022 alleine mit ihren zwei Söhnen nach Alfter bei Bonn geflüchtet, wo sie eine Einzimmerwohnung teilten.
Gründe für den Umzug nach Dortmund waren vornehmlich der Platzmangel in der alten Wohnung, aber auch, dass sie in Alfter keinen Schulplatz für die Kinder bekamen. Hier in Dortmund fühlen sie sich wohler, auch der Schulplatz für die Kinder ist gesichert. Eine Kinderbetreuung ist dementsprechend für die Familie Avlasenko nötig gewesen. „Die Atmosphäre hier ist schön“, übersetzt Olesia Honaik.
Im September letzten Jahres kam Milanas Ehemann nach. Das größte Hindernis bei der Integration sei laut dem Ehepaar neben der Sprache die deutsche Bürokratie. Allerdings war die Familie positiv überrascht von der Hilfsbereitschaft der Mitmenschen: Lehrer oder Eltern vom Fußballverein der Kinder haben ihnen dabei geholfen.
Sie fühlen sich gut unterstützt, erklärt die Dolmetscherin Olesia Honaik. Auch Olesia ist eine ukrainische Geflüchtete. Sie beherrschte die deutsche Sprache allerdings bereits vor der Migration nach Deutschland und arbeitet nun als Dolmetscherin für die Agentur für Arbeit.
Pläne für die berufliche Zukunft in Deutschland
Milana hat sowohl eine Berufsausbildung zur Buchhalterin, als auch zur Wirtschaftsingenieurin – sie plant, ersteres auszuüben. Als Erstes steht für die Familie allerdings das Lernen der deutschen Sprache an: Für einen Sprachkurs hat sich bisher keiner der beiden eingeschrieben, der erste Kontakt zur Sprache geschieht laut Milana über Duolingo.
Angst um eine Karriere haben die beiden nicht – sie sind zuversichtlich, was die Jobchancen in Deutschland betrifft. Da das Ende des Krieges nicht abzusehen ist, plant die Familie, permanent in Deutschland zu bleiben.
Ihr Zertifikat habe sie sich noch nicht anerkennen lassen, das habe sie vor, sobald ihre Deutschkenntnisse gestiegen sind. Das sind Themen für viele Geflüchtete: Deshalb ist die Geschwindigkeit bei der Verteilung von Sprachkursplätzen so wichtig, um die qualifikationsgerechte Integration so schnell wie möglich voranzutreiben.
Fehlende Sprachkenntnisse müssen kein Hindernis sein
Die fehlenden Deutschkenntnisse müssen allerdings nicht immer eine Hürde zur Integration in den Arbeitsmarkt sein, wie es unter anderem die Firmenvertreter Dustin Lapa von Rewe und Stephanie Gebhardt von der Deutschen Bahn erklären. Gefragt wurden sie, wie sie planen, um Interessierten, die begrenzt Deutsch oder gar nicht sprechen, entgegenzukommen.
„Auch mit Sprachschwierigkeiten oder Ähnlichem spricht das nicht gegen eine Tätigkeit. Man muss sich verständigen können, Grundlagen müssen gegeben sein. Sobald man aber die Tätigkeit ausführen kann, spricht nichts gegen eine Einstellung”, erklärt Dustin Lapa von REWE. „Dann ist es auch egal, ob wir uns mit Händen und Füßen verständigen müssen, oder in einwandfreiem Hochdeutsch.“
Stephanie Gebhardt, für Personalgewinnung bei der Deutschen Bahn zuständig, sieht das ähnlich: „Wir brauchen gar nicht ein Zertifikat über die Sprache“. Allerdings sei es wichtig, dass die Menschen bei der Umschulung sprachlich mitkämen: „Damit Du weißt, was Du als Fahrdienstleiter machen musst. Sprache kann man nachholen”, so Gebhardt.
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