In ihrem jüngsten Arbeitslosenreport setzen sich die Wohlfahrtsverbände NRW erneut mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt auseinander – insbesondere mit Blick auf Personengruppen, die Leistungen nach SGB II (Hartz-IV bzw. ALG 2) beziehen. Dabei geraten die Jobcenter teils derbe in die Kritik. Es geht in dem Themenspektrum um die Verwendung von Bundesmitteln zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, es geht um Aktivierungsquoten, um die Förderung besonders Bedürftiger, Sanktionen im Falle mangelnder Kooperation und um vieles mehr. Wie sehen die beteiligten Institutionen in Dortmund das? – Nordstadtblogger Thomas Engel hat nachgefragt und mit den Akteuren ein Hintergrundgespräch geführt. Beim virtuellen Meeting waren dabei: Dr. Regine Schmalhorst, Geschäftsführerin des Jobcenters Dortmund, Anna Markmann, Leiterin Markt und Integration im Jobcenter, sowie Gunther Niermann, Kreisgruppengeschäftsführer des Paritätischen Dortmund, für die Freie Wohlfahrtspflege in der Kommune.
(Angesichts seines erheblichen Umfangs haben wir das Interview zweiteilig gestaltet; zudem längere wörtliche Passagen teils über indirekte Rede bei Wahrung der Aussageinhalte verkürzt. Herausgekommen ist ein etwas ungewöhnliches, aber durchaus als experimentell zu verstehendes Format.)
Die „Sünde“ von Hartz-IV: „Die Arbeitslosen sind selbst verantwortlich für ihre Arbeitslosigkeit“
Nordstadtblogger: Frage in die Runde: Was halten Sie von der gegenwärtigen Diskussion bzw. gerade sozialdemokratisch geprägten Forderung, die Sanktionen bei Hartz-IV abzuschaffen? ___STEADY_PAYWALL___
Gunther Niermann: „Erlauben Sie mir ein politisches Statement“: Im Sozialausschuss der Stadt Dortmund, wo auch das Jobcenter vertreten ist, wird regelmäßig abgefragt: Wie hoch ist denn die Sanktionsquote?“
Dr. Regine Schmalhorst: „Unter vier Prozent“.
Niermann: „Das hat auch etwas mit der Haltung im Jobcenter zu tun.“ Andererseits, zur Sorge, da würden Steuergelder hinterzogen, also von Menschen, die Leistungen beziehen, aber keine Gegenleistungen im Hinblick auf ihre Wiedereingliederungsbemühungen erbringen – da säßen „faule Säcke und Säckinnen, die nicht arbeiten wollten“: das sei ein Zerrbild, siehe die Dortmunder Sanktionsquote, eine Marginalie.
Da ginge die öffentliche Debatte in eine Richtung – und das sei die Sünde von Hartz-IV: „Die Arbeitslosen sind selbst verantwortlich für ihre Arbeitslosigkeit.“ Warum sollten Bezieher*innen von Hartz-IV moralisch bessere Menschen sein als der Durchschnitt der Bevölkerung? Da gäbe es eine Aussage vom Bund der Steuerzahler: Zahlten alle ihre Steuern, gäbe es nur die Hälfte der heutigen Steuerlast.
Weil es auch um Steuergelder geht: keine vollständige Abschaffung der Sanktionen
Schmalhorst: Bei 45.000 Bedarfsgemeinschaften und über 83.000 „Hilfeempfängern“: die vier Prozent bezögen sich auf erwerbsfähige Leistungsbezieher. „Wir zögern lange, bis wir eine Sanktion aussprechen.“ Als Jobcenter hätten sie auch schon mit Arbeitsminister Heil besprochen: „Es ist wichtig, nicht vollständig auf Sanktionen zu verzichten“.
Nordstadtblogger: Also keine Abschaffung der Sanktionen?
Schmalhorst: „Nein“. Das sei auch die Auffassung der Jobcenter-Geschäftsführungen: keine vollständige Abschaffung. Denn es ginge auch um Steuergelder. Sondern: Man müsse „schauen, wie man damit umgeht.“ Konkret: „Wir setzen jetzt schon auf Freiwilligkeit. Bis wir Sanktionen aussprechen, dauert es.“ Das sei in anderen Ruhrgebietsstädten ähnlich. Im Januar 2021 läge die Sanktionsquote bei 0,9 Prozent. Gerade auch in Zeiten von Corona: „Wir sind da ausgesprochen vorsichtig mit und da muss schon viel passieren.“
Nordstadtblogger: Müsste nicht etwas an den gesetzlichen Voraussetzungen geändert werden? Sie machen es gut, andere sind restriktiver. Eröffnet das keine Räume für Willkür?
Schmalhorst: „Ich entscheide, ob wir mit Rechtsfolge einladen oder nicht.“ Geschähe dies, seien Sanktionen bei Fehlverhalten unvermeidlich. Doch diese Entscheidung würde halt in den Jobcentern getroffen. Und: Kein Jobcenter in der Umgebung handele restriktiv.
Bei Hartz-IV: „Im Instrument der Sanktionierung wird schon Misstrauen formuliert.“
Niermann: „Ich kann nachvollziehen, wenn die Jobcenter-Geschäftsführungen sagen, wir brauchen noch ein Instrument, weil wir sonst ja auch machtlos sind.“ Denn sonst könnten den Jobcentern Menschen auf der Nase herumtanzen, flapsig ausgedrückt. Das aber sei nur eine kleine Anzahl, das könne er für die Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände sagen.
Es sei ebenso eine Haltungsfrage, habe etwas mit dem Menschenbild wie mit der Gesetzgebung zu tun. Doch weil es auch Steuergelder sind: „Ich brauche ein Instrument, das Missbrauch verhindert.“ Aber, „ob das die Sanktion ist, weiß ich nicht“. Denn: „Im Instrument der Sanktionierung wird schon Misstrauen formuliert.“ Insofern: Es hätte wohl etwas damit zu tun, „wie ich ein Gesetz dem Sinne nach formuliere.“
Geschähe das unter dem Vorbehalt, „dass Menschen nicht arbeiten wollen“, verhielte ich mich entsprechend als Institution. Die heutigen Sanktionsmöglichkeiten böten zumindest die Möglichkeit, wie in der Frage beschrieben. Also die einer unterschiedlichen Handhabung vor Ort. Gäbe es dort Schweinigel, dann könnte die Quote auch bei zehn oder zwölf Prozent liegen. Das sei ein Stück weit eben abhängig von der Leitung der Jobcenter. Frau Dr. Schmalhorst vertraue er da.
Auf Augenhöhe einander begegnen: „Wir sind nicht die Bude, wo es total ätzend ist, hinzugehen.“
Nordstadtblogger: Da wäre halt die Frage, ob die gesetzlichen Möglichkeiten, zu sanktionieren, in irgendeiner Form eingeschränkt werden?
Niermann: „Ich glaube, das ist die Vorgeschichte, die zu einer Sanktionierung führt.“ Die Jobcenter sollten in eine Position versetzt werden, die da Unschuldsvermutung heißt, gegenüber den Kund*innen. „Die am Ende aber auch den Weg offen lässt, um die Schweinigel zu erkennen.“
Schmalhorst: „Was uns in unserem Haus treibt: dass wir Kunden und Kundinnen auf Augenhöhe begegnen.“ Die hätten immerhin einen gesetzlichen Anspruch. – „Wir sind nicht die Bude, wo es total ätzend ist, hinzugehen.“ Sie wüssten, dass die Menschen kommen müssten, weil sie das Geld auch brauchen. Sie seien an dieser Stelle Dienstleister; demgegenüber müssten aber eben auch Pflichten eingehalten werden.
Während Corona, da hätten sie gesagt: „Wir werden keinen Kunden zwingen, in eine Maßnahme zu gehen. Wir werden auch keinen Kunden zwingen, zu einem Gespräch zu kommen.“ Da gäbe es verzweifelte Lagen, Menschen, die Gefahr liefen, ihre Wohnung zu verlieren oder dass der Strom abgeschaltet würde. „Es hat wirklich was damit zu tun: Was haben wir für ein Menschenbild? Und es ist nicht das Herablassende von oben.“
Das sei vielleicht noch nicht bei allen Mitarbeitenden so, immerhin sind es an die 1.100. Aber: „Es wird immer klarer, dass uns das bewegt.“
Jobcenter Dortmund: aufsuchende Sozialarbeit bei Obdach- und Wohnungslosen
Nordstadtblogger: Bei einem Pressegespräch, das ich neulich geführt habe, zu Wohnungs- und Obdachlosen in Dortmund, da kam die Frage hoch: Auf der einen Seite sind da die gesetzlichen Vorgaben – sprich: auch ein gewisses bürokratisches Verfahren. Auf der anderen Seite: das Manko an vielleicht individuellen Möglichkeiten oder Fähigkeiten dieser Menschen, dem einigermaßen zu entsprechen. Bräuchte es da nicht mehr Mittel für Sozialarbeit, die unterstützt, Hilfen zu beziehen?
Schmalhorst: „Wir sind bundesweit eines der ganz wenigen Jobcenter, die ein Beratungsteam haben für Wohnungslose […] Das ist die mobile Beratung, die vor Ort läuft. Wir haben ein kleines, aber sehr engagiertes Team, das auch draußen ist.“ Für Kund*innen und solche, die es noch nicht sind.
Die Beratung umfasse zwei Aspekte: Qualifizierung, Verstetigung, vielleicht eine Arbeitsgelegenheit; und: „Du könntest auch einen Anspruch auf SGB II haben.“ Dies geschieht in der Stadt als konzertierte Aktion: „Da agieren wir mit Kooperations- und Netzwerkpartnern zusammen.“
Perspektive: „Krise nach der Krise …, wenn die Regelsysteme wieder ans Netz gehen“ – ?
Niermann: „Es gibt hohe Dunkelziffern; wir vermuten das zum Beispiel bei Jugendlichen.“ Die in einen Sog gerieten und im Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfesystem überhaupt noch nicht auftauchten. „Was da Corona gemacht hat, wissen wir nicht.“ Doch die Jugendamtsleitung spräche „auch schon mal gerne von der Krise nach der Krise, mit der wir zu rechnen haben, wenn die Regelsysteme wieder ans Netz gehen.“
In Dortmund gäbe es eine Haltung, Angebote zu formulieren, auf freiwilliger Basis: das Zelt am Dortmunder U, Gast-Haus, bodo, Team Wärmebus und andere. Von Bedeutung hier: die Trägervielfalt. „Die haben ein ganz gutes Sensorium dafür, wer in dieser Stadt unterwegs ist.“ Gut sei, dass Frau Dr. Schmalhorst sagt, wir gehen nach draußen, statt drauf zu warten, dass die Leute kommen und fragen, ob sie SGB II-berechtigt seien.
Wichtig sei, irgendwann zu saldieren: „Was hat das Team erreicht?“ Ganz nüchtern zu betrachten: „Wie viel Menschen haben wir angesprochen, wie viele SGB II-Anträge wurden gestellt, wie können wir unser Instrumentarium noch verfeinern?“ Gut sei der jüngste Ratsbeschluss gewesen: „dass Politik sich verantwortlich gefühlt hat: es gilt das Primat der Politik. Gesagt wird: Wir wollen da was tun und wir wollen Geld ins System geben“.
Engagement für entwurzelte Jugendliche: ohne Berührungsängste Kontakt halten und bekannter werden
Nordstadtblogger: Es gibt ja obdachlose Jugendliche, die irgendwann den Kontakt zu den kommunalen Hilfsstrukturen verloren haben. Wo junge Leute drunter sind, da hat mir mal eine Mitarbeiterin des Jugendberufshauses gesagt, die hätten teilweise Biographien, wenn sie die verfilmen würden, dann wären solche Filme erst ab 18. Menschen,die nur über aufsuchende Sozialarbeit erreicht werden können. Wie hoch ist denn Ihrer Einschätzung nach hier die Dunkelziffer?
Niermann: „Kann ich Ihnen nicht sagen.“ Da gäbe es beim Paritätischen den VSE (Verbund Sozialtherapeutischer Einrichtungen), der mit verschiedenen Projekten wie Sputnik in der Jugendhilfe unterwegs ist. Hier und woanders triebe genau jene Sorge um, „dass es viele Jugendliche gibt, von denen man heute nichts weiß“. Was dort und woanders getan werde, das sei: „sensibel sein für Hinweise, die aus der Szene kommen“. Am Ende ginge es darum, viel mit den Leuten zu quatschen.
Schmalhorst: Wichtig sei, Bekanntheit zu bekommen. „Wir haben für Jugendliche eine eigene Kollegin, Frau Traore, die draußen unterwegs ist, eng mit den Streetworkern zusammenarbeitet.“ Die habe gesagt: „Man darf keine Berührungsängste haben und man muss Hunde mögen.“ Viele der Wohnungslosen wüssten mittlerweile, wie sie an das hauseigene Team kämen.
Unerlässlich in diesem Zusammenhang: das Engagement. „Wir bringen niemand in ein solches Team, dessen Herz nicht dafür schlägt.“ Jemand, der einen Leistungsbescheid bearbeitet, könne wohl nicht für eine solche Aufgabe gewonnen werden.
Corona und keine Ende: „Wir wünschen uns wieder den persönlichen Kontakt!“
Nordstadtblogger: Abschließend, und mal wieder – Corona: Was bedeutet es für staatliche Hilfen, dass im Grunde genommen niemand seriös sagen kann, wie sich der weitere Verlauf der Pandemie darstellen wird. Die Ungeklärtheit der Situation, der Weise, wie Menschen miteinander in Kontakt treten können – was hat das für Auswirkungen auf staatliche Hilfen insofern, als die jetzt mit einer gewissen Flexibilität gestaltet werden müssten, so dass man auf neue Beschränkungen oder umgekehrt auf Lockerungen zügig reagieren kann?
Schmalhorst: „Wir lassen da niemanden allein und wer ’ne Maske braucht, der kriegt ’ne Maske.“ Sie müssten eben auf die Corona-Pandmie reagieren, also Kunden und Kundinnen bei Mehrbedarf unterstützen können.
Dann wäre da natürlich die Frage: Wie damit im Weiteren umgehen? Wann sind wieder Gespräche, ist Beratung möglich? „Wir warten nur drauf.“ Es gäbe vor Ort „hochausgefeilte Sicherheitssysteme und Hygienekonzepte“. Augenblicklich seien sie stark in der telefonischen Beratung, aber: „Für uns ist es natürlich so: Wir wünschen uns wieder den persönlichen Kontakt.“ Vieles ginge am Telefon auch flöten. Da bräuchte es die persönliche Beziehung, damit Vertrauen aufgebaut werden könne.
Frage wie stille Befürchtung bei Wohlfahrtsverbänden: „Gehen uns Menschen flöten?“
Niermann: „Corona und die Folgen“, so hieße im paritätischen Landesverband schon explizit eine Arbeitsgruppe. Und zwar bezüglich der Nutzer*innen verschiedener Dienste und Einrichtungen. Beispiel: Seniorinnen und Senioren. Da sei Corona in den zwölf Seniorenbüros ein großes Thema. Es ginge nämlich darum, nicht den Kontakt zu verlieren. „Viele Senioren und Seniorinnen sind einfach gekommen, um zu quatschen, ich sag das mal einfach so.“
Corona verändert: Jetzt gäbe es unter Umständen auch schon mal eine Beratung am Fenster. Und: „Da gibt es auch ein diffuses Unwohlsein in unserem Landesverband zu der Frage: Gehen uns Menschen flöten?“ Konkret: Könnten sie so isoliert sein, dass sie staatliche Leistungen gar nicht in Anspruch nehmen können. Eine spannende Frage, die sie auch im Landesverband nicht abschließend beantworten könnten.
Ein möglicher, zumindest mittelbarer Indikator dafür, ob ich die Menschen noch erreiche: Hilfen in Dortmund auszudifferenzieren, „die Menschen unmittelbar in Anspruch nehmen können“. Wie hoch ist hier die Aktivierungs- und Abrufquote bei der Teilhabe? Werden die Mittel alle ausgeschöpft? „Denn die Menschen, die sich gut organisieren können, die tun das auch in der Pandemie. Und die Frage ist, was ist mit denen, die sich auch von Haus aus nicht gut organisieren?“
Positivbeispiel in Dortmund: die Zeltlösung für Obdach- und Wohnungslose. „Wo die Kommune aus meiner Sicht für Verwaltungsverhältnisse in einem unglaublichen Tempo, nämlich innerhalb von vier Wochen, glaube ich, aufbauen, die Kohle dafür ranschaffen musste, rund 100.000 Euro. Das Ding muss beheizt werden, da muss eine Toilettenanlage hin, und das ist in einem Affenzahn passiert.“
An allen Jobcenter-Standorten in Dortmund: weiterhin Räume für Notfallanliegen
Schmalhorst: „Das war eine der größten Fragen, die wir uns gestellt haben. Verlieren wir gerade Kunden und Kundinnen, weil die nicht in der Lage sind, übers Telefonieren auf digitalem Wege zu uns zu kommen?“ Mit anderen Worten: „Flutscht jemand durch unser System, der uns braucht?“
Daher gäbe es an allen Standorten weiterhin die Möglichkeit, dass Menschen dort vorsprechen können, mit Notfallanliegen, und dass diese Notfallanliegen sofort aufgenommen werden. „Wir wollen für sie da sein, egal, auf welchem Weg. Aber wir müssen diese Wege halt begrenzen beziehungsweise anders gestalten.“
Niermann: „Ein anderes Beispiel, die Selbsthilfegruppen.“ Etwa 400 von ihnen gäbe es in Dortmund; mit 270 sind sie als Selbsthilfekontaktstelle des Paritätischen verbunden. Dann kommen die Klagen, dass sie sich nicht treffen können. Die Sorge: Damit, womit sich diese Menschen eh schon beschäftigen, das könnten sie nun nicht mehr verarbeiten. Weil die gewohnten Treffen nicht mehr möglich sind. Denn trotz aller Bemühungen: Am Ende habe Der Paritätische die Geschäftsstelle in Dortmund nicht offen halten können.
Gut beim Jobcenter Dortmund, das sei: dass die nach rechts und links gucken: „Wo können noch Projektmittel beantragt werden? Programme, Modellprojekte. Da erlebe ich eine große Offenheit, auch eine große Freude, das zu tun und diese Mittel mitzunehmen, um in Dortmund was zu gestalten.“ Das sei ja auch nicht selbstverständlich. Durch die Impulse aus dem Jobcenter gäbe es eine große Bereitschaft, in die Kooperation zu gehen. „Ich glaube, dass sich das in den vergleichsweise guten Zahlen des Jobcenters Dortmund ausdrückt.“
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Besser in Arbeitsmöglichkeiten investieren statt in Arbeitslosigkeit (PM LAG der Freien Wohlfahrtspflege NRW)
LAG der Freien Wohlfahrtspflege NRW: Besser in Arbeitsmöglichkeiten investieren statt in Arbeitslosigkeit
Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW (LAG FW) fordert einen dauerhaft gesicherten sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose. „Mit Sorge blicken wir auf die in der Pandemie stark steigenden Zahlen der Langzeitarbeitslosen“, sagt der LAG-Vorsitzende Dr. Frank Johannes Hensel. Deswegen müsse das Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ jetzt entfristet werden. Der Zwischenbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bestätige den Erfolg des Teilhabechancengesetzes.
„Es gilt der Langzeitarbeitslosigkeit und der damit verbundenen Isolation von gesellschaftlicher Teilhabe anhaltend zu begegnen“, sagt der LAG-Vorsitzende Hensel. Die 2019 mit dem sogenannten Teilhabechancengesetz eingeführten Reformen in der Arbeitsmarkpolitik für Langzeitarbeitslose zeigten gute Erfolge. Das ganzheitlich angelegte Konzept mit öffentlich geförderter Beschäftigung, sozialarbeiterischer Begleitung („Coaching“) und beruflicher Qualifizierung bewähre sich in der Praxis. Das bestätige auch die erste Zwischenevaluation durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), sagt Hensel.
Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW habe viel zur erfolgreichen Umsetzung der Reformen des Teilhabechancengesetzes beigetragen, sowohl durch die Trägerschaft von Qualifizierungs- und Beschäftigungsbetrieben als auch durch bereitgestellte Arbeitsplätze in Pflege, Erziehung und Hauswirtschaft.
Sie sieht daher auch, wo es in der konkreten Umsetzung noch Verbesserungsbedarfe gibt und hat „Eckpunkte zur Zwischenbewertung und Weiterentwicklung des Teilhabechancengesetzes“ veröffentlicht.
Optimierungspotentiale sehen die Wohlfahrtsverbände vor allem beim Coaching. „Wir fordern ein Coaching, dass die Entscheidungen der geförderten Personen stärkt“, sagt Hensel. Das fange bei der Selbstauswahl der Coaches an. Es dürfe nicht länger ausgeschlossen werden, dass Geförderte sich für einen beim Beschäftigungsträger angestellten Coach entscheiden. Denn häufig kennen die Beschäftigungsträger die geförderte Person bereits aus einer vorgeschalteten Maßnahme oder einem Praktikum. So wurde oft schon ein Vertrauensverhältnis zueinander aufgebaut.
Wohlfahrtsverbände fordern Entfristung wichtiger Reformen
„Es ist besser, in Arbeitsmöglichkeiten zu investieren statt in Arbeitslosigkeit“, sagt Hensel. Zudem rentiere es sich auch für die Gesellschaft, wenn Teilhabechancen von Benachteiligten gefördert würden. „Langzeitarbeitslose zu integrieren, braucht einen langen Atem und gute Förderinstrumente – genau die haben wir jetzt, weil das Teilhabechancengesetz eine arbeitsmarktpolitische Lücke geschlossen hat“, sagt Hensel. Die Wohlfahrtsverbände fordern deshalb nach den positiven Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis, die gesetzliche Befristung des arbeitsmarktpolitischen Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ (§ 16i im zweiten Sozialgesetzbuch – SGB II) aufzuheben.
Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist in der Corona-Pandemie stark angestiegen, innerhalb eines Jahres um 36,3 Prozent (März 2020 bis März 2021). „Es ist daher jetzt wichtig, dass Langzeitarbeitslose eine stabile Chance haben, mit langfristiger Unterstützung auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, sagt Hensel.
Hintergrund: Das 2019 beschlossene Teilhabechancengesetz hat einen arbeitsmarktpolitischen Paradigmenwechsel weg vom Vorrang kurzer Qualifizierung, schneller Vermittlung und hohem Sanktionsdruck hin zur „Schaffung neuer Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt“ vollzogen. Dabei erhalten Arbeitgeber für bis zu fünf Jahre Lohnkostenzuschüsse zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von Arbeitnehmer*innen, die vorher mindestens sechs von sieben Jahren auf Arbeitslosengeld II angewiesen waren. Finanziert wird dies u. a. durch Mittel, die ansonsten für den Leistungsbezug aufgewendet würden.