Auf dem Immobilienmarkt gibt es sehr unterschiedliche Akteure. Es gibt sehr langfristig orientierte, sehr kurzfristig orientierte, nassforsche und konservative Investoren. Diejenigen, die langfristig mit vermieteten Immobilien Geld verdienen wollen, dürfen weder ihre Mieter noch ihre Objekte vernachlässigen. Kurzfristig gibt es freilich immer Akteure, die versuchen werden, außerhalb der langfristigen Marktchancen in die eigene Tasche zu wirtschaften. Über diese und andere Fragen hat Nordstadtblogger Alexander Völkel mit Prof. Dr. Tobias Just, Geschäftsführer und Wissenschaftlicher Leiter der IREBS-Immobilienakademie im Kloster Eberbach in Eltville und Professor für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg, gesprochen.
Frage: Welche Attraktivität hat Dortmund für die Immobilienwirtschaft?
Prof. Dr. Tobias Just: Dortmund ist aus Immobiliensicht ein größeres Mittelzentrum. Es ist aus mehreren Gründen interessant, steht aber auch aus mehreren Gründen nicht ganz oben. Denn es gibt hier nicht die höchsten Wachstumsraten und nicht die stabilste Branchendurchmischung. Aber Dortmund ist ein großer B-Standort – und das ist nicht despektierlich gemeint. Größe und Liquidität ist hierbei das bestimmende Thema. Es gäbe auch noch C- und D-Standorte.
Dortmund ist für Investoren interessant, weil es relativ liquide ist. Das bedeutet, es werden hinreichend viele Objekte gehandelt, dass man auch kurzfristig aktiv sein kann. In den letzten Jahren sind die üblichen A-Standorte, also z.B. Berlin, München, Hamburg oder Frankfurt, sehr teuer geworden. Man findet kaum noch Vermögenswerte zu guten Einstiegspreisen. B-Standorte werden daher für Investoren wichtiger, um überhaupt noch Zugänge zum deutschen Immobilienmarkt zu finden. Dortmund hat sich zudem in den letzten Jahren wirtschaftlich ganz gut gemausert.
Ist für Investoren eher der Wohnungs- oder der Immobilienmarkt interessant?
Das Interesse gilt sowohl dem Wohnungs- als auch dem Gewerbeimmobilienmarkt. Diese hängen in der Regel eng zusammen. Wenn es der Wirtschaft nicht gut geht, könnten auch Wohnungen nicht stark im Preis steigen.
Gewerbe- und Wohnungsmärkte hängen eng zusammen, denn die Nachfrageseite reagiert hier auf ähnliche gesamtwirtschaftliche und regionalökonomische Impulse. Natürlich kann es Unterschiede auf der Angebotsseite geben – daher reagieren die Märkte ähnlich, aber nie deckungsgleich. So kann es Überangebote geben oder vorübergehende Knappheiten.
Bei Gewerbeimmobilien sind aktuell Büro, Logistik und Hotelinvestitionen bei institutionellen Anlegern beliebt, Einzelhandel wird aktuell weniger gesucht. Das ist deutschland- und wohl auch weltweit so. Hier wirken die strukturellen Verwerfungen, die der Onlinehandel für den traditionellen Handel bedeutet. Das macht im Gegenzug Logistikflächen interessanter. Manche Logistikmiete für Citylogistik reicht mittlerweile an Mieten der Einzelhandelsflächen heran. Das wäre noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen.
Wie funktionieren die unterschiedlichen Geschäftsmodelle von Immobiliengesellschaften? Wann kaufen oder verkaufen sie Objekte?
Es gibt sehr unterschiedliche Investoren. Für alle gilt: Man kann mit Immobilien auf unterschiedliche Arten Geld verdienen. Am wichtigsten ist, dass Immobilien eine langfristige Mieteinnahme versprechen, also einen stabilen Cashflow. Darüber hinaus sind Wertsteigerungen möglich, wenn ein Objekt so verändert werden kann, dass es später besser vermietet werden kann als zuvor.
Für die meisten Investoren ist die sichere Mietrendite wichtiger als die vergleichsweise unwichtige Wertänderungsrendite. Die Unterschiede zwischen den Investoren folgen im Wesentlichen dem Akzent, der auf diese zwei Renditearten gelegt wird. Opportunistische Investoren erhoffen sich eine hohe Wertänderungsrendite. Sicherheitsorientierte Investoren suchen indes den langfristig stabilen Cashflow.
Dies unterscheidet Immobilien von anderen Anlagen, wie z.B. Gold: Da gibt es keine kurzfristigen Zahlungen, sondern nur Preisänderungen. Gleiches gilt für junge Technologie-Aktien. Da gibt es erst einmal keine Einnahmen aus dem Cashflow, sondern nur Wertsteigerungsphantasie. Insgesamt haben Immobilien ein eigenes Renditerisikoprofil, sie lassen sich nicht einfach durch Aktien oder Anleihen abbilden. Daher sollten Anleger einen Teil ihrer Anlagen in Immobilien investieren – direkt oder indirekt, denn so lassen sich die Gesamtanlagerisiken spürbar senken.
Einige Investoren suchen mit Immobilienanlagen ein sogenanntes „Länderexposure“. Sie glauben an den Standort Deutschland und suchen dort ein Anlageprodukt, das von der Stabilität und/oder dem Aufschwung profitiert. Auch so kann man bei Immobilieninvestitionen landen.
Ein weiterer Punkt ist die Möglichkeit des Fremdkapitalhebels: Niedrige Zinsen erlauben, den Leverage-Effekt zu nutzen. Er beschreibt die Hebelwirkung des Fremdkapitals auf die Eigenkapitalrentabilität. Liegt die Immobilienrendite oberhalb der Fremdkapitalzinsen, lohnt es sich für Anleger, möglichst viele Schulden aufzunehmen, um dadurch ihre Eigenkapitalrendite nach oben zu heben. Wichtig hierbei ist: das kann, muss aber nicht gut gehen. Realisiert man nicht die erträumte Immobilienrendite oder steigen die Zinsen, schlägt der Leverage-Effekt rasch um und wird zur erdrückenden Last.
Welche Investoren-Typen gibt es? Gibt es da ein Schwarz-Weiß-Denken?
Kommen wir zurück zu zwei generellen, idealtypischen Investoren-Typen: die langfristig und die kurzfristig orientierten Investoren – manche würden sagen: „die Guten und die Schlechten“. Das wäre allerdings arg Schwarz-Weiß-Denken. Kurzfristige Investoren arbeiten wenig mit den Immobilien, nutzen günstige Einstiegschancen, setzen relativ viel Fremdkapital ein und suchen so schnelle Wertänderungen.
Ohne die langfristig handelnden Investoren geht es daher nie. Diese wollen dauerhaft aus Mieteinnahmen Renditen erwirtschaften. Da ist für sie entscheidend, dass der Mieter bleibt. Für kurzfristige Investoren kann es sogar interessant sein, dass der Mieter geht, denn so können sie Neuvermietungsphantasien wecken. Während kurzfristige Investoren sogar die Instandsetzung kurzfristig aussetzen können, um ihr Renditepotenzial zu erhöhen, können sich das langfristige Investoren nicht erlauben, da sie eben zufriedene dauerhafte Mieter brauchen.
Kurzfristige Investoren sind häufig Private Equity–Firmen. Diese stehen nicht überall in einem guten Ruf. Die kurzfristige Renditeorientierung führt nicht immer zu handzahmen Verhalten. Dennoch ist das Gleichsetzen mit „Heuschrecken“ arg holzschnittartig, denn PE-Firmen gehen oft jene Risiken ein, die kein anderer Investor tragen wollte. So können mitunter Problemimmobilien wieder flottgemacht, schwere Portfolios aufgeteilt werden.
Auf Märkten erfordern hohe Risiken auch hohe Renditen, und dies lockt eben nicht nur weiße Ritter an. Im Kapitalismus ist eine kurzfristige Rendite nicht zwingend böse, aber für die betroffenen Mieter kann dies mit erheblichen Lasten verbunden sein – zum Beispiel steigende Mieten, das Leerziehen von Immobilien oder mieterhöhende Modernisierung.
(Anm. d. Red.: Ebenso wie die Venture-Capital-Gesellschaften (VCG) sammeln auch die Private-Equity-Gesellschaften (PEG) finanzielle Mittel bei institutionellen Anlegern wie etwa Banken oder Versicherungen, in einigen Fällen auch direkt bei vermögenden Privatpersonen.)
Wie kann ich mit Problemimmobilien Geld verdienen?
Die meisten Problemimmobilien sind nicht dauerhaft Problemimmobilien. Aktuell beobachten wir steigende Bevölkerungszahlen und Einkommen in großen Städten. Es ist daher oftmals eine Frage des Timings. Wann dreht ein Markt? Immobilien in Detroit waren lange sehr problembehaftet, Objekte in Leipzig ebenso – teils wurden die unrentablen Immobilien regelrecht verschenkt. Günstige Objekte zogen Kreative und junge Menschen an. Diese haben Viertel zunächst stabilisiert und dadurch neue zahlungskräftige Nutzer angezogen. Wer diese Entwicklung als Investor rechtzeitig erkannte, konnte sich über Rendite freuen. Ähnliche Entwicklungen gab es in Berlin-Mitte, aktuell sogar Berlin Neukölln, im Frankfurter Gallusviertel, in Hamburg Altona.
Generell gilt es bei Problemimmobilien, am Objekt zu arbeiten, es aufzuwerten und wieder marktgängig zu machen. Vielleicht hinkt eine Wohnimmobilie hinter dem aktuellen Marktstandard hinterher, hat Kohleöfen, 50er-Jahre-Zuschnitte, Bleirohre und unansehnliche Fassaden. Das kann man durch Investitionen ändern. Doch Vorsicht: Das klingt einfacher als es ist. Es erfordert viel Kapital und führt nicht zwingend zu den erhofften Mieten.
Solche Aufwertungsstrategien lohnen aber oftmals dort, wo wir Nachfragezuwächse haben – zum Beispiel da, wo es steigende Einwohnerzahlen und Einkommen gibt. Berlin ist ein gutes Beispiel. Frühere Problemstadtbezirke sind mittlerweile attraktive Investitionsziele. Wohnraum wird benötigt. Doch wenn nicht genügend einfacher Wohnraum neu geschaffen wird, sind neue Probleme unausweichlich: Denn Aufwertung führt nicht nur zur Neuvermietung leerer Gebäude, sondern kann auch zu Verdrängung führen.
Natürlich gibt es auch die Option, eine Problemimmobilie nur optisch aufzuhübschen und darauf zu hoffen, jemanden zu finden, der keine sorgfältige Prüfung betreibt. Eine echte Strategie ist dies nicht, bedeutet die „Strategie“ doch letztlich das Hoffen, dass es einen Dümmeren gibt. In Überhitzungsphasen reicht es aber möglicherweise aus, weil Anlegern und Nutzern die Alternativen abhanden gekommen sind.
Wo stehen wir aktuell in deutschen Städten?
Trotz dauerhaft niedriger Zinsen gibt es insgesamt weniger Investoren, die mit Fremdkapital arbeiten, als vor zehn Jahren. Es ist sehr viel Eigenkapital auf der Suche nach halbwegs sicherer Rendite. Vielen Investoren sind die kaum noch rentierlichen Anleihen auf dem Anlagemarkt abhanden gekommen. Zum Beispiel Renten- und Pensionsfonds suchen dringend Anlagen. Sie sind langfristige Investoren, die gar nicht viel Rendite versprochen haben. Aber da sie bei Staatsanleihen nur 0 bis 0,5 Prozent Zinsen bekommen, müssen sie neue Investitionen suchen.
So sind es letztlich die niedrigen Langfristzinsen, die diese Investoren auf die Immobilienmärkte drängt. Ich nenne das die Entwicklung des rationalen Überschwangs: Klar kalkulierende Investoren suchen nach Anlagen und gehen dann auch in risikobehaftetere Immobilien. In Objekte, mit denen man arbeiten muss. Da kommen Quartiere und Städte neu oder wieder aufs Radar, um endlich einen Vermögenswert (Asset) zu bekommen.
Was sind Gründe für langen Leerstand, zum Beispiel bei Gewerbeimmobilien?
Dafür gibt es viele Gründe: Leerstand entsteht u.a. durch Strukturwandel. Die frühere Nutzung war nicht mehr ertragreich. Dann muss die Immobilie einer neuen Nutzung zugeführt werden. Doch dazu braucht es Geld und vor allem Ideen. Meistens ist beides knapp, letzteres in der Regel sogar knapper als Geld.
Wenn man es nicht hat oder das nicht anpacken will, bleibt eine Immobilie liegen. Mancher muss erst mal lernen, was man damit tun kann, denn unterschiedliche Immobilientypen erfordern unterschiedliche Expertisen: Ein Hotel funktioniert anders als ein Büroobjekt.
Außerdem gibt es sehr viele Immobilien, die in die Jahre gekommen sind, aber bei denen ein Umbau noch nicht möglich ist, weil die dafür benötigten Mieten noch nicht erzielt werden können.
Nutzungsänderungen sind Herausforderungen. Das kann Zeit in Anspruch nehmen. Für ein Refurbishment (im Sinn von Sanierung, Auffrischung oder Aufpolierung) braucht es Zeit, Mut, Ideen und eben die neue Nachfrage. Ein solcher Schritt rechnet sich erst, wenn die Marktmieten so weit ansteigen, dass sich ein Umbau bzw. eine Umnutzung rechnen.
Im Gewerbesegment gibt es heute viel Belebung. Ein Teil kann durchaus opportunistisch sein – also spekulativ. Doch das erfordert eine Grundbelebung, sonst wäre eine Investition zu riskant.
Welche Rolle spielen Hedgefonds – oft als „Heuschrecken“ charakterisiert – heute noch in der deutschen Immobilienwirtschaft?
Die Diskussion hatte vor zehn Jahren größere Relevanz. Überhaupt investieren Hedgefonds in der Regel nicht direkt in Immobilien. Solche Fonds kaufen eher Immobilien-Aktien oder Schulden von Gesellschaften – also das, was auf dem Kapitalmarkt verbrieft ist.
Private-Equity-Gesellschaften sind schon eher geneigt, direkt zu investieren. Beide Investorengruppen arbeiten oft mit viel Fremdkapital, beide agieren tendenziell kurzfristig.
Private-Equity-Investoren können auch eine wertvolle Funktion übernehmen, zum Beispiel als Zwischeninvestoren bei kurzfristigen Risiken. Einzelne Unternehmen können aggressiv vorgehen. Natürlich gibt es welche, die – nun ja – sehr nassforsch unterwegs sind.
Aber sie haben bei weitem nicht mehr eine solche Bedeutung für den deutschen Immobilienmarkt wie vor der Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren. Dies gilt aber natürlich immer nur im Großen und Ganzen und niemals für konkrete Einzelfälle.
Was sind die Probleme im Einzelhandel – hier vor allem in Einkaufszentren?
Der Einzelhandel hat u.a. wegen des Online-Handels mit vielen Strukturproblemen zu kämpfen – bei Einkaufszentren ist das nachvollziehbar. Daher müssen Eigentümer überlegen, was sie damit machen. Wenn die Objekte und Teilmärkte wenig Erlebnis, Gastronomie etc. zulassen, dann wird es für die Eigentümer der Objekte schwierig.
Welche Funktion haben Gesellschaften mit Sitz in Malta, Zypern oder Panama? Dies ist ja bei Unternehmen wie „Intown“ – Eigentümerin des Hannibal in Dorstfeld – der Fall.
Das dürfte in der Regel steuerliche Gründe haben.
Mehr zum Thema Problemhäuser auf nordstadtblogger.de:
In der Nordstadt hat Dogewo 50 Objekte im Fokus – Probleme bereiten die „privaten Amateurvermieter“
Forum „Wo bleibe ich? – Wohnen für Neuzuwanderer“: Debatte um Zugang zu menschenwürdigem Wohnraum