Von Susanne Schulte (Text) und Klaus Hartmann (Fotos)
Was Annette Kritzler und Anette Plümpe anrichten, das probieren die Gäste gerne. Die beiden Nordstadt-Verführerinnen haben mit ihren Gastro-Safaris schon viele Menschen auf den Geschmack der italienischen, türkischen, spanischen und libanesischen Küche gebracht. Da das Viertel zwischen Borsigplatz und Hafen kulinarisch noch viel mehr zu bieten hat als bislang vorgestellt, war es nur eine Frage der Zeit, bis die dritte Gastro-Safari im Programm erscheinen würde.
Die Industrie brauchte Arbeitskräfte und viele der neuen Dortmunder blieben hier
Jetzt schlemmten die TeilnehmerInnen der Probe-Tour begeistert die Gerichte – und hatten dazu stets das passende Getränk neben dem Teller stehen –, die ihren Ursprung in Griechenland, Syrien und in Bosnien haben.
Start des neuen Rundgangs ist die Hafenkneipe Subrosa. Das besondere am Seemannshappen war hier der flüssige Teil. Der Wirt servierte einen acht Jahre alten Rum und reichte dazu Schmalzschnittchen. Anette Plümpe fütterte die Gruppe zur Stadt- und Hafengeschichte sowie zur Geschichte der Arbeitsmigration. „Wo wir jetzt sitzen, ließen 1840 reiche Leute ihr Vieh weiden“, erzählte sie.
Damals war die Stadtgrenze der Wall. Erst als die Eisenbahn Dortmund mit dem Rest des Landes verband, entwickelte sich die Stadt Richtung Norden. Die Industrie – Kohle und Stahl und Bier – brauchte viele Arbeitskräfte. Die kamen erst aus Polen, nach Ende des 2. Weltkriegs aus Italien und der Türkei, aus Griechenland, Portugal und Jugoslawien. Und die Gastarbeiter, wie man sie nannte, brachten ihre Küche mit. Viele blieben keine Gäste, viele wurden DortmunderInnen.
Die Griechen hatten großes Heimweh und viele gingen dennoch nicht zurück
Von der Gneisenaustraße führten Plümpe und Kritzler die Gruppe durch den Blücherpark vorbei an Kunst und künstlerisch gestalteten Fassaden zur Schützenstraße. Im Hellas-Grill erfuhren die Gäste, während sie warmes Pita-Brot mit Auberginenmus und gegrillten Gemüsen speisten, dass die Griechen 1960 nach Deutschland kamen.
„Die Griechen litten am stärksten unter Heimweh“, so Plümpe. Sie gründeten eigene Schulen. In Nordrhein-Westfalen stellten sie ein Drittel aller Arbeitsmigranten.
Wer nach der opulenten Vorspeise auf einen Verdauungsspaziergang hoffte, musste den noch verschieben. Nachdem das WDR-Team, das für die Aktuelle Stunde die komplette Tour begleitete, die Aufforderung zum Weitergehen gab, waren es nur wenige Schritte zum Restaurant Orient, wo das syrische Hauptgericht in Vorbereitung war: gegrilltes Hähnchenfleisch mit Bratkartoffeln und geröstetem Blumekohl.
„Die ersten Araber kamen bereits in den 50er Jahren und studierten häufig Maschinenbau“, erzählte Plümpe. Durch die fortwährenden Bürgerkriege seit 1975 hätten 4,9 Millionen SyrerInnen ihr Land verlassen.
Zum Nachtisch ins bosnische Café: Süße Traditionen aus der Heimat
Zwölf Prozent der Geflüchteten lebten in Deutschland, 70 Prozent von ihnen seien unter 30 Jahre alt und 62 Prozent hätten zumindest einen Mittelschulabschluss. Sie erklärte die komplizierte Grundlage des Bleiberechts, die Sache mit den Kontingentflüchtlingen und dass 15 Bundesländer noch eigene Programme hätten.
Auch wenn niemand der TeilnehmerInnen glaubte, nach dem Essen auch nur einen Bissen Nachtisch naschen zu können, blieben die Gabeln im bosnischen Café Aida nicht unbenutzt. Allein der Anblick auf die bunten Kuchen und Torten regte die Magensäfte erneut an. Während die Platten mit den Süßigkeiten immer leerer wurden, berichtete Anette Plümpe von den jugoslawischen GastarbeiterInnen, die 1968 kamen.
„Die waren in der Regel gute Handwerker und die Firmen wollten sie nicht gehen lassen.“ Obwohl eine Rotation geplant war, blieben die, die einmal hier waren, gerne hier. Vor und während des Jugoslawien-Krieges holten viele Arbeiter ihre Familien nach Deutschland. Mittlerweile lebt die dritte Generation in Dortmund.
Nordstadt-Touren zu vielen Themen: Zwischen Borsigplatz und Hafen lässt sich vieles entdecken
Bei Mokka und Tee ließen sich jetzt auch Annette Kritzler und Anette Plümpe ausfragen. Seit 2006 zeigen die beiden unter dem Namen Borsigplatz-Verführungen den Gästen die Nordstadt, gehen auf den Pfaden der Gründung des BVB, referieren über den Borsigplatz, den Nordmarkt und den Hafen, über Religion und Siedlungsgeschichte, über Kunst und Kultur.
Sie gehen durch die schönen Ecken und umgehen die nicht schönen nicht. Sie bieten feste Termine an, die alle im Programmheft stehen, und machen individuelle Touren auf Anfragen.
Einmal im Monat steht eine der Gastro-Safaris im Programm, die man auch als Gruppe buch kann. Die erste Gastro-Safari von der Hafenkneipe bis ins Aida ist für den 8. Juni geplant. Start ist um 18 Uhr das Subrosa an der Gneisenaustraße.
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