Im Herbst 2022 werden die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine deutlich spürbar. Dies zeigen die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern (IHKs) im Ruhrgebiet, die am 25. Oktober in Dortmund vorgestellt wurde. An der Erhebung der Ruhr-IHKs, die als größte Konjunkturumfrage des Ruhrgebiets gilt, haben von Ende September bis Anfang Oktober rund 700 Unternehmen mit 84.000 Beschäftigten teilgenommen.
Stark eingebrochen sind vor allem die Erwartungen
Waren die Prognosen zu Jahresbeginn noch verhältnismäßig positiv, so haben sich die Zukunftsaussichten zuletzt sehr stark eingetrübt. Insgesamt bewerten 82 Prozent aller befragten Unternehmen im Ruhrgebiet ihre aktuelle Geschäftslage mit gut oder befriedigend. Zum Jahresbeginn waren es 84 Prozent und vor einem Jahr 87 Prozent.
Von schlechten Geschäften berichten aktuell 18 Prozent. Stark eingebrochen sind vor allem die Erwartungen. Die zukünftige Geschäftslage sieht mehr als jeder zweite Betrieb (52 Prozent) pessimistisch. Vor einem halben Jahr erwartete nur jedes sechste und vor einem Jahr jedes siebte Unternehmen eine negative weitere Entwicklung.
Konjunkturklima-Indikator fällt um 38 Punkte
Das schlechte Stimmungsbild zeigt sich auch im Konjunkturklimaindikator, dem Gradmesser für die wirtschaftliche Entwicklung. Er fiel um 38 auf 77 Punkte. Einen solchen Absturz des Geschäftsklimas hat es seit dem Jahr 2003 nicht mehr gegeben. Damals lag der Index bei 68 Punkten.
Insbesondere der Handel ist vor dem Hintergrund einer Inflationsrate von zehn Prozent und eines sehr verhaltenen Konsumklimas pessimistisch gestimmt. Sechs von zehn Handelsbetrieben erwarten in den kommenden Monaten eine schlechtere Geschäftslage (Jahresbeginn 2022: 21 Prozent).
Im Einzelhandel sind es sogar 72 Prozent (Jahresbeginn 2022: 21 Prozent). In der Industrie überwiegt bei 52 Prozent (Jahresbeginn 2022: 13 Prozent) die Skepsis.
Bei den Dienstleistungsunternehmen gehen gut 46 Prozent (Jahresbeginn 2022: 15 Prozent) von schlechteren Geschäften aus, im Gastgewerbe sind es gut 70 Prozent (Jahresbeginn 2022: 30 Prozent). „Insgesamt sehen wir ein Szenario, das selbst den Einbruch im ersten Corona-Lockdown noch in den Schatten stellt“, so Dustmann.
95 Prozent der Industriebetriebe sorgen sich vor Energiepreisanstieg
Als größtes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung werden erwartungsgemäß in allen Branchen die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise genannt. Im Vergleich zur Umfrage vom Jahresbeginn klettert der Wert von 65 Prozent auf 86 Prozent. Am stärksten ist aktuell jedoch die Industrie betroffen (95 Prozent).
Besonders die energie- und rohstoffintensiven Vorleistungsgüterhersteller spüren die Kostensteigerungen bei Gas, Öl und Strom. Nicht nur steigende Energiekosten, sondern auch Lieferprobleme bei Metallen verdunkeln die Geschäftsaussichten. Der Bauindustrie machen die Preissteigerungen ebenfalls zu schaffen. Hier belasten neben den Energiekosten insbesondere zunehmende Engpässe bei Stahl und Bitumen die Erwartungen.
Zudem sind Energie- und Rohstoffpreise nun auch bei Handelsunternehmen an erster Stelle bei den Risiken genannt (88 Prozent/Jahresbeginn 2022: 68 Prozent). Bei den Dienstleistern fürchten 77 Prozent (Jahresbeginn 2022: 48 Prozent) der Unternehmen steigende Energie- und Rohstoffpreise.
In der Verkehrs- und Logistikbranche stellen die hohen Preise für drei Viertel (Jahresbeginn 2022: 72 Prozent) und im Gastgewerbe sogar für jeden (!) der befragten Betriebe – also 100 Prozent – (Jahresbeginn 2022: 79 Prozent) ein wirtschaftliches Risiko dar.
Die Gaspreisdämpfung könnte in der akuten Krise helfen
Angesichts dieser Werte verwies IHK-Präsident Dustmann auf zahlreiche negative Entwicklungen in der Industrie, in der mittlerweile einzelne Produktionsanlagen stillgelegt würden, um Energie einzusparen. Auch Geschäftsaufgaben im Bereich Handel und Dienstleistungen wegen immenser Preissteigerungen seien mittlerweile bittere Realität.
„Wenn diese Einzelfälle zum Trend werden, drohen unserer Gesellschaft Wohlstandsverluste in bislang unvorstellbarem Ausmaß“, warnte Dustmann, der zugleich aber auch anerkennende Worte für den Zwischenbericht der Gaspreiskommission und die neuen Pläne der Bundesregierung für eine Strompreisbremse fand.
„Die Forderungen der IHK-Organisation, der Kommunen und der Wirtschaftsverbände haben für gute Ansätze gesorgt. Die Gaspreisdämpfung könnte in der akuten Krise helfen, ist aber keine Dauerlösung. Wir müssen weiter mit Tempo an der massiven Ausweitung des Energieangebots auf allen Ebenen arbeiten“, betonte Heinz-Herbert Dustmann.
Die wirtschaftliche Notlage färbt auch negativ auf die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen ab. Lediglich jedes siebte Unternehmen (Jahresbeginn 2022: 23 Prozent) beabsichtigt, mehr Personal einzustellen, während jedes fünfte (Jahresbeginn 2022: Elf Prozent) einen Abbau erwartet.
Vor allem im Einzelhandel und im Gastgewerbe macht sich die Gesamtsituation bemerkbar: Mit jeweils knapp einem Drittel geben die Unternehmen im Einzelhandel (Jahresbeginn 2022: 13 Prozent) und im Gastgewerbe (Jahresbeginn: 25 Prozent) an, den Personalbestand deutlich abzubauen.
Mehr Informationen:
Die Ergebnisse der gemeinsamen Umfrage der IHKs Dortmund, Duisburg, Essen, Mittleres Ruhrgebiet und Nord Westfalen (Emscher-Lippe-Region) als PDF zum Download: Konjunkturbericht Ruhr Herbst 2022
Reaktionen
IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann zur Strompreiseinigung der Bundesregierung: „Die Absenkung der Stromsteuer ist eine überfällige Entscheidung“ (PM)
„Die Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe ist eine überfällige Entscheidung. Schließlich muss Strom günstig sein, damit gerade auch mittelständische Industriebetriebe ihren Pfad zur Klimaneutralität gehen können. Gleichzeitig werden energieintensivere Unternehmen von erheblicher Bürokratie entlastet. Daher ist das Strompreispaket auch ein Baustein für den Bürokratieabbau. Die kleine Ausweitung und vor allem die Verstetigung der Strompreiskompensation sind ein wichtiges Signal für die extrem stromintensiven Branchen. Ob das Paket am Ende ausreicht, um für die gesamte Wirtschaft wettbewerbsfähige Strompreise zu sichern, ist allerdings zweifelhaft. Auch Betriebe in Handel und Dienstleistungen sind auf bezahlbare Strompreise angewiesen. Daher ist es mehr als ein Wermutstropfen, dass die Stromsteuer nicht generell auf das Mindestmaß gesenkt wird. Umso dringlicher ist es über eine rasche Ausweitung des Stromangebots Preise zu senken. Dies könnten wir durch eine steuerliche Förderung von Strompartnerschaften zwischen Betreibern von Windrädern und Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Abnehmern erreichen.“