Der Mann kennt sich aus: Sex im Alter, Knatsch im Treppenhaus, Rambazamba beim Seniorentanz. Herbert Knebel steppt auf jedem Parkett mit. Vor 25 Jahren hat Uwe Lycko die prollige Kunstfigur in Vollendung geschaffen. Sie ist zeitlos – und beliebt wie nie.
Herbert Knebel erzählt mit so subtiler Schläue
Vordergründig parodiert er jene, die den ganzen Tag an der Trinkhalle stehen, von ihrer kleinen Welt erzählen und über alles meckern, was da nicht hinein passt. Mit einem wesentlichen Unterschied: Knebel erzählt mit so subtiler Schläue, dass man den tieferen Sinn zuerst gar nicht mitbekommt. Was modern ist, außergewöhnlich oder gar unfassbar, bringt er seit Jahrzehnten zurück auf den Boden der Tatsachen. Kein Trend bleibt ungeschoren, kein Zipperlein kommt zu kurz, keine Schrulle bleibt im Dunkeln. Was meist zu Erkenntnissen führt, die auch noch im richtigen Leben Gültigkeit behalten.
Dietrich-Keuning-Haus mit 760 Besuchern restlos ausverkauft
Klar, dass ihm da der Applaus der 760 Zuschauerinnen und Zuschauer im Dietrich-Keuning-Haus gewiss ist. Schon Wochen vorher restlos ausverkauft, präsentiert Herbert Knebel sein drittes Solo-Programm in der Nordstadt. Auch ohne sein „Affentheater“ ist er ein Publikumsmagnet: Wobei: Ganz ohne ist er ja auch nicht da: Mit von der Partie war sein Gitarrist Ozzy Ostermann („Spiel mal was aus deinem spärlichen Programm“). Er begeisterte als Solist mit Klängen auf der Akustik und Flachgitarre und begleitete auch Knebel, der sich selbst an einem Rap vergeht.
Ruhm ist ja kein Zuckerschlecken
Alles für die Ehre und das Publikum: Denn Ruhm ist ja kein Zuckerschlecken. Schon gar nicht, wenn die Leute immer nur das Selbe in einem sehen: Den voll im Saft stehenden Mittfünfziger mit Designermütze und maßgeschneidertem Seniorensakko. Was aber hinterm Horngestell von Herbert Knebel vor sich geht, also zwischen den beiden Bügeln, das sieht man nicht – aber da ist der Teufel los. Wenn Knebel nicht so blendend aussähe, hätten Millionen argloser Zuschauer das längst gemerkt. Und es ist der Grund, warum sie an seinen Lippen hängen, wie nun beim dritten, komplett neuem Solo-Programm „Ich glaub ich geh kaputt…!“.
Zwischen Internet und Blasenproblemen
Fast schon beläufig und natürlich im schärfsten Ruhrpott-Slang erzählt er, wie sein Enkel Marzel ihm das Internet zu Hause eingerichtet hat mit Elektro-Postfach und Guggel und von seinen akuten Blasenproblemen. Fast schon weltmännisch bewegt sich der Ruhri im 21. Jahrhundert.
Er diagnostiziert selbst „Alzhamster“ beim Haustier des Enkels, scheitert aber an den Tücken der modernen Kaffeeverarbeitung bei „Schtarbucks“. Also mit Kaffeebrand zu altbekannten Anbeitern: „Ich bin dann aus Verzweiflung nach Tschibo und hab mir da neue Schneeketten und ‘nen Duschvorhang geholt“.
Gebeutelt durch „Emma-zipation“
Fast schon Mitleid bekommen die begeisterten Zuschauer, als ihn die späte „Emma-zipation“ seiner Frau völlig unvorbereitet trifft („Was aus den 70ern – das hat die Wissenschaft doch schon längst widerlegt.“). Aber war er schon. Die Jugend kann und will er nicht mehr verstehen: Die einen seien tätowiert wie Fototapete, die anderen gepierct wie ein Werkzeugkasten. Sei‘s drum.
„Live is eben numal … live!“
Knebel beobachtet die Menschen ganz genau: Er weiß, was sie essen (Plockwurst), wo sie einkaufen (Wollwort), was sie denken („Boh, leck o Pfanni!“). Hinzu tritt sein komödiantisches Talent: Er beherrscht die hohe Kunst der Übertreibung, verdreht die Perspektiven und zimmert seine Sprachbilder so virtuos verkehrt, daß man oft zweimal hinhören muss – und dann umso befreiter auflacht. Inne Glotze ist Knebel gut. Aber wie man ja längst weiß: „Live is eben numal … live!“ Und durch nichts zu ersetzen. Wenn Herbert Knebel also nun persönlich sagt: „Ich glaub, ich geh kaputt…!“, dann kann man nicht widerstehen, dann geht man einfach mit.