Es sollte nach dem Phoenix-See das neue Dortmunder Prestige-Objekt werden – und ist letztendlich nicht wie geplant zustande gekommen: Das „Smart Rhino“-Projekt hätte neben der Fachhochschule auch Gewerbe und bis zu 1.400 Wohneinheiten beinhalten sollen. Die Umsiedlung der FH ist bereits im Juli endgültig gescheitert, nun könnte auch der Wohnungsbau vor dem Aus stehen. Im Zentrum der Kritik: Oberbürgermeister Thomas Westphal und seine Verwaltung – trotz ihres Wissens über Restriktionen im Grundbuch sollen sie die Ratsfraktionen im Dunklen gelassen haben.
Bau von 1.400 Wohnungen auf wackeligen Beinen
Ein Monsterprojekt auf einem knapp 52-Hektar großen Gelände in direkter Innenstadtnähe hätte Dortmunds nächster großer Coup werden sollen, stattdessen scheiterte der Umzug der Fachhochschule auf das „Smart Rhino“-Gelände – die damalige Begründung: Die Umsiedlung der FH habe sich als unwirtschaftlich erwiesen. Jetzt steht auch die alternative Nutzung mit dem Bau von bis zu 1.400 Wohnungen, von denen eine Machbarkeitsstudie hat träumen lassen, auf wackligen Beinen. Grund dafür: Durch einen Grundbucheintrag bestehen Restriktionen, die wegen der angrenzenden Unternehmen und Fabrikhallen keinen Wohnungsbau zulassen sollen.
Die sogenannte „Dienstbarkeit“ ist nichts Ungewöhnliches – viele Grundstücke sind mit Auflagen versehen. Dasi können Verpflichtungen sein, bestimmte Nutzungen vorzunehmen oder eben nicht vorzunehmen.
Auf dem Ex-HSP-Gelände ist letzteres der Fall. Um die aktiven Produktionswerke in der Nachbarschaft zu schützen, darf aus Emissionsschutzgründen auf dem Areal, dass im Besitz der Thelen-Gruppe ist, nicht gebaut werden. Dies hat ThyssenKrupp Real Estate im Grundbuch eintragen lassen – u.a. um ThyssenKrupp Schulte in unmittelbarer Nachbarschaft zu schützen.
Oberbürgermeister Thomas Westphal steht nun mächtig in der Kritik. Verschiedene Ratsfraktionen werfen ihm Intransparenz und Täuschung vor. Er soll von Anfang an von dieser Wohnungsbauproblematik gewusst haben, ließ die Ratsvertreter:innen aber dennoch im Dunklen.
Oberbürgermeister Thomas Westphal wehrt sich gegen Vorwürfe
Von Nordstadtblogger darauf angesprochen, wehrt sich der Oberbürgermeister gegen die Vorwürfe: „Fakt ist, dass wir mit ThyssenKrupp und auch mit der Thelen-Gruppe im Grunde seit zwei Jahren in diesen Gesprächen sind, wie man die Realisierung macht. Und in diesen zwei Jahren ist da irgendwann auch mal das Thema von der Thelen-Gruppe uns gegenüber erwähnt worden, dass ThyssenKrupp das Ansinnen hat, in einem privatwirtschaftlichen Vertrag mit Thelen zu klären, dass die Wohnbebauungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden.“
Die Aufregung verstehe er aber nicht: Die Stadt werde ein Baurecht schaffen, das auch Wohnbebauung vorsehen werde. „Das ist das, was wir alle wollen: eine gemischte Nutzung“, so der OB Thomas Westphal.
„Wir werden Wohnbebauungsrecht schaffen und das sieht auch immer vor, dass gewerbliches Baugrundstück, was entsprechend weiter weg ist, dann eben auch geschützt ist mit entsprechendem Abstandsgebot. Also das ist etwas, was zwischen den beiden Beteiligten [Anm. d. Red.: ThyssenKrupp und Thelen-Gruppe], die da an dem Grundstückskauf beteiligt waren, vereinbart wurde. Das waren wir nicht und deswegen war das auch nichts, was ich mitzuteilen habe.“
Um das Abstandsgebot einzuhalten, erklärte Westphal, sollen die Wohneinheiten in Richtung Rheinische Straße verortet werden und nicht im nördlichen Teil: „Wenn der Bebauungsplan vorsieht, dass da Wohnungsbau vorgesehen ist, dann schlägt dies das, was die beiden im Grundbuch eintragen. Das ist eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen den beiden. Ich halte die für völlig unnötig“, so der Oberbürgermeister weiter.
Grüne: „,Hauptsache irgendwie entwickeln‘ kann nicht unser Anspruch sein“
Indes zeigen sich die Grünen enttäuscht. Das Fraktionssprecher:innen-Duo aus Katrin Lögering und Christoph Neumann sagte: „Bei einem so wichtigen und aufmerksamkeitsstarken Großprojekt wie dem geplanten ‚Smart Rhino‘ hätte man gegenüber der Politik von Beginn an alle Karten offen auf den Tisch legen müssen.“
Die schwierige Lage des FH-Umzugs war dem Rat bewusst, nicht jedoch die Problematik der Wohnanlagen.
„Es wurden Gutachten und Machbarkeitsstudien vorgelegt – ohne jemals auf die gravierenden Einschränkungen, die der Verwaltung anscheinend bekannt waren, hinzuweisen. Auch, dass die FH als Barriere aus Emissionsschutzgründen ein Wohnquartier ermöglichen würde, war vor diesem Hintergrund nie sicher“, so Lögering und Neumann. „’Hauptsache irgendwie entwickeln‘ kann nicht unser Anspruch sein.“
Aus Westphals eigenen Partei kamen zurückhaltende Worte. Eine Anfrage dieser Redaktion beantworteten die Sozialdemokrat:innen wie folgt: „Die bisherigen Planungen beinhalten Wohnungsbau und das wollen wir auch so beibehalten.“ Um Wohnen auf dem Gelände doch noch möglich zu machen, müsse „erst recht nochmal mit allen Vertragspartnern gesprochen und verhandelt werden“, erklärte die SPD-Fraktionsvorstizende Carla Neumann-Lieven.
AfD: „Alle Verwaltungsvorlagen in der Sache waren mithin falsch und irreführend“
Auch die CDU äußert sich eher zurückhaltend gegenüber dem Thema. Uwe Waßmann, planungspolitischer Sprecher der Christdemokrat:innen, betonte: „Wir haben weiterhin ein großes Interesse daran, dass es auf diesem Areal möglichst zu einer Nutzung kommt, die aus Gewerbe und Wohnbebauung besteht. Über die Möglichkeiten der Beseitigung von Restriktionen bzw. die Erörterung von Hemmnissen mit Blick auf eine Wohnbebauung muss aus unserer Sicht zwischen den Beteiligten gemeinsam beraten werden.“ Auch seine Fraktion werbe dafür, dass sich alle Beteiligten zeitnah an einen Tisch setzen.
Heftige Kritik kam aus der AfD. Fraktionsvorsitzender Heiner Garbe sagte gegenüber den Nordstadtbloggern: „Ohne eine Grundbuchbereinigung als Grundvoraussetzung für die Planung ‚Gewerbe – Bildung – Wohnen‘ hätte die teure Smart Rhino-Planung überhaupt nicht so vollumfänglich in Gang gesetzt werden dürfen. Alle Verwaltungsvorlagen in der Sache waren mithin falsch und irreführend.“
Ferner fordert Garbe eine Sondersitzung des Rates, um „lückenlos darüber aufzuklären, warum eine so kostenintensive Planung in Gang gesetzt wurde, wohl wissend, dass Wohnbebauung gar nicht möglich ist“, so der AfD-Fraktionschef.
„Die Partei“ hat einen ungewöhnlichem Tauschvorschlag
Olaf Schlösser, Fraktionsvorsitzender von „Die Fraktion“, machte einen gewohnt ungewöhnlichen Vorschlag. Smart Rhino und der Boulevard Kampstraße sollen getauscht werden.
Nach dem Vorbild der saudi-arabischen Riesenstadt „Neom“ sollte „der Dortmunder ,Smart Stripe‘ Kampstraße entstehen. Ein Wohnkomplex von 1,2 Kilometern Länge und 15 Metern Breite auf der Mitte der Straße – so entstehen viele neue Wohneinheiten in allerbester Innenstadtlage statt im abgeranzten Unionviertel des ehemaligen HSP-Geländes“, erklärt Schlösser.
„Umgekehrt wird der „Rhino-Boulevard“ tief im Westen auf dem ehemaligen Hüttengelände gebaut, mit reichlich Platz zum Flanieren, mit Geschäften und einem Parkhaus für 29.000 Autos mit eigenem Parkleitsystem“, so Schlösser weiter.
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Reader Comments
Alexander Völkel
Bei aller Kritik: Informationen geben kann und könnte nicht nur der OB. Ich bin vor mehr als sechs Jahren mit Thelen-Senior über das HSP-Gelände gegangen und habe mir seine Pläne von innovativem Wohnungsbau angehört. Da hatte er schon den Vertrag mit der Grundbucheintragung unterschrieben – und auch kein Wort gesagt….
Dortmunder Bürger
>> Um das Abstandsgebot einzuhalten, erklärte Westphal, sollen die Wohneinheiten in Richtung Rheinische Straße verortet werden und nicht im nördlichen Teil: „Wenn der Bebauungsplan vorsieht, dass da Wohnungsbau vorgesehen ist, dann schlägt dies das, was die beiden im Grundbuch eintragen. Das ist eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen den beiden. Ich halte die für völlig unnötig“, so der Oberbürgermeister weiter. <<
Ich glaube, der Bürgermeister liegt hier fachlich falsch.
Wenn der Grundbucheintrag nicht geändert wird, dann wird dort keine Wohnbebauung entstehen – egal, was die Stadt in den Bebauungsplan schreibt.
Der Bürgermeister muss nun ThyssenKrupp bitten, der Löschung der Dienstbarkeit im Grundbuch zuzustimmen. Und das könnte schwierig werden…