Von Marian Thöne
Die Ausstellung „The Other Side“ im Dortmunder U zeigt Fotos, Filme, Skulpturen und Collagen rund um das hochaktuelle Thema Grenzen. Im Fokus steht dabei Irland, mit seiner bewegten Grenzgeschichte zu Nordirland und dem Vereinigten Königreich. Die Ausstellung ist sehr politisch ohne sich auf eine bestimmte Seite zu schlagen. Besucher*innen können und sollen sich selbst eine Meinung bilden. Sechs Künstler*innen aus Irland zeigen vor allem Fotos, aber auch zwei Videoinstallationen rund um Leben, Räume und Eindrücke in und aus Grenzregionen. Die Ausstellung läuft vom 20. Dezember bis zum 17. März 2020 im Dortmunder U. Eröffnet wird sie am Donnerstag, 19. Dezember, um 18 Uhr. Die Teilnahme an der Vernissage ist kostenlos. Im Ausstellungszeitraum wird der Eintritt fünf Euro, ermäßigt drei Euro betragen.
Grenzen: gerade nach dem Brexit und der Wahl in Großbritannien ein relevantes Thema
Kuratorin Anne Mager macht deutlich, dass das Thema gerade im Moment sehr relevant ist: „Gesellschaftliche Teilung und der Schatten der Vergangenheit – das ist schon länger mein Thema. Nach dem Brexit und den Wahlen in Großbritannien ist es noch wichtiger. Es wird eine noch größere Teilung geben.“ Außerdem lebt Mager in Irland, wodurch der Bezug zu den Künstler*innen offensichtlich ist.
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Die Ausstellung gliedert sich in sechs Räume – jeweils einer davon wurde mit den Arbeiten von Enda Bowe, Willie Doherty, Seán Hillen, Jesse Jones, Dragana Juriŝić und Kathy Prendergast gestaltet. Dabei sind kaum politische Symbole zu finden. Enda Bowe sagt dazu, es gehe „nicht darum, Grenzen zu illustrieren, sondern einen komplexen Zugang zu schaffen“. Seine Bilder zeigen Sehnsüchte, Wünsche, aber auch die Verwundbarkeit junger Menschen in Belfast.
Im nächsten Raum finden sich unter anderem „Black Maps“: Karten, die Kathy Prendergast fast gänzlich geschwärzt hat. Zurück bleibt eine Ansammlung von Punkten – dort, wo sich Städte oder Gemeinden befinden. Von den Karten ist also nur noch übrig, wo Menschen leben. Welche Grenzen wo verlaufen, ist unklar. Sie sind verschwunden.
„Beim Cowboy-und-Indianer-Spielen haben bei uns immer die Indianer gewonnen“
Sean Hillen hingegen stellt diverse Fotografien aus seiner Heimat aus. „Ich habe viele Probleme und Zerstörung mitbekommen. Darum wollte ich positive Werke voller Liebe schaffen“ erzählt er. Hillen, der in Newry nahe der irisch-nordirischen Grenze aufgewachsen ist, erzählt in seinen Collagen viel Autobiografisches.
So berichtet er zu einem Bild, auf dem ein hereingeschnittener Cowboy zu sehen ist, der über einen Grenzzaun springt: „Früher haben wir uns Spielzeugwaffen besorgt und Cowboy-und-Indianer gespielt. Wir waren verrückt danach. Aber gewonnen haben den Konflikt bei uns am Ende immer die Indianer.“
Darüber hinaus gibt es zwei Videoinstallationen. Die erste, von Jesse Jones, zeigt Gruppentherapien, die in den 1970er Jahren mit Menschen aus Irland und Nordirland gemacht wurden. Die Szenen wurden in Korea, wo die Grenze ebenfalls eine wichtige Rolle spielt, nachgestellt und gefilmt. Die zweite Videoinstallation ist von Willie Doherty und zeigt Bilder aus seiner Heimatstadt Derry, wo im Januar 1972 das „Bloody Sunday“-Massaker stattfand.
Reise durch das ehemalige Jugoslawien
Dragana Juriŝić lebt zwar in Dublin, kommt aber aus dem ehemaligen Jugoslawien. In ihren Fotografien bietet sie einen Einblick in „The Lost Country“. Die Fotografien kommen sowohl aus Serbien, als auch Kroatien, Bosnien oder Montenegro.
Sie selbst hat einen kroatischen Vater und eine serbische Mutter. „Ich habe große Probleme mit Nationalismus und dem aktuellen Rechtsruck,“ erzählt Juriŝić zu ihren Bildern „weil wir hier sehen, was passieren kann.“ Nämlich Krieg und Völkermord.
Künstler*innen sind selber Grenzgänger*innen zwischen Neutralität und Wertung
Besucht man die Ausstellung, wird man zunächst recht unvorbereitet mit den Kunstwerken konfrontiert. Das ist so gewollt. Besucher*innen sollen einen eigenen Eindruck von den behandelten Themen gewinnen. Auf eigene Initiative können sie dann zur Broschüre rund um die Ausstellung greifen und sich so Hintergrundinformationen zu den Künstler*innen und deren Werken anlesen.
Trotz aller Neutralität kommt aber eine Nachricht ganz klar an: Grenzen haben zerstörerische Kräfte. Sie treiben Keile zwischen Menschen, anstatt zu verbinden. In der Kunst ist der Mittelweg zwischen ängstlicher Zurückhaltung ohne jedes Bekenntnis auf der einen und undifferenziert-überklarer Kante bis hin zu offensichtlicher Beeinflussung der Besucher*innen auf der anderen Seite immer schwer zu finden. „The Other Side“ ist Grenzgänger im doppelten Sinne, denn die Ausstellung schafft diesen Ritt auf der Rasierklinge sensibel, moderat und ohne erhobenen Zeigefinger.
Weitere Informationen:
DORTMUNDER U
Zentrum für Kunst und Kreativität
Leonie-Reygers-Terrasse
44137 Dortmund
+49 (0) 231.50-24723
info@dortmunder-u.de
Öffnungszeiten
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