Staatsanwaltschaft ermittelt erfolglos wegen Volksverhetzung

Graffiti-Künstler verbreitet antisemitische und islamistische Inhalte auf Dortmunds Straßen

Das antisemitische Graffiti tauchte im Februar an der S-Bahn Haltestelle „Do-Universität“ auf. Es zeigt einen Davidstern mit einem Hakenkreuz in der Mitte und dem Schriftzug „the irony of becoming what you once hated“, z.D.: „Die Ironie, das zu werden, was du einst gehasst hast“. Foto: Karsten Wickern

Ein Hakenkreuz im Davidstern: Mit diesem Graffiti zog ein Dortmunder Künstler Anfang des Jahres die mediale Aufmerksamkeit auf sich. Auf Instagram verbreitet er seine Werke weiter, postet antisemitische und islamistische Inhalte. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln – vorerst erfolglos. 

Immer wieder tauchen Graffiti des Künstlers im Blücherpark am Hafen auf

Es ist Sonntagabend, 20 Uhr. „Musa la Rage“ steht vor der legalen Graffiti-Wand im Blücherpark am Hafen. In seiner Hand hält er ruhig eine Farbdose. Auf dem schwarzen Hintergrund ragt in leuchtend orangener Schrift das ZDF-Logo. Anstelle des Buchstaben Z, steht dort jedoch ein I. „IDF“, der Name der Israelischen Armee, „Israel Defense Forces“.

Daneben, in weißer Schrift, „Mit dem Zweiten sieht man keinen Völkermord“. „La Rage“ geht einige Schritte zurück, begutachtet sein Werk kritisch. Er übermalt mit schwarzer Farbe das Wort „Völkermord“, geht näher an die Wand heran und setzt sich auf eine Kiste. Sorgfältig malt er die großen Lettern neu.

Jugendliche nähern sich dem Graffiti und seinem Künstler. Sie betrachten das antiisraelische Wandbild. Augenscheinlich befürworten sie die politische Message, grüßen „la Rage“ kurz und schlendern weiter. Im Blücherpark scheint sich niemand an den Inhalten des Künstlers zu stören.

In den Sozialen Medien haben die Fotos und Videos eine große Reichweite

Bereits zum wiederholten Male steht „Musa la Rage“ vor der Graffiti-Wand am Hafen. Und wie beim vergangenen Mal, da malte er ein Graffiti mit einem Davidstern, aus dem mittig ein wütender Schweinekopf ragte, mit der Aufschrift „Israel is not kosher“, zu Deutsch: „Israel ist nicht kosher“, kommt nach einiger Zeit die Polizei. 

Beide Polizeieinsätze im Blücherpark filmt „La Rage“ mit. Videos davon, wie die Polizei das Schweinekopf-Graffiti unkenntlich macht, kursieren auf Instagram und TikTok – beinahe eine halbe Million Menschen sehen den Polizeieinsatz, viele liken die judenfeindliche Stimmungsmache. 

Micha Neumann leitet die „Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Antisemitismus und Rassismus“ (ADIRA). Er sagt, die Reichweite der Postings birge die Gefahr, dass insbesondere Jugendliche israelfeindliche und antisemitische Darstellungen rezipierten und verinnerlichten. Aus seiner Erfahrung in der Bildungsarbeit weiß er, dass Jugendliche und junge Menschen häufig nur wenig Wissen zum Nahostkonflikt haben.

Die Inhalte der Graffiti spinnen jahrhundertealte antisemitische Narrative weiter

„Die Inhalte sind überwiegend politisch und religiös. Einerseits bezieht sich der Künstler immer wieder positiv auf den Islam, den er gleichzeitig gegen die moderne Gesellschaft oder die Rechte von LGBTQ-Personen in Stellung bringt“, erläutert Micha Neumann.

Dabei scheine der Künstler von einer grundsätzlichen Feindschaft zwischen „dem Islam“ und Israel auszugehen. Zugleich dämonisiere „Musa la Rage“ Israel, indem er dem Land unterstelle, „eine Ausgeburt Satans oder identisch mit dem Nationalsozialismus zu sein. Ebenso verwendet er häufig Motive und Bilder, die wir aus dem klassischen Antisemitismus kennen.“

Micha Neumann findet vor allem das bereits erwähnte Schweinekopf-Graffiti brisant. Durch die Verbindung eines zentralen Symbols des Judentums mit dem Schwein, werde die Jahrhunderte alte judenfeindliche Praxis der Darstellung von Jüdinnen und Juden als Schweine oder Säue fortgeschrieben. Die ist schon aus dem christlichen Antijudaismus bekannt.

Nicht nur „La Rage“ soll mit Verschwörungsideologien auffallen

„Musa la Rage“ ist in der Dortmunder Graffiti-Szene bekannt. „Schon seit langer Zeit“, wie es aus Szenekreisen heißt. Dabei habe er zunächst ganz gewöhnlich angefangen, habe eben Graffiti gemalt. Doch auch einzelne seiner Graffiti-Kollegen sollen bereits mit politischen Inhalten aufgefallen sein. 

Wie beispielsweise mit dem riesigen Wandbild „USSA“, wobei die Buchstaben „SS“ wie die SS-Runen gemalt sind. Szenekundige berichten, dass sowohl La Rage, als auch einige Künstler:innen, die ihm nahestehen, in eine Verschwörungsideologie abgedriftet seien.

Aktuell ist der erste Beitrag auf La Rage’s Instagram-Profil von Februar 2022. Zu Beginn finden sich Beiträge, die die populistische BILD-Zeitung, antimuslimischen Rassismus und Diskriminierung kritisieren. Dann finden sich immer häufiger Inhalte, deren Problematik erst auf den zweiten Blick auffällt. 

Zionist:innen bezeichnet der Graffiti-Künstler als „Nazis“

Mittlerweile hat „La Rage“ Fotos der Graffiti mit eindeutig volksverhetzenden Inhalten von seinem Instagram-Account gelöscht. Dafür finden sich auf dem Instagram-Account weiterhin Begriffe wie Hasbara, Genozid, Apartheid.

Und ein Graffiti mit der Aufschrift „The Z in Nazi stands for Zionism“, zu Deutsch „Das Z in Nazi steht für Zionist“. Immer wieder unterstellt „La Rage“ Zionist:innen, also Menschen die einen jüdischen Staat anstreben, in dem Jüdinnen und Juden in Sicherheit leben können, seien Faschisten. 

„Auf diese Weise wird nicht nur Antisemitismus und realer Neonazismus verharmlost, sondern auch eine Täter-Opfer-Umkehr vollzogen“, ordnet Neumann ein. Denn der Künstler verkennt, dass der historische Zionismus eine Reaktion auf den starken Antisemitismus in Europa war, der in Deutschland von den Nationalsozialisten und ihren Vorläufern ausging.

Hakenkreuz Graffiti an der S-Bahn Station der Universität sorgte für viel Aufsehen

„The irony of becoming what you once hated“, zu Deutsch: „Die Ironie, das zu werden, was du einst gehasst hast“. In der Mitte ein Hakenkreuz im Davidstern. 

Am 26. Januar 2024 postet „La Rage“ auf Instagram mehrere Videos, die zeigen, wie zwei Personen in einen S-Bahn-Schacht klettern. Eine Leiter herunter und dann ein Stück über das Gleisbett.

An dem Tag streikte die Deutsche Bahn, das erklärt der Künstler seinen Follower:innen. Das letzte Video zeigt die S-Bahn-Station „Dortmund Universität S“. Kurz später erscheint dort das riesige, geschichtsrevisionistische Graffiti. Auch davon postet er ein Foto auf Instagram.

Staatsschutz und Staatsanwaltschaft sind bereits alarmiert 

Dem Dortmunder Staatsschutz ist der Künstler namentlich bekannt, teilt die Polizei mit. Die Inhalte, die der Künstler in den Sozialen Netzwerken veröffentlicht, würden ausgewertet und bei strafrechtlicher Relevanz an die entsprechende Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Die erklärt: „Gegen den Beschuldigten ist derzeit ein Ermittlungsverfahren anhängig, das das mögliche Anbringen des angesprochenen Graffitis zum Gegenstand hat, die Tatvorwürfe lauten auf Sachbeschädigung (§ 303 StGB) und Volksverhetzung in der Variante des Verharmlosens des Holocausts (§ 130 Abs. 3 StGB).“

Bisher hätten die Ermittlungen den Verdacht gegen den Beschuldigten jedoch nicht erhärten können, erklärt die Dortmunder Staatsanwältin Sonja Frodermann. Weiter teilt sie mit: „Da bisher nicht feststeht, ob der Beschuldigte überhaupt Straftaten begangen hat, können über eine mögliche politische Motivation keine Angaben gemacht werden.“

Polizei ordnet Graffiti als „überwiegend pro-palästinensisch“ ein

Micha Neumann bewertet die Inhalte der Graffiti als israelfeindlich, antisemitisch und stellt auch islamistische Komponenten fest. Die Dortmunder Polizei ordnet die Graffiti und Posts des Künstlers im Gegensatz zur Fachberatungsstelle ADIRA als „überwiegend pro-palästinensisch“ ein. 

Neumann stellt klar, dass der Künstler sich nur wenig für die Menschen in Palästina einsetze, da sein Engagement vorrangig daraus bestehe, hierzulande antisemitische Symboliken an die Wände zu malen. „Damit dürfte den Menschen vor Ort wenig geholfen sein“, so der Leiter der Fachberatungsstelle. 

Wenn dies nicht erkannt werde, bestehe die Gefahr, dass antisemitische Inhalte als „pro-palästinensisch“ verharmlost und nicht als antisemitisch benannt würden, sagt er. Auf die Frage, ob dem Staatsschutz Kontakte „La Rage’s“ zu islamistischen Gruppierungen bekannt ist, kann die Polizei aus „ermittlungstaktischen Gründen“ nicht antworten.

Die Graffiti bleiben ohne strafrechtliche Konsequenzen für den Künstler 

Trotzdem bleiben die Graffiti straffrei und ohne juristische Konsequenzen für den Künstler, denn der geht bedacht vor. Die Wände sind häufig legal, die Schriftzüge in einer rechtlichen Grauzone – und auch wenn nicht, ist es für die Strafverfolgungsbehörden schwierig, die Tat nachzuweisen.

„Das sendet vor allem an Betroffene das fatale Signal, dass antisemitische Darstellungen im öffentlichen Raum ohne rechtliche Konsequenzen bleiben“, verrät Micha Neumann. Weiter erklärt er, die Bilder schufen „ein Klima der Entwürdigung, wenn das Judentum als Schwein dargestellt oder der Holocaust relativiert wird.“


Im Zuge unserer Recherche haben wir versucht, Kontakt zu dem Künstler aufzunehmen, um ihm aus Gründen der Fairness die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Das war leider nicht möglich, da der Künstler unseren Social-Media-Account und den unserer Autor:innen blockiert hat. 

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Reaktionen

  1. photona

    Warum wird ein offensichtlich intellektell minderbegabter und um Aufmerksamkeit heischender Sprühdosenmaler im Artikel euphemistisch als „Künstler“ geadelt? Es soll einst einen Maler österreichischer Provenienz mit ähnlicher Begabung gegeben haben, auf dessen Betreiben hin Kunst, auch und insbesondere jüdische, als „entartet“ geächtet, verbannt und vernichtet wurde. Würde man diesen auch als „Künstler“ bezeichnen wollen?

  2. Florian

    Danke für den Bericht. Ich melde mich, weil es mich stört, dass Sie diesen antisemitischen Propandisten als Künstler titulieren. Angesichts dessen, dass hier die Gestaltung vollkommen instrumentalisiert ist für den Zweck antisemitische Propaganda zu treiben und weil diese keine künstlerische Idee ist, halte ich diesen Begriff hier für euphemistisch.

  3. Istegal

    Der Künstler hat den Artikel gerepostet, weiß nicht wie stark ihr euch da wirklich für einen Kontaktversuch eingesetzt habt. Außerdem sehr schwach, nicht in der Lage zu sein, Israelkritik von Antisemitismus zu unterscheiden. Er spricht kein einziges Mal von Juden. Sondern von dem israelischen Militär und deren Regierung. Gibt’s keine Meinungsfreiheit unter der man diese kritisieren darf? Aus der deutschen Geschichte zu lernen heißt das Judentum zu schützen, nicht genozidale Rechtsextremisten im Knesset. Die Augen diesbezüglich zu schließen ist das fatale. Revolution und Protest kann nunmal nicht immer nur gesittet und verschriftlicht sein.

  4. Hans-Peter

    Danke für den Bericht. Ohne dem wäre ich nicht darauf aufmerksam geworden. Es braucht mehr mutige Personen wie Musa und hoffe man kann ihn unterstützen. das Antisemitmusgeplärre ist mal wieder bezeichnend für eine genozidleugnende Presselandschaft.

  5. Nordstadtblogger-Redaktion

    Die gegensätzlichen Seiten sind in den bisher veröffentlichten Kommentaren mehr als deutlich geworden. Daher schließen wir den Kommentarbereich, weil wir keine Lust mehr haben, Beleidigungen, Vorwürfe, Allgemeinplätze, Verschwörungstheorien und pauschale Vorwürfe zu lesen. Meinungsfreiheit ist auch uns ein hohes Gut – aber Volksverhetzung, Beleidigungen, Falschaussagen und Diffamierungen gehören eben nicht dazu. Und da viele der Kommentare zwar auch berechtigte Kritik enthält – und das Handeln der israelischen Regierung ist mehr als kritikwürdig – enthalten viele Kommentare auch teils Aussagen, die wir hier nicht veröffentlichen können oder wollen, weil die fragwürdig bzw. justiziabel sind.

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