Angriffskrieg, Klimakrise und die seit über zwei Jahren andauernde Pandemie haben unser aller Alltag tiefgreifend verändert. Besonders gefordert wurden neben Menschen im Gesundheitswesen auch Lehrer:innen. Ständig und vor allem kurzfristig veränderte staatliche Vorgaben, mit dessen konkreter Umsetzung die Schulen auf sich allein gestellt waren und immer noch sind, haben den Schulalltag enorm verändert. Deshalb setzte sich das junge Kollegium des Robert-Schuman-Berufskollegs in Workshops, Vorträgen und einer Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Klaus Hurrelmann im Deutschen Fußballmuseum mit den aktuellen pädagogischen Herausforderungen auseinander.
Berufskollegs: spezielle Herausforderung für Pädagog:innen
Das Robert-Schuman-Berufskolleg sitzt in den modernen Backsteingebäuden neben dem Dortmunder U, das rund 3700 Schüler:innen und knapp 170 Lehrkräfte beherbergt. Das Berufskolleg bereitet Schüler:innen auf die Berufsausbildung in kaufmännischen und verwaltenden Berufen und/oder ein Studium vor, bildet als Partner im dualen System in verschiedenen Dienstleistungsberufen aus und betreibt im Rahmen der Fachschule eine qualifizierte Weiterbildung.
Die diverse Schülerschaft benötigt demnach auch eine individuelle Förderung und stellt somit unterschiedliche Herausforderungen an die Lehrkräfte. Schulleiter Rolf Janßen setzt daher auf ein umfangreiches Beratungsangebot durch multiprofessionelle Teams.
Die Schüler:innen besuchen das Berufskolleg zudem nur kurz, im Gegensatz zu Gymnasien oder Gesamtschulen, wo Lehrer:innen und Schulsozialarbeiter:innen die Möglichkeit haben, die Kinder und Jugendlichen die gesamte Sekundarstufe eins und möglicherweise sogar Sekundarstufe zwei über zu begleiten. Deshalb sei es eine spezielle Herausforderung eine Beziehung zu den Schüler:innen aufzubauen, merkt Steffi Krause, Schulsozialarbeiterin am Robert-Schuhmann-Berufskolleg, an.
„Generation Krise“: Wie hat sich der Umgang mit Schüler:innen verändert?
Der Vortrag des renommierten Sozial- und Bildungsforschers Prof. Dr. Klaus Hurrelmann beschäftigte sich mit den Auswirkungen der Krisen auf die heutige Jugend. Hatten sich die sozialen Ungleichheiten vor der Pandemie etwas abgebaut, sorgten Lockdowns und Schulschließungen dafür, dass Jugendliche aus einem wirtschaftlich benachteiligten Umfeld abgehängt wurden. Gerade die männlichen Jugendlichen aus Familien, wo das Elternhaus wenig unterstützen konnte, traf die Pandemie hart.
Andererseits gab es aber auch Jugendliche, die durch die zunehmende Digitalisierung wichtige Kompetenzen weiter entwickeln konnten – die Voraussetzung dafür waren jedoch vorhandene digitale Geräte. Zudem ging es auch um die Verlagerung von familiärer Unterstützung auf Lehrer:innen. In Bezug darauf riet Prof. Dr. Hurrelmann die Bildung einer pädagogischen Taskforce mit Beteiligung der Eltern.
Grundsätzlich legte Prof. Dr. Hurrelmann dem Robert-Schuman-Berufskolleg nahe, einen größeren Wert auf die Leistungsdiagnostik zu legen. Auch der stärkere Einbezug der Schülerschaft bei der Gestaltung des Schullebens sei entscheidend.
Podiumsdiskussion mit Bildungsforscher Hurrelmann
Im Anschluss an die Workshops und den Vortrag von Professor Hurrelmann bildete die Podiumsdiskussion den Abschluss des Fortbildungstages „Krisen ohne Ende – gemeinsam erleben was uns stark macht!“. Moderiert von Stephan Ebmeier, Lehrer für evangelische Religion, äußerte sich zunächst Katharina Bielicki zu Wort. In der Corona-Zeit war sie Referendarin. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte die ersten zwei unterrichtsfreien Wochen im Referendariat nicht genossen“, gibt die junge Lehrerin zu.
Da sie sich aber nicht nur als Wissenvermittlerin, sondern auch als Pädagogin versteht, sei sie für die Schüler:innen in der schwierigen Zeit immer erreichbar gewesen – auch bis spät abends. Der stellvertende Schulleiter Konstantin Kowalzik fürchtet, dass gerade junge, engagierte Lehrkräfte wie Katharina Bielicki so Gefahr laufen, sich zu überarbeiten und „auszubrennen“.
Professor Hurrelmann betont in der Podiumsdiskussion, besonders wichtig seien feste Regelungen und Umgangsformen. Um den Schüler:innen diese strukturelle Sicherheit geben zu können, müssten Lehrer:innen sich bewusst werden „Ich bin hier in der sozialen Rolle Lehrkraft und die gestalte ich souverän“. Jedoch sei es auch wichtig, Grenzen zu erkennen, merkte Moderator Ebmeier an.
Schulen in der Pandemie viel auf sich allein gestellt
Während der Schulschließungen saßen die Lehrkräfte teils vor dem Laptop und sahen anstatt der Schüler:innen nur kleine schwarze Kästchen. Sicher sein, dass die ihnen jemand aufmerksam zuhörte, konnten sie sich nicht. Während die Lehrkräfte den Schüler:innen in dieser Zeit fast rund um die Uhr zur Verfügung standen, waren diese oft nur schwer erreichbar. Schulsozialarbeiterin Krause merkte an:„ Wir haben tolle, engagierte Lehrer, die aber auch alle durch die Krise gehen.“
„Manchmal hatten wir sechs Schüler, mal das Doppelte, mal mit Maske, mal ohne, mal mit Tests, mal ohne“, berichtete Katharina Bielicki. Schulleiter Janßen äußerte, er habe sich von der politischen Führung zum Teil allein gelassen gefühlt. Die neuen Corona-Vorgaben wurden den Schulen zeitweise freitags mitgeteilt und mussten bereits montags umgesetzt sein. Diese kurzfristigen Vorgaben, die teils umfangreiche Änderungen für Schüler:innen und Lehrer:innen mit sich zogen, hätten alle sehr gefordert.
Einen Tipp diesbezüglich hatte Professor Hurrelmann. Er beschrieb die Corona-Vorgaben als starren Horizont aus Erlassen, unter dem jedoch viel Luft sei. Diese Luft sollte man als Spielraum ansehen und ausnutzen. Damit meine er nicht, die Vorgaben zu missachten, vielmehr solle jede Einzelschule ihre speziellen Kompetenzen ausschöpfen.
Digitalisierung an Schulen in vollem Gange
In der Corona-Zeit stellten Lehrkräfte, Eltern und Schüler:innen erstmals fest, wie weitreichend die fehlende Digitalisierung im Bildungssektor ist. Denn obwohl der Großteil der Schüler:innen – ganz gleich in welchem Alter – bereits ein Smartphone besitzt, ist teilweise weder ein eigener Computer, noch ein W-LAN-Zugang gesichert. Im Falle der Pandemie hieß dies, dass Teile der Schülerschaft nicht von Zuhause aus am Unterricht teilnehmen konnten und wenn doch, dann nur über das kleine Display eines Smartphones.
200 digitale Geräte für Schüler:innen aus einem wirtschaftlich benachteiligten Umfeld hatte das Robert-Schuman-Berufskolleg zwar bekommen – leider aber ein Jahr zu spät. Seitdem lägen die Geräte nur rum. „Es wird zur Zeit viel Geld in das System gepumpt“, bestätigt Janßen. Aber auch hier würden Schulen sowohl im Umgang mit den digitalen Geräten, als auch in der Neugestaltung des Unterrichts – die zweifelsfrei erforderlich ist – allein gelassen.
Die Digitalisierung an Schulen ist in vollem Gange: Mittendrin sind Pädagog:innen, die dies zum einen wohlwollend begrüßen, aber auch berechtigte Zweifel haben. Das Berufskolleg erwarte noch diese Woche 1.000 IPads für die Vollzeit-Klassen. „Macht es einen Unterschied, ob ich einen Text auf Papier oder einem Tablet nicht verstehe?“, fragt Moderator Ebmeier diesbezüglich in die Talk-Runde. Zu klären sei zunächst, ob es einen pädagogischen Mehrwert gäbe. Fest stünde aber in Bezug auf Digitalisierung und der neuen Form des Unterrichts:„ Wir brauchen – jünger oder älter- die Fortbildung!“
Deutsches Fußballmuseum bietet interaktive Workshops für Schulklassen an
Seit 2019 bietet das Deutsche Fußball Museum kostenlose Workshops für Schulklassen an, gefördert durch die Stadt Dortmund und die Stiftung Erinnerung-Verantwortung-Zukunft (EVZ). Ziel ist die Sensibilisierung im Umgang mit verschiedensten Themen.
Lars Phillip, zuständig für das Bildungs- und Gästeprogramm im Deutschen Fußballmuseum, hofft auch die Hemmschwelle für Museumsbesuche bei Kindern und Jugendlichen dadurch zu senken.
Projekttag Vielfalt – Der Workshop soll Respekt, Integration, den Abbau von Vorurteilen und diskriminierendem Verhalten vermitteln. Auf spielerische Weise nähern sich Siebt- bis Zehntklässler:innen über die Faszination Fußball gesellschaftspolitischen Themen.
Projekttag Homophobie – Homosexualität im Fußball ist immer noch ein absolutes Tabu-Thema. Mit dem Workshop „Homophobie im Fußball“ will das Bildungsteam des DFM proaktiv auf das Thema aufmerksam machen.
Schüler:innen ab der Jahrgangsstufe sieben, aber auch Lehrkräfte sollen einen vorurteilsfreien Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt erlernen. Die Workshops für Schüler:innen ab der siebten Klasse finden dienstags und freitags von 9.00 bis 13.30 Uhr statt.
Projekttag Gesundheit – Gruppen von Kindern und Jugendlichen zwischen acht und dreizehn Jahren (auch außerschulische Jugendvereine) haben die Möglichkeit sich dienstags bis freitags für drei Stunden intensiv mit dem Thema Bewegung und einer gesundheitsbewussten Lebensweise auseinander zu setzen.
Eine Voranmeldung für alle Workshops ist erforderlich. Nähere Informationen gibt es auf der Internetseite des Deutschen Fußball Museum. Lehrer:innen können mit dem zuständigen Bildungsteam in Kontakt treten über Mailadresse vermittlung@fussballmuseum.de