Gender-Marketing und Sexismus in der Werbung: Nils Pickert von „Pinkstinks“ zu Gast an der Fachhochschule Dortmund

Gender-Marketing von Dolce&Garbana: Einfach nur Kunst oder werden unerwünschte Assoziationen hervorgerufen?
Gender-Marketing von Dolce&Gabbana: Einfach nur Kunst oder rufen die damit von den Machern erwünschten Assoziationen auch unerwünschte hervor? Abbildung: Unternehmenswerbung

Von Gerd Wüsthoff

„Werbung trifft jeden“, lautet die Behauptung des Fachverbands Außenwerbung – und genau das ist das Problem: Jeden Tag werden KonsumentInnen mit Bildern konfrontiert, die sich zum Teil in grotesker Weise sexistischer Geschlechterstereotype bedienen. – Dagegen wendet sich „Pinkstinks“, eine junge Organisation, die gegen Produkte, Werbe- und Medieninhalte ins Feld zieht, mit denen Kindern begrenzte Wahlmöglichkeiten für Geschlechterrollen aufgezwungen werden. Ihr Chefredakteur, Nils Pickert, referierte jüngst über das Problem beim Fachbereich Design der Fachhochschule Dortmund.

„Pinkstinks“: An Kinder gerichtete Werbung, die Geschlechterrollen fixiert, ist sexistisch

Nils Pickert
Nils Pickert. Foto: privat

Nils Pickert, freier Autor und leitender Journalist bei „Pinkstinks“, ist Vater von zwei Mädchen und Jungen. Dazu bezeichnet er sich als Teilzeitrockträger und Vollzeitfeminist, und schreibt vor allem über Kinder, Erziehungsfragen und Gleichberechtigung. Sein Publikum an der Fachhochschule Dortmund, FB Design, das zu dem Referat aus seiner Vortragsserie Gender-Marketing und Sexismus in der Werbung gekommen ist, besteht vorwiegend aus Studierenden und interessierten, engagierten DortmunderInnen.

„Pinkstinks“ versucht, die Mechanismen hinter Gender-Marketing (der geschlechtspezifischen Werbung) offenzulegen und ihre gesellschaftlichen Wirkungen durch vielfältige Gegenbilder zu ersetzen. Diese tradierte Geschlechterrollen fixierenden Werbebotschaften sind „Pinkstinks“ zufolge mit ein Grund dafür, dass sexistischen Denkmustern auch heutzutage noch ein erheblicher Einfluss zukommt.

Von klaren Geschlechterrollen profitiert insbesondere die Wirtschaft: Alles muss doppelt gekauft werden. Die Illusion des perfekten Geschlechts feuert den Konsum an. Leidtragende sind Mädchen, die schön und sanft, und Jungen, die stark und hart sein müssen. Während Deutschland Nachwuchs-IngenieurInnen sucht, gehen Bagger und Bauklötze nach wie vor an Jungen. Und Mädchen werden in rosa und lila geradezu „ertränkt“. Selbst Kinder und Jugendfahrräder werden gender-spezifisch gestylt und veräußert.

Vom Fahrrad für Mädchen zur Subordination von Frauen in der Bildwerbung

Gender-Marketing hat Tradition: Bild einer Reisebroschüre für Deutschland von 1931, hrsg. von der Reichsbahnzentrale für den Deutschen Reiseverkehr.
Gender-Marketing hat Tradition: Bild einer Reisebroschüre von 1931, hrsg. von der Reichsbahnzentrale für den Deutschen Reiseverkehr.

Pickert gibt ein Beispiel aus eigener Erfahrung: Seine ältere Tochter war ihrem Fahrrad „entwachsen“. Aber weil es durch Muster (Design) und Farbe eindeutig als Mädchen-Fahrrad zu erkennen war, musste er seinem Sohn ein neues Fahrrad kaufen – eins „für Jungen“ natürlich.

Obgleich das Rad seiner Schwester noch vollständig in Ordnung war. Denn: „Mit dem Rad seiner Schwester wäre er Hänseleien und ähnlichem ausgesetzt gewesen“, betonte Pickert. Das erzeugt Druck, formt Wünsche und Verhaltensweisen.

Seine Thesen illustriert er mit zahlreichen, zum Teil schockierend sexistischen Werbebildern internationaler Konzerne, aber auch mittelständischer wie kleinerer Firmen. Bei einigen Beispielen wird im ersten Moment der in ihren Botschaften inhärente Sexismus nicht sofort deutlich. Andere Werbebilder machen Frauen dagegen in einer solch offenkundigen Art und Weise zu vorgeblich verfügbaren Objekten, das einem graut. (Fragt sich nur: Warum kaufen da auch Frauen?)

Ein bekanntes Beispiel der vergangenen Jahre: 2007 erregte das Modehaus Dolce&Gabbana mit einer Anzeige Proteste, auf der eine spärlich bekleidete Frau zu sehen ist, deren einer Arm von einem Mann mit freiem Oberkörper auf den Boden gedrückt wird, während sie von anderen, mehr oder weniger bekleideten jungen Männern umgeben ist. Erotisch? Provokativ? Erniedrigend? Gar assoziativ der Beginn einer Massenvergewaltigung?

Unterschiedliche Wahrnehmungen: Ist
Anti-Sexismus vielleicht eher Puritanismus?

Die Anzeige wurde sowohl in Italien, als auch in Spanien verboten, da das Institut für Selbstdisziplin in der Werbung erklärte, dass sie „die Würde der Frau in dem Sinne verletzt, dass die weibliche Figur in erniedrigender Weise gezeigt wird“.

Das Institut fügte hinzu, dass das Verbot auf der passiven und hilflosen Position der Frau im Verhältnis zu den Männern um sie herum und der Darstellung von Missbrauch oder der Vorstellung von Gewalt gegen sie basiere. Gerade dieses Bild führte in der anschließenden Diskussion zu heftigen Kontroversen im Auditorium. Ein Besucher sah in der Darstellung eher, wie es bei Dolce&Gabana üblich sei – Kunst. Und diese bezöge sich immer wieder große Meister der darstellenden Kunst, beispielsweise auf die Werke Caravaggio’s.

Werbung von Astra.

Der Einwand ging schließlich sogar soweit, dass in den Motiven der „Pinkstinks“-Kritik einen Fall puritanischer Prüderie ausgemacht wurde.

Ein anderen Zuhörer des Vortrages ergänzte in diesem Sinne, dass sich generell eine evangelikal oktroyierte Moralvorstellung nun auch in Europa breit mache, die sich zum Beispiel darin manifestiere, dass bei google-arts Gemälde alter Meister mit Balken versehen würden, um nackte Tatsachen zu verdecken.

Aufbau von Gruppenzwängen durch
gezielt geschlechtsspezifische Werbeinhalte

„Werbung setzt Trends!“, äußerte sich einmal der Kommunikationswissenschaftler Joachim Westerbarkey von der Universität Münster. Aber nicht nur sie. Es sind auch TV-Serien, Fernseh- und Kinofilme, in denen bestimmten Themen einfach ausblendet werden, etwa schwule oder lesbische Heranwachsende im Jugendbereich. Dagegen werden andere Aspekte verstärkt.

Wenn beispielsweise zur Gewinnoptimierung von Unternehmen, scheinbar harmlos, Jungen nur mit Spielzeug dargestellt werden, das auf ihre Geschlechterrolle zugeschnitten ist. Und entsprechend gestaltete Werbeflächen demgegenüber für Mädchen allemal besser wissen, wie sie sich am liebsten kleiden oder womit sie spielen möchten. Platz für eine eigene Entwicklung würde so verweigert, konstatiert Pickert. „Der Gruppenzwang wird so übermächtig!“

„Sunt pueri pueri, pueri puerilia tractant“, lautet ein alter lateinischer Sinnspruch: Knaben sind Knaben und treiben Knabenhaftes. Gender-Marketing macht’s möglich.

Weitere Informationen:

  • pinkstinks.de
  • Beispiele für die Reduktion von Frauen auf Sexualobjekte beim Gender-Marketing: (1) (2)

 

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