20 Jahre gibt es den Verein Africa Positive e.V. Dortmund. Die umtriebige Vereinsvorsitzende Veye Tatah hat dieses Jahr einmal mehr mit vielen ehrenamtlichen HelferInnen das nun bereits 10. Afro Ruhr Festival organisiert. Es ist das im Ruhrgebiet wohl größte interkulturelle Festival.
„Parade der Vielfalt“ vom Friedensplatz mit Höhepunkten unterwegs in die Gefilde der Nordstadt
Jetzt standen im Dietrich-Keuning-Haus (DKH) Tanz, viel Life-Musik – bestritten u.a. von Instrumentalisten und Sängern aus Kolumbien und Jamaika, die verschiedene traditionelle Musikstile präsentierten – auf dem Programm.
Des Weiteren zogen ein Jugendprogramm, Vorträge mit einer Podiumsdiskussion, Fachforen und ein Afrika-Markt die BesucherInnen an. Menschen unterschiedlichster Herkunft – bei Weitem nicht nur mit afrikanischen Wurzeln, sondern auch aus Kolumbien, Chile, Vietnam und vielen anderen Gegenden unserer Welt viele davon zu Hause in der Nordstadt – begegneten sich in vielfältiger Form, tauschten sich aus und hatten Spaß zusammen.
Bei brütender Hitze boten draußen vor dem Dietrich-Keuning-Haus mehrere Stände kulinarische Speisen und Getränke an. Das Fazit von DKH-Chef Levent Arslan: „Es war in der Tat in diesem Jahr eine ganz besondere Stimmung. Mittlerweile hat sich das Festival zu einem Ereignis über unsere Stadt- und Ruhrgebietsgrenzen hinaus entwickelt. Das freut uns natürlich sehr.“ Arslan sprach davon, dass mehr als 4000 Gäste das Afro Ruhr Festival 2019 besucht hätten.
„Parade der Vielfalt“ als Höhepunkt des diesjährigen Festivals
Zu einem Höhepunkt auch des diesjährigen Festivals gestaltete sich die „Parade der Vielfalt“. Sie eröffnete das dreitägige Festival. DortmunderInnen mit oder ohne Migrationshintergrund, sowie Gäste der Stadt, fanden sich als bunte Truppe, darunter auch Kinder, bekleidet mit phantasievollen und traditionellen Kostümen und Gewändern am ersten Nachmittag auf dem Friedensplatz vor dem Rathaus ein und präsentierten sich zu Trommelklängen auf dessen Treppe mit Blick auf die Friedenssäule.
Bürgermeisterin Birgit Jörder war zum Empfang der Parade erschienen. Dann starteten die Menschen zur „Parade der Vielfalt“, angeführt von der Formation Schwarz-Rot Atemgold 09 sowie anderen Musikern, ihren Marsch durch die Stadt. Es ging hinunter in die Stadt über den Westenhellweg zur Kampstraße.
Unmittelbar an der Fußgängerzone wurde ein Kreis gebildet. Bei Blasmusik und zu leidenschaftlichen Trommelklängen und zu heißen Rhythmen tanzten kolumbianische Frauen leidenschaftlich und verkörperten, natürliche ungebremste Lebensfreude. Tamilische Kinder in ihren schönen Trachten und dem Schmuck im Gesicht eroberten die Herzen Menschen. Ein Feuerspucker war das absolute Highlight bei diesem Stopp der Parade.
Dann ging es weiter über die Kampstraße und die Katharinentreppe hinab. Auf dem Platz davor gab es abermals ein Halt mit Tanz- und Musikdarbietungen, welche die Passanten neugierig machten. Dann zog die „Parade der Vielfalt“ unter wolkenlosem Himmel und bei brütender Hitze – die Menschen im Pulk schon von weitem als knallbunte Tupfer sichtbar – in die Gefilde der Nordstadt ein, um schließlich den Festivalort, das DKH, zu erreichen.
Dort eröffneten Veye Tatah und Levent Arslan – sie hatten ebenfalls an der Parade teilgenommen – gemeinsam feierlich das 10. Afrika-Ruhr Festival, das eine einzigartige Begegnungsplattform für möglichst viele unterschiedliche Menschen sein will. Eine Kindergruppe eines tamilischen Vereins eröffnete das Programm.
Musik und Tanzgruppen aus Europa, Afrika, Lateinamerika sowie Asien trafen aufeinander und feierten drei Tage gemeinsam. Ein Glanzlicht des ersten Festivaltages dürfte Aicha Kouyate aus Oberguinea gewesen sein, die vor allem in Westafrika eine bekannte Griot-Sängerin ist.
Livemusik unterschiedlicher Stile, Tänze mit Trommelbegleitung, ein Kinder- und Jugendprogramm
Pickepackevoll auch das Programm des zweiten Tages des Afro Ruhr Festivals. Trotz kleiner Verzögerungen im Programmablauf war in der Agora des DKH fast ständig etwas los. Trommelaktionen und Tanz, ein Kinderprogramm und Programm von Jugendlichen mit Poetry Slam, Chorgesang und Tanz auf der offenen Bühne u.a. mit Voice of Tomorrow, Sing 4 you und der Gruppe Dance 4 you – als Aktion der Koordinierungsstelle des Jugendamtes Dortmund, Bereich Kinder- und Jugendförderung aus dem afrikanischen Kulturbereich.
Begeistert waren das Publikum vom traditionellen Tanz der Gruppe Mecuda NRW und nicht weniger vom Auftritt von Roughhouse, der mit seiner Band und einer harmonisch-fließenden musikalischen Mischung aus Roots-Reggae und Dancehall zu gefallen wusste. Der für den Abend angekündigte Act es Kameruners „Mr. Leo“ musste entfallen: Der Künstler hatte kein Visum für Deutschland bekommen. Weiter zu erleben waren Tänze aus dem Senegal mit Trommelbegleitung mit Dame Diop und Joe Camara & friends.
Alexandra Wiemer von Radio 91,2 interviewte Veye Tatah zum Thema „Zehn Jahre Afro Ruhr Festival – Rückblick und Ausblick“. Die Zuschauer erfuhren viel über die nicht immer einfachen Anfänge des Festivals. Alexandra Wiemer überreichte Veye Tatah sozusagen als süßen Dank für das jahrelange Engagement nicht nur für das Afro Ruhr Festival eine Schale selbst gepflückter Kirschen.
Geraldine und Khaled wurden zu Miss und Mister Afro Ruhr 2019 gekürt
Nicht einfach gestaltete sich zunächst die Wahl Miss und Mister Afro Ruhr 2019 – zu viele aussichtsreiche KandidatInnen machten sie zu einer Qual der Wahl. Dann aber eroberten Geraldine und Khaled die Herzen des Publikums. Ihr Preis: jeweils ein 100-Euro-Gutschein für jeweils zwei unterschiedliche Afro-Shops.
Stadtdirektor und Kulturdezernent Jörg Stüdemann überbrachte Grüße der Stadt Dortmund und beglückwünschte alle zum Gelingen des nunmehr schon 10. Afro Ruhr Festivals zu ihrer wertvollen Arbeit und sprach ihnen seinen Dank aus.
Auf eine rhythmische Reise zwischen Jazz, Funk, und lateinamerikanische Musik nahmen Catalina Valencia und Baterimba Band aus ihrem Projekt „Marices“ das Publikum mit. Ihre Songs erzählten vom Alltäglichen, der Liebe, bunten Charakteren und der Sehnsucht. Sie vermittelten lateinamerikanisches Feeling. Große Emotionen! Kolumbischstämmige Frauen und auch ein paar Mutige aus dem Publikum tanzten, dass der Schweiß in Strömen floss.
„Bald 60 Jahre Unabhängigkeit und immer noch in den Fängen des Kolonialismus?“
Hochinteressant am zweiten Nachmittag die Vorträge und eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Bald 60 Jahre Unabhängigkeit und immer noch in den Fängen des Kolonialismus?“. Unter anderen getragen von Attac. Die brillant und kenntnisreich argumentierenden Experten die referierten, waren Dr. Boniface Mabanza Bambu (Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika KASA), der Wirtschaftswissenschaftler Martial Ze Belinga und Dr. Dereje Alemayehu (Executive Coordinator der Global Alliance for Tax Justice).
Eine Erkenntnis daraus: Nach der Entlassung blieben bis heute viele afrikanische Staaten in Abhängigkeit der einstigen Kolonialherren. Eine negative Rolle dabei spielt der CFA-Franc, erfuhren die interessierten ZuhörerInnen im voll besetzen Raum 204 des DKH.
14 ehemalige französische Kolonien benutzen seit 1945 eine Währung, die in der Kolonialzeit von französischen Kolonialherren eingeführt wurde. Kritiker sprechen von einem System „freiwilliger Knechtschaft“ und verurteilen den CFA-Franc als „imperiales Machtinstrument“. Wirtschaftswissenschaftler Martial Ze Belinga erklärte wie der CFA-Franc afrikanische Länder, einstige Kolonien, in Abhängigkeit gefangen hält.
Auch mit einem immer wiederkehrenden Argument, wonach die afrikanischen Länder allein an ihrer Korruption krankten, wurde aufgeräumt. Freilich sei die nicht kleinzureden. Aber seien auch Ressourcenabflüsse aus Afrika durch die Ausbeutung seitens der westlichen Wirtschaft mitzubedenken, die den afrikanischen Ländern für deren Entwicklung fehlen. Ein UN-Panel, so referierte Dr. Dereje Alemayehu, habe 2013 herausgefunden, dass zu 60 Prozent Ressourcenabflüsse aus Afrika Handels- und Wirtschaftsaktivitäten von meistens westlichen Unternehmen stammten.
40 Prozent aus Korruption und aus Kriminalität. Der OECD-Generalsekretär habe in einem Bericht einmal gesagt, für jeden Dollar, der an Entwicklungshilfe in die Entwicklungsländer kommt, gingen drei Dollar als illegale Ressourcenabflüsse. Es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion.
Erzähl mal, wie du es geschafft hast! – zu Gast die künftige Schauspiel-Chefin
In der Afrika Positive-Reihe „Erzähl mal, wie du es geschafft hast! – Jugendliche sprechen mit einem Vorbild“ war Julia Wissert zu Gast, die ab der Spielzeit 2020/2021 Intendantin des Schauspiels Dortmund sein wird.
Der letzte Tag des Festivals ist traditionell ein Familiensonntag. Dargeboten wurde ein buntes Programm für alle Generationen. Sowohl im Außenbereich als auch im Haus fanden Aktionen und Workshops für Kinder- und Jugendliche statt. Das Bühnenprogramm war ebenfalls auf die ganze Familie ausgerichtet und wurde mit Freude aufgenommen.