Der heutige 1. Juni ist für die Ukrainer:innen in Dortmund ein wichtiges Datum: Denn von nun an ist nicht mehr das Sozialamt für die 6472 Ukrainer:innen, sondern das Jobcenter für sie zuständig. Die Ministerpräsident:innenkonferenz hatte mit der Bundesregierung diesen „Rechtskreiswechsel“ beschlossen. Das hat ganz praktische Auswirkungen – und führt vor allem auch zu mehr Geld für die Geflüchteten.
Umstellung vom Asylbewerberleistungsgesetz auf „Hartz IV“
Denn bislang wurde die Unterstützung für die Ukrainer:innen wie für alle Geflüchteten „nur“ nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt. Das bedeutet für einen volljährigen Single 364 Euro an Unterstützung, verdeutlicht Dr. Regine Schmalhorst, Geschäftsführerin des Dortmunder Jobcenters. Durch den Wechsel der Zuständigkeit zum Jobcenter erhöht sich der Betrag auf 449 Euro – umgangsprachlich handelt es sich dabei um „Hartz IV“.
Doch auch noch eine andere wichtige Änderung gibt es: Menschen, die dem Asylbewerberleistungsgesetz unterliegen, haben nur einen abgesenkten Anspruch auf medizinische Versorgung. „Nicht alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind ihnen zugänglich“, ergänzt Sozial- und Gesundheitsdezernentin Birgit Zoerner.
Übernommen werden „nur akute Krankheitszustände, was das im Einzelnen auch heißen mag“, so Zoerner. Aufkommen muss dafür die Stadt – zumindest die ersten 30.000 Euro an Kosten – erst danach übernimmt das Land. Die Menschen aus der Ukraine können bzw. müssen sich nun ab dem 1. Juni ganz normal bei einer gesetzlichen Krankenversicherung versichern.
Dafür müssen sie allerdings erst in den neuen Rechtskreis überführt sein. Im Klartext: Das Jobcenter ist zwar prinzipiell zuständig, aber noch nicht sofort. Denn dafür braucht es erst eine ausländerrechtliche Registrierung durch die Dortmunder Ausländerbehörde und die damit verbundene Identitätsfeststellung.
Die notwendige Registrierung hakt wegen eines Engpasses bei der Bundesdruckerei
Damit kommt die Behörde allerdings nicht hinterher, weil es dafür technische Engpässe gibt, die allerdings nicht die Kommune, sondern der Bund bzw. die Bundesdruckerei zu verantworten hat. Von den 6472 Ukrainer:innen (Stand Montagabend), die bisher beim Sozialamt in Dortmund wegen Hilfeleistungen vorgesprochen haben, sind bisher erst 3400 registriert.
Die Registrierung erfolgt an sogenannten „PIK-Stationen“. Das Kürzel steht für „Personalisierungs-Infrastruktur-Komponenten“, mit denen die zuständigen Stellen biografische und biometrische Daten aufnehmen und damit die Registrierung Geflüchteter vornehmen.
Im Auftrag des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) hatte die Bundesdruckerei GmbH 2015 ein System entwickelt und ausgeliefert, mit dem die PIK-Stationen unter anderem an die Bestandssysteme des Bundes und der zuständigen Länder angebunden werden.
Lieferschwierigkeiten: Von 1100 „PIK-Stationen“ wurden bisher nur 60 ausgeliefert
Die Stadt verfügt planmäßig nur über eine solche Station, die schon im Tagesgeschäft vor dem Ukraine-Krieg voll ausgelastet war. Nach einem vom Bund veranlassten Update ist dieses Gerät aber nicht mehr funktionsbereit und die Stadt wartet schon seit Wochen auf zwei neue Geräte, die ausschließlich von der Bundesdruckerei zur Verfügung gestellt werden.
Dort gibt es aber einen gewaltigen Engpass: Insgesamt wurden seit dem Ukraine-Krieg bundesweit 1100 „PIK-Stationen“ angefordert, aber nur 60 bisher ausgeliefert, schildert Dortmunds Ordnungsdezernent Norbert Dahmen das Dilemma.
Um überhaupt mit der Registrierung fortfahren zu können, die auch Voraussetzung für den Wechsel vom Sozialamt zum Jobcenter ist, ist die Stadt auf Unterstützung des Landes angewiesen. Bereits in den Osterferien gab es leihweise zehn solche „PIK-Stationen“, mit denen rund 3000 Geflüchtete registriert wurden. Nun gibt es für eine weitere Woche fünf Geräte – erneut nur leihweise bei der Ausländerbehörde. „Jeder wird registriert, der registrieren werden kann“, macht Dahmen deutlich, sodass es an seinem Amt nicht liegen soll.
In der Berswordthalle arbeiten Sozialamt, Ausländerbehörde und Jobcenter zusammen
Daher wird sich die Verlagerung der Zuständigkeit vom Sozialamt vom Jobcenter verzögern bzw. wird sukzessive erfolgen. An diesem Prozess arbeiten Sozialamt, Jobcenter und Ausländerbehörde seit Wochen Hand in Hand. So wurde ein Team des Jobcenters in der Außenstelle des Sozialamtes am Entenpoth in Hörde eingesetzt, die für die Betreuung der Ukrainer:innen zuständig ist.
Dort wurden die Prozesse verzahnt, um den Übergang möglichst geräusch- und reibungslos zu machen. Das Augenfälligste: zumindest für die Neuankömmlinge wird es nun einen nahtlosen Einstieg geben. Denn auch in der Berswordthalle, der städtischen Anlaufstelle für allen Neuankömmlinge, sitzen Sozialamt, Ausländerbehörde und Jobcenter zusammen.
Wer aktuell erstmals vorspricht, kann auch sofort die Registrierung bekommen und Leistungen beim Jobcenter beantragen sowie Hilfestellungen wie das Wohnen beim Sozialamt erfragen. Zudem will man möglichst viele der mehr als 3000 Menschen, die bereits hier, aber noch nicht registriert sind, jetzt registrieren, bevor die Stadt die Leihgeräte wieder abgeben muss.
„Wir lassen niemanden hängen – alle werden durchgängig Geld bekommen“
Sorgen müssen sich die Geflüchteten, die noch nicht zum Jobcenter überführt sind, allerdings nicht machen. Der erhöhte Satz, der ihnen ab dem 1. Juni zusteht, wird auch noch nachträglich ausgezahlt. Eine sofortige Umstellung direkt beim Sozialamt, damit die Menschen direkt mehr Geld in der Tasche haben, ist allerdings rechtlich nicht möglich, machen Zoerner und Schmalhorst deutlich. Dies sind andere Töpfe.
Die Umstellung muss übrigens bis spätestens Ende August erfolgen – solang hat der Bund Zeit gegeben – wenn er denn die nötige technische Infrastruktur liefern kann. Doch so oder so – niemand falle ins Bergfreie: „Keiner muss Sorge haben, kein Geld zu bekommen. Entweder wird nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder nach dem Sozialgesetzbuch II bezahlt. Wir lassen niemanden hängen – alle werden durchgängig Geld bekommen“, versprach Dr. Regine Schmalhorst.
Für die Jobcenter bedeutet die Umstellung einen Kraftakt, weil sie hunderttausende neue Kund:innen bekommen, aber kein zusätzliches Personal. „Wir werden das mit dem Personal stemmen, das wir haben. Wir werden es gut hinbekommen, auch wenn nicht alles sehr schnell geht“, so die Chefin des Dortmunder Jobcenters.
Bisher hat die Stadt mehr als 3,2 Millionen Euro an Sozialleistungen ausgezahlt. Hinzu kommen weitere Kosten, zum Beispiel für die Unterbringung oder die Kinderbetreuung. Diese Kosten sind noch nicht abschließend kalkuliert. Dem Rat soll Ende Juni ein entsprechender (Zwischen-) Bericht vorgelegt werden. 6472 Ukrainer:innen haben bisher wegen Hilfeleistungen beim Sozialamt vorgesprochen. Eine Unterbringung in öffentlichen Unterbringungen haben allerdings aktuell nur rund 400 Menschen in Anspruch genommen.
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Provisorische Anlaufstelle für Ukraine-Flüchtlinge schließt am 16. Juni (PM)
Aufgrund der in den letzten Wochen sehr stark gesunkenen Nachfrage schließt die provisorische – vom Train of Hope Dortmund e.V. – Anlaufstelle für Flüchtlinge aus der Ukraine im Fritz-Henßler-Haus/FHH ab Donnerstag, 16. Juni. Somit steht ab diesem Zeitpunkt das FHH wieder komplett als Begegnungs- und Veranstaltungsort für Kinder, Jugendliche und Familien zur Verfügung.
Diese ehemals spontan eingerichtete Anlaufstelle der Stadt Dortmund bot den außerhalb der Öffnungszeiten des Sozialamtes Ankommenden jeweils von 17 bis 9 Uhr ein erstes Dach über dem Kopf. Von dort aus erhielten die Flüchtlinge in der Regel Unterstützung auf dem Weg in eine Landeseinrichtung.
Die meisten Menschen, die nach Dortmund kommen, sind auf der Durchreise. Das Angebot wird inzwischen nur noch selten genutzt. Insgesamt machten 1.551 Menschen davon Gebrauch.
„Die Stadt Dortmund hat bis heute insgesamt rund 6.500 ukrainische Flüchtlinge aufgenommen. Damit haben wir unsere Aufnahmequote zu über 120 Prozent übererfüllt. Das bedeutet, dass in Dortmund zurzeit nur noch neue Sozialleistungsanträge von Menschen, die bereits über eine Wohnmöglichkeit in Dortmund verfügen, angenommen werden“, erläutert Sozialdezernentin Birgit Zoerner.
Menschen, die keine Wohnmöglichkeit in Dortmund haben, jedoch untergebracht werden wollen, müssen sich an die rund um die Uhr geöffnete Landeserstaufnahme-Einrichtung in Bochum, Gersteinring 50, wenden. Vom Dortmunder Hauptbahnhof aus fahren zu allen Tages- und Nachtzeiten Züge und Bahnen nach Bochum. Durchreisende Ukrainer*innen können sich täglich von 9 bis 18 Uhr an die Bahnhofsmission im Hauptbahnhof wenden.
Weitere Anlaufpunkte für ukrainische Flüchtlinge sind:
• Train of Hope e.V., Münsterstraße 54
• Caritas, Bernhard-März-Haus, Osterlandwehr 12-14 (geöffnet Montag bis-Freitag von 9 bis 17 Uhr)
Ukraine-Hilfe im Entenpoth: Veränderte Öffnungszeiten (PM)
Die Ukraine-Hilfe im Entenpoth 34 in Dortmund-Hörde hat neue Öffnungszeiten: Ab Montag, 11. Juli hat die Ukraine-Hilfe montags bis freitags von 8 bis 13 Uhr geöffnet. Die nachmittägliche Öffnung entfällt.
Aus der Ukraine geflüchtete Menschen, die ab dem 1. Juni nach Deutschland eingereist sind, werden vom Status her anerkannten Asylberechtigten gleichgestellt. Für sie wird, sofern sie in Dortmund Unterkunft gefunden haben, über den Info-Point in der Berswordt-Halle am Friedensplatz der Zugang zur Ausländerbehörde und anschließend zu den für Sozialleistungen zuständigen Trägern gesteuert.
In der Ukraine-Hilfe im Entenpoth 34 in Hörde werden nur noch Anliegen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von Geflüchteten bearbeitet, die zwischen dem 24. Februar und dem 31. Mai 2022 eingereist sind und bei denen der Rechtskreiswechsel zu den Leistungen des Sozialgesetzbuchs noch nicht vollzogen wurde. Deshalb hat sich das Vorspracheaufkommen im Entenpoth reduziert und die Öffnungszeiten werden ab Montag angepasst.