Von Thomas Engel und Alexander Völkel
Prof. Dr. Dietmar Köster soll auch künftig wieder für die heimische SPD in Europa ins Rennen gehen. Mit einer engagierten Rede hatte der Europaabgeordnete die Dortmunder SPD auf dem Unterbezirksparteitag überzeugt. Einstimmig schlugen ihn die GenossInnen erneut für die Wahlkreiskonferenz ihrer Partei vor, welche die sozialdemokratischen KandidatInnen für die voraussichtlich im Mai 2019 stattfindenden Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) in Straßburg aufstellt. Nordstadtblogger sprach mit dem alten und neuen Kandidaten.
Einsatz für ein Europa der Solidarität statt nationaler Standort-Politik und Abschottung
Dietmar Köster setzte auf dem SPD-Unterbezirksparteitag in Hacheney – wie auch bisher schon im Europaparlament – klare Akzente. „Europa steht am Scheideweg. Wir als SozialdemokratInnen müssen deutlich machen, dass wir für ein Europa der Solidarität statt der nationalen Standort-Politik eintreten“, betonte der überzeugte Europäer.
Und klärt gleich auf, was das für ihn bedeutet: „Wir müssen mit der Austeritätspolitik brechen und Politik für die Vielen, nicht die Wenigen machen. Das Zeitalter der Neoliberalität geht zu Ende. Wir brauchen eine Europa der Hoffnung für die Vielen“, zeigte sich Köster vor den GenossInnen kämpferisch.
Er wolle eintreten für ein Europa der Solidarität, der Mindestlöhne und eines von gleichen Löhnen für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Denn die soziale Ungleichheit habe in der EU massiv zugenommen, diagnostiziert Köster und fast knapp zusammen, was nun geboten sei: „Wir müssen da gegensteuern. Wir brauchen ein Europa des Friedens und der Abrüstung, der Stärkung der Demokratie und auch des Europäischen Parlaments.“
Im Gespräch mit Nordstadtblogger erläutert der studierte Sozialwissenschaftler und beurlaubte Lehrstuhlinhaber für Soziologie an der Fachhochschule Dortmund seine Vorstellungen davon, wie eine sozialdemokratische Handschrift auf europäischer Ebene aussehen solle. Und spricht über seine Erfahrungen in den ersten Jahren als EU-Parlamentarier.
Forderung nach positiverer Resonanz in den Medien für Erfolge europäischer Politik
Es sei besonders wichtig, den Menschen deutlicher zu machen, dass Politik, auch europäische, konkrete Verbesserungen für ihren Alltag bedeute. Oder zumindest bedeuten könne, so der SPD-Abgeordnete. Denn das Schwarze-Peter-Spiel, wonach alles Schlechte aus Europa, alles Gute dagegen aus dem eigenen Land käme, habe eine gewisse Skepsis gegenüber Europa hervorgerufen und dem Ansehen europäischer Politik daher massiv geschadet.
Dies hinge auch damit zusammen, dass es in den einzelnen Mitgliedsländern eine Tendenz gäbe, Erfolge der Europapolitik für sich zu reklamieren. – So auch Deutschland, als 2014 das Europaparlament mit großer Mehrheit beschlossen habe, dass allen legal in der EU ansässigen BürgerInnen das Recht zukomme, ein Basis-Girokonto zu eröffnen.
Dies sei ebenfalls von großen Teilen der Presse so dargestellt worden, klagt Köster und fordert in Konsequenz mehr mediale Resonanz für das ein, was durch Europa positiv erreicht worden sei. Ähnlich verhalte es sich etwa mit der Abschaffung von Roaming-Gebühren: Alle könnten diese Veränderung bei Reisen ins europäische Ausland spüren, aber kaum jemand schriebe diesen Erfolg den Institutionen der EU zu.
Gegen den Rechtsruck in Europa braucht es eine starke Sozialdemokratie
Noch besorgniserregender für den SPD-Mann: das Erstarken von Nationalisten in Europa. Denn der Nationalismus, insbesondere der deutsche, sei eine der Ursachen für die Katastrophe zweier Weltkriege im letzten Jahrhundert gewesen und müsse daher zwingend überwunden werden. Auch eine Art Wagenburgdenken lehnt Köster strikt ab.
Der Rechtsruck quer durch Europa ist für Köster insbesondere eine Folge davon, dass die soziale Schere immer weiter auseinander auseinander gegangen sei. Die Politik habe es ihrerseits nicht geschafft, den BürgerInnen die politischen Gestaltungsmöglichkeiten durch die EU deutlicher zu machen und dadurch ihre Sorgen vor einer neoliberalen Globalisierung zu nehmen bzw. Antworten auf real vorhandene Abstiegsängste zu geben.
Und genau an dieser Stelle sieht Köster eine wichtige Funktion der Sozialdemokratie: nämlich dafür zu sorgen, dass Europa wieder ein Ort der Hoffnung für ein besseres Leben der Vielen, nicht der Wenigen werde.
Einen der größten Fehler der Vergangenheit in diesem Zusammenhang macht der sozialdemokratische Abgeordnete in der Austeritätspolitik aus. Nur durchs Sparen allein kämen Länder nicht aber wieder auf die Beine, was das Beispiel Griechenland verdeutliche. Und, befürchtet Köster, dadurch erhöhe sich eben die Gefahr, dass Nationalisten wie Faschisten stärkeren Zulauf erhielten.
Für eine Sozialpolitik in Europa, die in der Lebenswirklichkeit der BürgerInnen positiv greift
Konservative Austeritätspolitik in die Schranken verweisen: dies kann nach sozialdemokratischer Lesart freilich nur mit einer Sozialpolitik geschehen, die ihren Namen verdient – also sozial ist, d.h. von der viele Menschen etwas haben.
Köster verweist hier auf den sozialen Fortschritt durch die Reform der „Entsenderichtlinie“, wonach ArbeitnehmerInnen aus der EU nicht nur den gültigen Mindestlohn, sondern auch die gültigen Tariflöhne bekommen sollen, wenn sie in einem anderen EU-Land arbeiten. Darauf hatten sich die Arbeits- und Sozialminister der EU Ende letzten Jahres geeinigt.
Dies bedeute, erklärt Köster: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort – etwa auch für osteuropäische ArbeitnehmerInnen, die in der Bundesrepublik arbeiteten. Dadurch profitierten einerseits wegen der Wettbewerbsgleichheit ohne Lohndumping die Unternehmen, andererseits würden dadurch Arbeitsplätze geschaffen.
Ein sozialdemokratisch initiiertes Investitionsprogramm soll Kommunen stärken
Die Mühlen der Politik mahlen zuweilen langsam, aber sie mahlen: Es bedürfe für die Reform noch der Zustimmung des Europäischen Rates; dann hätten die Länder zwei Jahre Zeit, das nationale Recht entsprechend zu adaptieren.
Diese Reform sei ein gelungenes Beispiel für eine sozialdemokratische Handschrift, nämlich, sozialstaatliche Leistungen nach oben anzupassen. Soziale Rechte dürften grundsätzlich nicht als Behinderungen für den Binnenmarkt angesehen werden, mahnt Köster.
Zugleich fordert er ein humanitäres Investitionsprogramm, um Kommunen zu stärken, die Flüchtlinge aufgenommen hätten, damit diese integriert werden könnten. Dies hätten die Sozialdemokraten im EP auf den Weg gebracht. Und warnt seine Partei ausdrücklich davor, daran das Urheberrecht an politische Gegner zu verlieren, indem diese es sich als Erfolg auf die eigenen Fahnen schrieben. – Ein politischer Schachzug, der bekanntlich zu den Spezialitäten der Bundeskanzlerin gehört.
Persönliche Erfahrungen aus dem Polit-Alltag:
Antworten eines überzeugten Europäers
Was erwartet den Neuling als Parlamentarier der EU?
„In meinem Leben habe ich immer gerne und intensiv gearbeitet. Die Vielzahl der Termine als EU-Abgeordneter hatte mich dann aber doch ziemlich überrascht.“
„Was ich als besonders konstruktiv empfunden habe, war, dass es in den Fachausschüssen eine stark sachorientierte Arbeit gibt und dabei die Fraktionszugehörigkeit stark zurücktritt. Was so nicht unbedingt zu erwarten war.“
Erfolge/Misserfolge?
„Europapolitik macht unheimlich Spaß. Und ich konnte in dieser Zeit einiges bewegen. Zum Beispiel zum Schutz von Whistleblowern, die ich unterstützt habe, um die dringend benötigte Solidarität mit ihnen zu erreichen.“
„CETA [das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada] hingegen war für mich eine Niederlage.“
Besondere Erfahrungen?
„Spannend war es, Mehrheiten zu organisieren. Das war eine sehr schöne, positive Erfahrung. Gemeinsam mit Grünen, Linken und europäischen Liberalen für eine gute Sache Überzeugungsarbeit zu leisten.“
Persönliche Wünsche/Ziele?
„Ich wünsche mir, dass ich die Chance auf eine zweite Chance bekomme, um das Vertrauen der WählerInnen auch in der zweiten Runde und vor allem noch besser umzusetzen.“
„Anfangs, in der ersten Zeit als EU-Parlamentarier, musste ich noch einiges lernen; das ist völlig normal. Nach und nach habe ich über die Arbeit an Kompetenzen hinzugewonnen. Die möchte ich nun in der zweiten Runde verstärkt nutzen. Um eine Politik für die Vielen zu machen, das wäre mein Wunsch.“
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Filmvorführung und Podiumsdiskussion mit Filmemacherin, „The Game“ (PM Dietmar Köster MdEP)
Der SPD-Europaabgeordnete Prof. Dr. Dietmar Köster lädt zur Filmvorführung ein:
„THE GAME – ein Spiel zwischen Leben und Tod“,
am 04. November 2022 um 18 Uhr
im Lichtspiel- und Kunsttheater Schauburg Dortmund,
Brückstraße 66, 44135 Dortmund
Im Anschluss an die Filmvorführung diskutieren:
Manuela Federl (Filmemacherin von THE GAME und Flüchtlingshelferin),
Bernd Karmann (Lautlos e.V. und Flüchtlingshelfer) und
Dietmar Köster (Mitglied des Europäischen Parlaments).
Zum Film
Gezeigt wird die Situation von Geflüchteten an der bosnisch-kroatischen Grenze. Dort dreht sich alles um THE GAME, das illegalisierte Überqueren der Grenze. Dieses „Spiel“ müssen nicht nur alleinstehende Männer, sondern auch Familien mitspielen, um irgendwann, meist nach zahlreichen Pushbacks, in der EU anzukommen. Die Flüchtlingshelfer*innen Manuela und Bernd wollen helfen und erkennen, dass in dieses „Spiel“ Schlepper, Polizei, Grenzschutz, internationale Organisationen und viele andere eingebunden sind. Nach und nach lernen sie die Menschen auf der Flucht näher kennen und werden selbst Teil des GAMES. Zum Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=4jhHgjx74uo
Anmeldung
Plätze für die Filmvorführung können unter http://www.dietmar-koester.eu/platzreservierung, per Mail an info@dietmar-koester.eu oder tel. über das Europabüro Wetter unter 02335 5222 reserviert werden. Aufgrund des begrenzten Platzangebotes in der Schauburg empfehlen wir eine frühzeitige Anmeldung. Pro Person ist die Reservierung von maximal 4 Plätzen möglich. Eine schriftliche Reservierungsbestätigung erfolgt nicht.