Von Alexander Völkel
Führungswechsel bei der IGM-Geschäftsstelle in Dortmund: Nach 17 Jahren als Erster Bevollmächtigter an der Spitze wird Hans Jürgen Meier Ende August in die Passivphase seiner Altersteilzeit eintreten. Die 2. Bevollmächtigte Ulrike Hölter – seit 17 Jahren an seiner Seite – wird Meier „beerben“. Dies haben die Mitglieder bei der Wahl mit großer Mehrheit entschieden. Sie wird auch das Amt der Kassiererin innehaben. Ihr als „2. Mann“ zur Seite gestellt wird Volker Strehl aus Bochum.
„Über-Kreuz-Geschäftsführung“ zwischen Dortmund und Bochum-Herne
Mit dieser neuen Konstellation wird der Weg zur Fusion mit der Geschäftsstelle Bochum-Herne vorangetrieben. Denn Strehl ist bisher 2. Bevollmächtigter in Bochum. Mit diesem ersten Schritt wird die sogenannte „Über-Kreuz-Geschäftsführung“ forciert.
In einem zweiten Schritt soll in der kommenden Woche Ulrike Hölter dann als 2. Bevollmächtigte in Bochum gewählt werden. Strehl wird dann dort Kassierer. Hölter bildet dann mit der 1. Bevollmächtigten Eva-Maria Kerkemeier und Volker Strehl die dortige Führungsspitze.
Bei den turnusmäßigen Organisationswahlen in zwei Jahren wird dann erstmals eine gemeinsame neue Spitze für die dann fusionierte Geschäftsstelle gewählt. Dann wird Kerkemeier in den Ruhestand gehen und Platz für eine gemeinsame Doppelsitze machen. Die neue Konstellation mit der Über-Kreuz-Geschäftsführung“ soll zum 1. September 2018 beginnen.
Der Prozess der Kooperation läuft seit nunmehr zwei Jahren. Sie steht unter dem Motto „Gemeinsam stärker werden“. Am Ende soll eine leistungsstarke Geschäftsstelle stehen – nach Köln-Leverkusen die zweitgrößte Einheit in NRW. In beiden Einheiten zusammen gibt es derzeit 41.000 Mitglieder – Dortmund bringt 19.500 Mitglieder ein. Erhalten bleiben sollen die drei Büros in Bochum, Herne und Dortmund. Es gibt insgesamt zwölf Politische SekretärInnen, zehn VerwaltungsmitarbeiterInnen sowie einen Azubi.
Mitgliederschwund im Ruhrgebiet motiviert zur Kooperation und Fusion
Mit dem Fusionsprozess wollen die beiden Ruhrgebiets-Verwaltungseinheiten aus der Not eine Tugend machen. Denn das Ruhrgebiet war in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten massiv vom Strukturwandel betroffen. Große Schließungen wie die der Werke von Nokia und Opel in Bochum schlugen voll durch. Alleine wären die Geschäftsstellen zukünftig zu klein, um alle Dienstleistungen erbringen und alle Aufgaben erledigen zu können.
So konnten sich nicht mehr beide Gliederungen jeweils einen Jugendsekretär und einen Juristen leisten. Durch die Kooperation bzw. Fusion ist eine gegenseitige Vertretung möglich – eine Geschäftsstelle hat einen Jugendsekretär, die andere einen Juristen. Beide arbeiten nun für alle fünf Städte. Denn neben Dortmund, Bochum und Herne gehören auch noch Lünen und Castrop-Rauxel zur neuen Einheit.
Damit läuft das Ruhrgebiet übrigens gegen den Trend: Bundesweit erlebt die IG Metall deutliche Mitgliederzuwächse. Allein seit Jahresbeginn sind 61.000 neue Mitglieder in die Gewerkschaft eingetreten. Sie hat aktuell 2,25 Millionen Mitglieder. Auch die Ruhrgebietsstädte nehmen jedes Jahr mehrere hundert neue Mitglieder auf. Doch damit können nur die Austritte kompensiert werden – nicht aber die zahlreichen Sterbefälle.
Die beiden Geschäftsstellen betreuen gemeinsam 228 Betriebe mit Betriebsräten in fünf Städten
Die bisher noch namenlose neue Einheit betreut aktuell 228 Betriebe mit Betriebsräten in fünf Städten. Die meisten Unternehmen (160) haben zwischen 20 und 200 Beschäftigten. Die beiden größten Firmen – mit jeweils mehr als 1500 Beschäftigten – sind WILO in Dortmund und ThyssenKruppSteel in Bochum. Die Westfalenhütte in Dortmund hat 1250 Beschäftigte.
Damit spielt Stahl noch immer eine große Rolle – es gibt sieben Betriebe mit insgesamt über 5000 Beschäftigten. Der größte Bereich ist jedoch die Metall- und Elektroindustrie. Hier gibt es 62 Unternehmen mit insgesamt über 15.000 Beschäftigten. Zweitgrößter Bereich ist das Handwerk mit 42 Betrieben und 6000 Beschäftigten. Kleinster Bereich sind „Textil und Textile Dienste“ – hier gibt es nur drei Firmen mit insgesamt 300 Beschäftigten.
Von den 228 betreuten Betrieben haben149 Tarifverträge (Flächen-, Anerkennungs- oder Haustarifverträge). 79 sind noch ohne Tarifbindung – das soll eines der großen Arbeitsfelder der nächsten Jahre werden.
Keine Krisen: Branche befindet sich derzeit in „ruhigem Fahrwasser“
Krisen gibt es zum Glück derzeit keine, die das Tagesgeschäft diktieren könnten. Nach dem heftigen Jahren gibt es durch den Fusionstarifvertrag bei ThyssenKruppSteel Ruhe – die GewerkschafterInnen sehen sie das Unternehmen in relativ ruhigem Fahrwasser.
Denn sowohl für die Beschäftigten als auch die Standorte gibt es Bestandsgarantien, Schutz vor Kündigungen und vereinbarte Investitionen. Sollte die Fusion mit TATA klappen – wovon man bei der IG Metall ausgeht – gebe es dort keine großen Baustellen. Doch noch müssen weltweit 13 Kartellbehörden der Mega-Fusion zustimmen.
Ruhigeres Fahrwasser gibt es auch in der Bergbau-Zulieferungsindustrie. Dort stabilisieren sich die verbliebenen Unternehmen auf niedrigerem Niveau. „Nirgendwo gibt es große Krisenthemen. Von daher sind wir wieder entspannter. Die Stimmung und die Auftragssituation ist gut“, freut sich Hans Jürgen Meier. „Das kann ich auch für Bochum sagen. Die Betriebe ganz gut ausgelastet“, ergänzt Volker Strehl.
Daher können sich beiden Geschäftsstellen auf Zukunftsthemen konzentrieren. „Mit der gewonnen Kraft wollen wir spannende Themen angehen – auch in Betrieben, wo wir keinen hohen Organisationsgrad haben“, kündigt der scheidende Bevollmächtige an. „Jetzt können wir uns viel konzentrierter auf die Weiterentwicklung setzen.“
Mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit – Digitalisierung und Transformation als Herausforderungen
Dazu gehören die Transformation und die Digitalisierung der Arbeitswelt sowie neue Arbeitszeitmodelle. Bei der IG Metall hat man in der Metall- und Elektroindustrie neue Arbeitszeitregelungen durchgesetzt. Dort gibt es ab kommendem Jahr mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit durch die Wahloption zur „Verkürzten Vollzeit“.
Beschäftigte im Schichtdienst, mit Kindern oder mit zu pflegenden Angehörige können entscheiden, ob sie 27,5 Prozent eines Monatseinkommens oder wahlweise acht freie Tage bekommen wollen. „Das wird in der Umsetzung eine Herausforderung und neue Arbeitszeitmodelle mit sich bringen“, so Meier.
Doch auch die Digitalisierung bringt Herausforderungen und massive Veränderungen in den Arbeitsprozessen. Es geht darum, wie die Menschen mitgenommen und qualifiziert werden können, damit sie nicht ihre Arbeitsplätze verlieren, sondern auch neue Aufgaben übernehmen können.
Tarifverhandlungen im Stahlbereich und Aufbau von neuen Betriebsräten
„WILO ist dabei sehr weit vorne – sie verändern wirklich alles“, macht Meier deutlich. „Wir haben gute Regelungen für die Beschäftigten getroffen. Unsere Berater haben mit dem Betriebsrat gearbeitet und einen Zukunftsvertrag mit dem Unternehmen abgeschlossen, der die Veränderungen skizziert – inklusive der Bedingungen und Arbeitsplatzsicherungen. Da hat es wirklich gut geklappt“, freut sich der scheidende Gewerkschaftssekretär.
Wilo sei ein gutes Beispiel, wie sich die IG Metall sich das auch in anderen Betrieben vorstellen könne. Doch auch das klassische Gewerkschaftsgeschäft kommt nicht zu kurz: Am Jahresende wird es eine neue Tarifrunde in Stahlindustrie geben – der bisherige Tarifvertrag läuft Ende 2018 aus.
Zudem möchte die IGM mehr Betriebe mit einem Betriebsrat versorgen: „Ab fünf Beschäftigten können die Beschäftigten einen Betriebsrat wählen“, verdeutlicht Ulrike Hölter. „Da wollen wir einen Schwerpunkt setzen.“ Wenn es ausreichend Gewerkschafts-Mitglieder gibt, wollen sie auch dort die Einführung von Tarifverträgen erreichen. Dies ist vor allem Thema für das Kfz-Handwerk – es ist der größte Bereich im Bereich der Geschäftsstelle Dortmund.
Zur Person:
Hans Jürgen Meier (60): Nach seiner Ausbildung zum Energieanlagenelektroniker auf der Westfalenhütte arbeitete er im Unternehmen. Am 1.9.1984 wurde er als Jugendsekretär bei der IG Metall eingestellt und kümmerte sich auch als Bildungssekretär um berufliche Bildung. 2001 wurde er 1. Bevollmächtigter und Ulrike Hölter zu seiner Stellvertreterin. Zum 1. September geht er in die Freistellungsphase seiner Altersteilzeit – zwei Jahre später dann in Rente.
Ulrike Hölter (47): Hat bei Hoesch auf der Westfalenhütte ihre Ausbildung zur Zerspanungsmechanikerin mit der Fachrichtung Drehtechnik gemacht und zehn Jahre im Betrieb gearbeitet. Sie war dort zudem Jugendvertreterin und zuletzt Leiterin des Vertrauenskörpers bei ThyssenKruppSteel. 1997 wechselte sie zur IGM und wurde Jugendsekretärin. Vier Jahre später wurde sie 2. Bevollmächtigte – zeitgleich mit Meier.
Volker Strehl (58): Ausbildung, zum Energieanlagenelektroniker bei Krupp. Dort war er fast 30 Jahre im Unternehmen, war dort Jugendvertreter und Betriebsrat. 2006 wurde er Sekretär der IG Metall in Bochum.
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Sabine Poschmann (SPD-MdB)
Neuer Stahlkonzern: Poschmann fordert Investitionen für „Werk auf der Westfalenhütte“
Nach dem überraschenden Ausscheiden des ThyssenKrupp-Vorstandschefs Heinrich Hiesinger fordert die Dortmunder Bundestagsabgeordnete Sabine Poschmann (SPD) die Spitzen des neuen Stahlkonzerns Thyssenkrupp Tata Steel auf, sich an die Vereinbarungen mit der Belegschaft zu halten. Sie sehen unter anderem eine Beschäftigungssicherung bis Ende September 2026 vor.
„Ich gehe davon aus, dass die 1.350 Arbeitsplätze auf der Westfalenhütte vollumfänglich erhalten bleiben und es zu keinen Jobverlusten kommt“, sagt Poschmann, stellvertretende wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.
Zudem fordert Poschmann die Konzernspitze auf, nunmehr Klarheit zu schaffen, wie es Thyssenkrupp Tata Steel mit dem anvisierten Bau einer möglichen zweiten Feuerverzinkungsanlage auf der Westfalenhütte halte. „Denn Investitionen waren ebenfalls Teil der Vereinbarung mit den Arbeitnehmern“, erinnert Poschmann. ThyssenKrupp habe zugesichert, jährlich mindestens 400 Millionen Euro in die deutschen Standorte zu investieren. „Die Beschäftigten auf der Westfalenhütte haben jetzt ein Recht zu erfahren, wie es weitergeht“, sagt die Dortmunder Bundestagsabgeordnete.