Mal eben zum Jobcenter, zum Arzt, zum Einkaufen oder auch einmal Freunde besuchen: Für Menschen mit geringem Einkommen bietet das 9-Euro-Ticket endlich die Möglichkeit, ohne Existenzängste mobil zu sein. Doch was folgt im September, wenn das 9-Euro-Ticketangebot endet? Vieles wird diskutiert, Bielefeld macht es bereits vor: Hier können Geringverdienende seit April ein Ticket für 29 Euro pro Monat erwerben. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW fordert das Land auf, mindestens für Geringverdienende ein bezahlbares Folgeangebot für das 9-Euro-Ticket auf den Weg zu bringen.
„Arme Menschen fürchten schon jetzt den September“
„Hier brauchen Verkehrsverbünde und Kommunen dringend Unterstützung, um ein Modell wie das Bielefelder 29-Euro-Ticket in ganz NRW an den Start bringen zu können“, so Dr. Frank Johannes Hensel, Vorsitzender des Arbeitsausschusses Armut und Sozialberichterstattung der Freien Wohlfahrtspflege NRW.
Laut Koalitionsvertrag möchte die NRW-Landesregierung den öffentlichen Nahverkehr für Schüler*innen, Azubis, Freiwilligendienstleistende, Berufspendler*innen sowie Senior*innen attraktiver gestalten. „Keine Frage, ein gut ausgebauter und bezahlbarer ÖPNV ist für alle Menschen und nicht zuletzt auch für unsere Umwelt wichtig. Aber was heißt das konkret? Und was ist mit Menschen mit geringem Einkommen?“, gibt Dr. Frank Johannes Hensel zu bedenken.
„Arme Menschen fürchten schon jetzt den September. Die Lebenshaltungskosten explodieren weiter und auf einen Schlag steht dann noch weniger für notwendige Dinge des täglichen Lebens zur Verfügung. Die Überlegung, welche Fahrt man sich überhaupt leisten kann, beherrscht den Alltag. Sozial dabei sein können – fällt wieder aus.“
90 Prozent der Empfängerinnen von Leistungen haben das Ticket genutzt
Die Rückmeldungen zum 9-Euro-Ticket von Nutzer*innen mit geringem Einkommen sind mehr als positiv. Es wird nach Schätzungen aus Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege NRW von über 90 Prozent der Empfängerinnen von SGB II, SGB I, Rentner*innen und Grundsicherungs-Bezieher*innen genutzt.
„Die letzten Wochen zeigen: Ein bezahlbares Sozialticket ist ein sofort wirksamer Schritt gegen Armut und soziale Ausgrenzung“, so Hensel. „Land, Kommunen und Verkehrsverbünde müssen nun an einem Strang ziehen, um diese Chance zu nutzen. Was so gut wirkt und Entlastung schafft, sollte dringend verstetigt und weiterentwickelt werden.“
Die im Haushalt des Landes vorgesehenen Mittel für das Sozialticket müssten dafür allerdings aufgestockt werden, so die Forderung der Freien Wohlfahrtspflege NRW.
Hintergrundinfo: Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW
- In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, der Paritätische, das Deutsche Rote Kreuz, die Diakonischen Werke und die Jüdischen Gemeinden mit ihren 16 Spitzenverbänden zusammengeschlossen.
- Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit.
- Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an.
- Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote.