Von Roland Klecker (Text und Fotos)
„Wer oben ist, darf die unten nicht vergessen.“ Das war wohl das Lebensmotto der Trainerlegende Sepp Herberger. Seine markigen Sprüche rund um den Fußball kennt wohl jeder von uns, weniger bekannt ist aber eine andere Seite des ambitionierten Sportleiters. Er war ein leidentschaftlicher Büchersammler, ein belesener Philosoph und ein Menschenfreund.
Der „Chef“ hat insgesamt über 1500 Bücher zusammengetragen
Über 1500 Bücher hat Herberger in seinem Leben zusammen getragen. Und er hat sie nicht nur gelesen, sondern regelrecht studiert und analysiert. Fast „seziert“, wie Manuel Neukirchner, der Direktor Deutsches Fußballmuseum, zu Herbergers Akribie sagt. Er sei mehr durch Zufall im Archiv des DFB auf die Sammlung gestoßen, aber wohl anders als frühere Betrachter vor ihm habe er auch mehrere Blicke in die Bücher riskiert.
„Dabei ist mir aufgefallen, dass fast auf allen Seiten Stellen markiert sind, ganze Passagen unterstrichen und auch viele Anmerkungen hinein geschrieben wurden.“ Der „Chef“ hatte nicht nur viele Bücher im Regal, er hat sie offensichtlich alle sehr intensiv gelesen.
Es entstand schnell der Gedanke, diese Seite des Weltmeister-Trainers von 1954 in einer Sonderausstellung der Öffentlichkeit zu präsentieren. Bei einem gemeinsamen Essen mit dem Xenographen Lutz Engelke (Agentur TRIAD) im Restaurant Borchardt in Berlin nahm der Plan sehr konkret Gestalt an. Das erste Diagramm für die Ausstellung wurde dann auch sofort auf die Rückseite einer schnell gegriffenen Speisekarte skizziert (siehe Fotos).
Die Zeitzeugen Otto Rehagel (78) und Horst Eckel (85) berichten
Am letzten Sonntag wurde dann aus dem Plan Wirklichkeit: Das Deutsche Fußballmuseum lud zur Eröffnungs-Matinee in die Räume am Platz der Deutschen Einheit 1, dem Hauptbahnhof gegenüber.
Prominente Feiergäste waren neben Oberbürgermeister Ullrich Sierau zwei Zeitzeugen Herbergers, der ebenfalls sehr erfolgreiche Fußballtrainer Otto Rehagel (78) und Horst Eckel (85), einer der letzten beiden überlebenden Weltmeister von 1954.
Ergänzt wurde die Gesprächsrunde durch Eulen Gehlenborg, Vorsitzenden der Stiftung Sepp Herberger, deren Aufgabe es ist soziale und karitative Projekte zu fördern und zu unterstützen. Dazu gehören Projekte zum Behindertenfußball, zur Resozialisierung von Strafgefangenen, die Förderung des Fußball-Nachwuchses in Schulen und Vereinen sowie des DFB-Sozialwerks.
Neukirchner, Spiritus Rector der Sonderausstellung „Herbergers Welt der Bücher“ und Autor des gleichnamigen Begleitbuchs wurde bei der unterhaltsamen Podiumsdiskussion nicht müde darauf hinzuweisen, dass viele der bekannten Techniken und Fertigkeiten Herbergers wohl direkt auf diese immense Lektüre zurück zu führen waren.
Unter der Moderation von Knut Hartwig aus der Kommunikationsabteilung des Fußballmuseums sprang das Gespräch kurzweilig von persönlichen Erinnerungen, Anekdoten und den bekannten Zitaten zu Erkenntnissen aus der Sammlung und Ausstellungsvorbereitung.
Kurze und einprägsame Sätze wurden als ,Herbergerismen‘ bekannt
„Die größte Aufgabe war es zuerst, Herberges Handschrift zu entziffern. Das ist uns bis heute nicht bei allen Texten geglückt“, lies Neukirchner die 200 geladenen Gäste an der Entwicklung der Ausstellung teilhaben.
„Was uns heute als ,Herbergerismen‘ bekannt ist, das ist ja nicht einfach so daher gesagt. Die Inhalte finden wir in philosphischen Büchern, in Fachbüchern zum Sport und zum menschlichen Spieltrieb.“
Es ging weiter mit vielen Zitaten und Vergleichen zu heutigen Zuständen im Fußball. „Ein Trainer darf nicht irren“, so Otto Rehagel, „ein Philosop aber schon. Ein Spiel dauert 90 Minuten? Das würden die Spieler vom FC Bayern so wohl nicht unterschreiben“.
Die Fähigkeit, komplexe Aussagen in kurzen einprägsamen Sätzen zu formulieren, hat sich Sepp Herberger genau so angeeignet wie die taktischen Ideen. Das eine entnahm er Büchern über Kommunikation, wie den damals wie heute sehr populären Büchern von Dale Carnegie.
Das bei Carnegie unterstrichene Zitat „Ein Sandkorn nach dem anderen. Eine Aufgabe nach der anderen.“ verweist etwa auf Herbergers berühmte Sprüche „Der nächste Gegner ist immer der schwerste“ oder „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“
Herbergers interessanteste Sammlerstücke als Teil der Ausstellung
Strategien und Technik fand er wiederum in Werken über Schach und Fechten, über Kriegskunst und Militärführung. Von Clausewitz und Mao Tse Tung standen wohl ebenso weit oben auf seiner Liste von Lieblingsautoren.
Die interessantesten Stücke aus der Bibliothek von Sepp Herberger finden sich nun eingebaut in der Sonderausstellung, ergänzt durch weitere Erinnerungen an das Leben und die Zeit des großen Trainers. So ist sein Schreibtisch zu sehen, mit einem Originalmanuskript seiner angefangenen, aber nie veröffentlichten Biographie.
Diese Exponate fügen sich ganz wunderbar in die ohnehin schon bestehende Ausstellung ein, zwischen dem Original Spielball von 1954, Rahns goldenem Schuh, den Trikots und anderen Erinnerungsstücken an das Wunder von Bern. Aber auch sehr persönliche Exponate wie die Eheringe der Herbergers finden ihren Platz in der Ausstellung.
Es ist erstaunlich zu sehen wie viele Facetten dieser Mann doch hatte, wie vielschichtig seine Interessen waren. So ist dann auch die Ausstellung aufgebaut: Der Vielschichtige, der Vordenker, der Allgegenwärtige, der Psychologe, der Philosoph, so heißen die einzelnen Bereiche Unterteilungen.
Ein kurzer Film über das Leben und mit Originaltönen von Sepp Herberger sowie eine aufgezeichnete Laudatio von Joachim Löw und viele lustige Zitate rundeten die sehr humorige, aber auch nachdenkliche Matinee ab.
Herbergers Weisheiten funktionieren noch immer, weil sie zeitlos sind
„Warum funktionieren diese von Dir genannten Herbergerismen immer noch?“ fragte Moderator Hartwig den Stiftungsvorsitzenden Gehlenborg. Die einfache Antwort darauf: „Weil sie zeitlos sind“.
Die Sonderausstellung „Herbergers Welt der Bücher – Die unbekannten Seiten der Trainer-Legende“ ist bis zum 5. November 2017 im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund zu sehen. Der Eintritt ist im Museumsticket für die Dauerausstellung enthalten. Das Museum hat dienstags bis sonntags jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Mehr Infos:
Im Zuge der Sonderausstellung erscheint das Buch: „Herbergers Welt der Bücher – Die unbekannten Seiten der Trainer-Legende“, Manuel Neukirchner (Hrsg.), Verlag die Werkstatt, 19,95 Euro, ISBN 978-3-7307-0340-3.