Von Gerd Wüsthoff (Text) und Klaus Hartmann (Fotos)
Trotz eisigen Wetters gab es eine Neuauflage der Aktion „Freie Republik Borsigplatz“. Die Performance – dieses Mal inszeniert von Birgitt Schuster – bildete den Startschuss. Die eindringliche Ausstellung „Freiheit ist …“ der Fotografin Sabitha Saul im Warmen folgte. Die Vorführung des Jugendtheaters „Freie Republik Borsigplatz“ mit Jugendlichen aus dem Quartier nach einer Regiearbeit von Cynthia Scholz folgte im ConcordiArt, wo anschließend ein Neue-Welt-Buffet, zusammengestellt von Zhanna Yakhnis, für das leibliche Wohl der Anwesenden sorgte, um fast nahtlos in die Nordstadt-Session von und mit Sebastian Sala und Marhaba 103 überzugehen.
Der Borsigplatz – einst pulsierendes Herz, jetzt von Fluktuation geprägt
Die Platanen des Borsigplatzes zierten Bilder zum Thema „Freiheit ist …“, welche von BewohnerInnen des Quartiers gemalt wurden. „Leider herrscht eine sehr hohe Fluktuation am Borsigplatz“, erklärt Sabitha Saul auf die Frage, woher sie die Models für ihre Fotographien nimmt. „Es sind die Bewohner hier aus dem Quartier, die leider häufig weg sind, wenn ich wieder mit ihnen arbeiten möchte.“ Saul zeigt in ihren Fotoarbeiten ungeschminkt die, meist zeitweiligen, BewohnerInnen des Quartiers, wobei Saul ihnen ihre Würde lässt oder zurückgibt.
Die begleitende Kunstausstellung zu „Freiheit ist …“ auf dem Borsigplatz, und sich wiederholend im Kleinformat im Borsig11, zeigt deutlich, wie unterschiedlich, und doch wie gleich Freiheit wahrgenommen und rezipiert wird.
„Für den einen bedeutet Freiheit, dass er, weil wieder mit einen Job und Verdienst versehen, endlich nach Jahren seine Familie wiedersehen kann. Für den anderen ist Freiheit, endlich nach Gefühlen und Neigungen leben zu dürfen. Und der nächste erlebt Freiheit wieder politisch. Wieder andere erleben Freiheit, wenn sie sich mit anderen zusammen für die Gemeinschaft stark machen“, erklären Saul und Birgitt Schuster die Kunstausstellung.
Die Inszenierung der Performance von Schuster – vorbereitet mit auf dem Bürgersteig aufgestellten Pappmaschee-Grabsteinen – erschien im ersten Augenblick „etwas verkopft“. Eine schwarz gekleidete Gestalt zog an Ketten ebenfalls in schwarz gekleidete Menschen hinter sich her, welche an den einzelnen Grabsteinen unter Schmerzen anklagen.
Schnell wurde aber klar, worum es geht: Die Außer-Kraft-Setzung von Freiheit und Demokratie unter dem Diktat des Neoliberalismus und des Frühkapitalismus: Wer Geld hat, ist stark, und wer keines hat, „arm dran“ – gefesselt von Umständen, welche ihn behindern.
Im originalen Herzen des Nordens von Dortmund schlägt es laut
Man wehrt sich im Norden gegen Gentrifizierung und das Abgehängt-Werden. Kunst ist ein Mittel dagegen. Sie schafft Aufmerksamkeit. Und doch werden die Aktivisten am Borsigplatz von Unternehmen unterstützt.
Das Jugendtheater und seine Traumwelt-Darstellung im ConcordiArt endet mit der Aussage, dass man sich jetzt in der „Freien Republik Borsigplatz“ befände, am Ende von Mühen und Qualen. ein schöner Traum, der wahr werden könnte.
Helfen würde dabei, so die Aussagen von Beteiligten, „wenn im ehemaligen Café, das lange eine Filiale der Deutschen Bank beherbergte, wieder ein Café für das Quartier und für Gäste, welche aus dem In- und Ausland nach Dortmund kommen, wieder eröffnet werden könnte“.
„Lecker Essen“ vom Buffet im ConcordiArt stärkt die anwesenden Gäste für die folgende Nordstadtsession mit und von Sebastiao Sala und Marhaba 103.
Partner und Förderer von „Freie Republik Borsigplatz“, ein Projekt von Machbarschaft Borsig11 e.V, sind Train of Hope Dortmund e.V., AK GO, Projekt Angekommen, Adam’s Corner, Marhaba 103, Stadtteil-Schule Dortmund e.V., VHS Dortmund, Tante Albert u.v.a. Zudem gefördert vom Fonds Soziokultur und realisiert mit den Chancen der Bewohner des Borsigplatz-Quartiers.
Die Ausstellung im Büro Borsig11 am Borsigplatz 9 und die Installation auf dem Borsigplatz sind noch bis 30. März 2018 zu sehen. Ausstellungs-Öffnungszeiten: Mo-Mi 14-18 Uhr (und nach Vereinbarung). Weitere Informationen: www.borsig11.de
Neben ansässigen Nachbarn wurde gezielt mit Geflüchteten gearbeitet. Die meisten der Schilder auf dem Platz und auch ein Großteil der Portraits stammen von Menschen, die erst seit wenigen Monaten oder Jahren in Deutschland leben. In der Kunstinstallation sind einige Thesen, welche nach der Grundrechtecharta der UN eigentlich garantiert sind, plakatiert. „In der Freien Republik Borsigplatz“ sind alle MigrantInnen. Die neue Welt gehört niemandem, und jeder ist hier zu Hause.
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