Am Abend des 28. November 2019 brannte es im Keller in der Mallinckrodtstraße 276 in der Nordstadt. Heute wurde vorm Landgericht Dortmund wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit Brandstiftung verhandelt. Angeklagt ist ein 42-jähriger polnischer Staatsangehöriger ohne festen Wohnsitz, der in einem ungenutzten Kellerraum des Gebäudes einen Unterschlupf gefunden hatte. Nachdem er mit seiner Freundin in einen Streit geriet, soll er in den Kellerräumen des Mehrfamilienhauses zunächst einen Kanister Benzin verschüttet und anschließend angezündet haben. Ihm sei bewusst gewesen, dass in dem Haus zur Tatzeit mehrere Personen wohnten. Dies habe er billigend in Kauf genommen. Ernsthaft verletzt wurde bei dem Brand zum Glück niemand. Über den entstandenen Sachschaden konnten heute noch keine Angaben gemacht werden.
Angeklagter hatte in ungenutztem Keller Unterschlupf gefunden
Sebastian O. wurde vor Gericht von Verteidiger von Irmer vertreten, außerdem stand ihm ein Dolmetscher zur Seite. Der in Warschau geborene Pole gab an, seit Anfang 2019 auf der Straße zu leben und derzeit in U-Haft in der JVA Dortmund zu sitzen. ___STEADY_PAYWALL___
Vorher habe er als Trockenbauer gearbeitet. Aufgrund eines Arbeitsunfalls, bei dem er fast eine Hand verloren habe, habe er den Job aufgeben müssen. Seitdem habe er mal hier, mal dort übernachtet. Seit ungefähr drei Jahren sei er in einer Beziehung mit einer jungen Frau, die später ebenfalls vom Schöffengericht als Zeugin vernommen wurde.
Auf das Haus in der Mallinckrodtstraße sei er aufmerksam geworden, da er die offene Haustür bemerkt habe. Als Obdachloser falle einem so etwas ins Auge. Ein Hausbewohner, der ebenfalls als Zeuge aussagte, bestätigte, dass die Haustür des Gebäudes in der Regel nicht verschlossen sei, da einige Klingeln defekt seien und man trotzdem für einen reibungslosen Ablauf der Postzustellung sorgen wolle.
Sebastian O. bezeichnet Beziehung zur Freundin als „krank“
Sebastian O. gab an, am Tatabend mit seiner Freundin in besagtem Keller in Streit geraten zu sein, was bei den beiden nicht selten der Fall sei. Mehrfach bezeichnete er die Beziehung zu seiner Freundin als „krank“.
Sie hätten Alkohol in rauen Mengen getrunken und auch Drogen konsumiert. Im Laufe der verbalen Auseinandersetzung habe man sich unmerklich in den Hausflur bewegt. Als der Streit weiter eskalierte, sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Hausbewohner seien daraufhin auf den Streit aufmerksam geworden und hätten eingegriffen, was später wiederum durch Zeugen bestätigt wurde.
Anschließend habe O. das Haus verlassen und sei zunächst ziellos durch die Gegend gelaufen. Hierbei sei ihm zufällig ein leerer Kanister in die Hände gefallen. Er sei damit zur nächsten Tankstelle und habe ihn dort befüllt. Anschließend sei er zurück zum Haus und habe den Kanister in den Hausflur geworfen. Danach habe er sich wieder vom Gebäude entfernt
O.: „Immer, wenn ich einen Ort gefunden habe, hat sie ihn angezündet.“
Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Kelm, warum er den Kanister in den Hausflur geworfen habe, antwortete er, er habe seine Freundin provozieren wollen. Daraufhin holte der Angeklagte weiter aus und erklärte, dies sei nicht das erste Mal gewesen, dass seine Freundin ihm etwas kaputt gemacht habe. „Die Beziehung war krank. Sie hat alles kaputt gemacht, was ich hatte“, übersetzte der Dolmetscher.
So soll er zwei Wohnungen durch ihr Dazutun verloren haben. Als er von zwei Gartenlauben berichtet, in denen er als Obdachloser Unterschlupf gefunden hat, wird es pikant. Denn O. behauptet laut Übersetzung: „Immer, wenn ich einen Ort gefunden habe, hat sie ihn angezündet.“
So sei mindestens eine der beiden Gartenlauben in Flammen aufgegangen. Außerdem behauptet der Angeklagte, seine Freundin habe ihm im Vorfeld der Tat schon gedroht. „Ich tue was, damit Du hier nicht mehr wohnen kannst“, soll sie ihm gegenüber geäußert haben.
Schwere Vorwürfe gegen die eigene Lebensgefährtin
Auch beim Verlust der Wohnungen sei zumindest in einem Fall ein Brandereignis ausschlaggebend gewesen. Die Lebensgefährtin habe an der Haustür einen Regenschirm angezündet, obwohl er im Dachgeschoss gewohnt habe. Nach dem Anlass des vorangegangenen Streites befragt, gab er an, sich nicht recht erinnern zu können, aber es sei bei den beiden normal gewesen, sich in betrunkenem Zustand zu streiten. Wenn seine Freundin Alkohol trinke, drehe sich etwas bei ihr im Kopf, so der Angeklagte.
Er habe den Kanister lediglich in den Hausflur geworfen, um sie zu provozieren. Anschließend habe er sich entfernt und auch nicht gesehen, dass ein Feuer ausgebrochen sei. Er könne sich nur vorstellen, dass seine Freundin das Benzin entzündet habe.
Zeugin bestätigt, wegen Brandlegung vorbestraft zu sein
Im Anschluss an Sebastian O. bekam die 31-jährige Freundin Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Auch sie gab an, derzeit ohne festen Wohnsitz zu sein, aber über eine Meldeadresse bei der Diakonie zu verfügen.
Sie bestätigte den starken Alkohol- und Drogenkonsum am Tatabend. Sie räumte ein, wegen des erwähnten Brandes zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden zu sein.
Nach ihrem damaligen Beweggrund befragt, antwortete die Zeugin: „Ich wollte ihm seinen Schlafplatz wegnehmen.“ Des Weiteren habe sie einmal im Zuge eines Streites sein Dienstfahrzeug mit einer herumliegenden Metallstange demoliert. Sie habe hierfür den Sachschaden bezahlt. Weitere Konsequenzen habe es nicht gegeben.
Den Angeklagten bezeichnete sie als ihren Lebenspartner, eigentlich habe man ein gutes Verhältnis, auch wenn die Verständigung manchmal schwer falle. Sie sei derzeit sogar schwanger, es kämen jedoch zwei Personen als Vater in Frage.
Diffuse Aussage über bisher unbekannten Begleiter der Zeugin
Sobald Alkohol ins Spiel käme, wären Probleme in der Beziehung der beiden vorprogrammiert. Sie selbst trinke seit dem damaligen Vorfall keinen Alkohol mehr. An die Geschehnisse habe sie nur noch vage Erinnerungen. Sie bestätigte den Streit, die Eskalation und das Eingreifen von Hausbewohnern. Nachdem sich die Situation aufgelöst hatte, habe auch sie sich vom Gebäude entfernt und sei durch die Gegend gezogen. Sie habe nichts von einem Feuer mitbekommen.
Als sie einen Anruf von einem Freund erhalten habe, habe sie sich mit ihm getroffen. Dieser Freund sei Mitarbeiter eines Gebäudewachdienstes und hätte sie auf seiner abendlichen Arbeitstour mitgenommen. Allerdings war sie sich schon beim Namen nicht mehr sicher.
Sowohl Gericht als auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollten mehr über den Begleiter erfahren und fragten nach Kontaktdaten, um ihn als potentiellen Zeugen vorladen zu können. Doch Zeugin D. konnte keine weiteren Angaben machen. Sie habe in den letzten Monaten mehrmals ihr Handy verloren und müsse erst nach seiner Nummer suchen.
Bewohner*innen wurden durch Rauchmelder auf das Feuer aufmerksam
Allgemein fiel es der Zeugin schwer, sich zu erinnern. Richter Kelm half ihr auf die Sprünge, indem er ihr Teile ihrer polizeilichen Aussagen vorlas. Daraufhin bestätigte sie, der Angeklagte habe sie an dem Abend mit den Worten: „Ich hole Kanister und stecke an“, bedroht. Im Anschluss an ihre Befragung wurden noch weitere Zeugen angehört. Unter ihnen mehrere Bewohner des Hauses Mallinckrodtstraße 276.
Der als Hausmeister für das Gebäude zuständige Zeuge M. bestätigte, mit einem weiteren Bewohner in den Streit des Paares eingegriffen zu haben. Der Mann sei stark alkoholisiert gewesen und habe beim Versuch, seine Frau zu schlagen, leicht den Hausmeister erwischt, woraufhin dieser ihn aus der Haustür geschoben hätte. Vorher habe er das Paar mehrfach freundlich gebeten, das Haus zu verlassen.
Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass sich Obdachlose im Keller eingerichtet hatten, aber als er sich mit dem anderen Bewohner um die Frau gekümmert habe, habe sie den beiden die Schlafstelle gezeigt. Es sei ein mit alten Möbeln vollgepackter, ungenutzter Kellerraum gewesen. Neben einer Matratze habe mindestens eine Flasche Wodka auf dem Boden gestanden.
Er habe sofort gemeinsam mit seinem Nachbarn einen schweren Riegel vor den Kellerraum genagelt. Als er später dann wieder in seiner Wohnung gewesen sei, hätten plötzlich die Rauchmelder Alarm geschlagen. Er habe die Wohnungstür geöffnet, aber die Rauchentwicklung sei zu stark gewesen, um das Gebäude über das Treppenhaus zu verlassen. Man habe hier keine Flammen erkennen können. Als er sich jedoch zum hinteren Fenster begeben habe, habe er gesehen, dass Flammen durch die Kellertür schlugen.
Beamter der Feuerwehr Dortmund spricht von ungewöhnlichem Brandereignis
Die starke Rauchentwicklung wurde von mehreren Hausbewohner*innen bestätigt. Auch sie seien durch die Rauchmelder aufmerksam geworden. Ein Beamter der Dortmunder Feuerwehr untermauerte diese Aussagen und erklärte bei Ankunft der Feuerwehr, sei ein Mann an einem Fenster in den oberen Etagen des Hauses in kritischen Zustand gewesen, man habe ihn jedoch glücklicherweise mittels Drehleiter retten können.
Interessant an der Aussage des Beamten war, dass ein ungewöhnliches Merkmal den Brand auszeichnete. Man habe keinerlei Glutnest oder Brandrückstände im Flur ausmachen können, dieser sei komplett leer gewesen. Es hätte nichts da gestanden, was hätte brennen können. Dies komme in der Regel nur dann vor, wenn ein Feuer besonders lang und intensiv gebrannt habe, ansonsten müsse man zu dem Schluss gelangen, dass der Brand durch einen flüssigen oder gasförmigen Stoff ausgelöst worden sei. Die Verhandlung wird am 29. Juni fortgesetzt. Mindestens ein weiterer Termin wird noch folgen, bevor ein Urteil zu erwarten ist.