Dortmund ist eine Stadt der Versicherungen – mit Signal Iduna, Continentale, Volkswohlbund und der BIG sitzen hier gleich vier Hauptverwaltungen. Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt nicht nur dort nachhaltig verändert – vielerorts wurde von „jetzt auf gleich“ massiv das Thema Homeoffice forciert. Ein Zurück zur dauerhaften Präsenzarbeit in großen Büros scheint angesichts der Wünsche der Beschäftigten kaum denkbar und das „Experiment Homeoffice“ gilt als erfolgreich. Das geht zumindest aus einer bundesweiten Studie der Fachhochschule Dortmund unter der Leitung von Prof. Dr. Matthias Beenken im Auftrag der Versicherungswirtschaft nahestehenden „NAG“ hervor.
1300 Arbeitnehmer*innen aus der deutschen Versicherungsbranche wurden befragt
Noch Anfang des Jahres 2020 war die Einstellung zum Homeoffice bei Beschäftigten wie auch bei Vorgesetzten vielfach negativ. Inzwischen können sich fast 90 Prozent der Beschäftigten vorstellen, zumindest teilweise weiterhin zuhause zu arbeiten.
Für die Studie hatte die NAG etwa 1300 Arbeitnehmer*innen der deutschen Versicherungsbranche befragt. Da es sich vorrangig um Mitarbeiter*innen im Innendienst handelt, seien die Ergebnisse auch auf Verwaltungen anderer Branchen übertragbar, sagt Prof. Dr. Matthias Beenken vom Fachbereich Wirtschaft der FH Dortmund.
Beenken hat die Untersuchung gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Radtke und FH-Dortmund-Absolventin Jessica Michalczyk durchgeführt hat. Die Studie zeigt auf, warum sich die Haltung zum Homeoffice verbessert hat und wo noch Handlungsbedarf besteht.
Während der Pandemie stieg der Homeoffice-Anteil von 28 auf bis zu 90 Prozent
Die Einstellung zur Arbeit am heimischen Schreibtisch hat sich besonders bei den Beschäftigten positiv entwickelt, die durch Corona vorrangig zuhause gearbeitet haben. Und das waren viele. Haben zuvor knapp 28 Prozent der Beschäftigten mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbracht, waren es während der Pandemie bis zu 90 Prozent.
Der Wunsch nach Homeoffice wächst laut Studie mit der täglichen Fahrzeit ins Büro. „Beachtlich ist der hohe Anteil an Pendlern mit weiten Wegen“, sagt Prof. Dr. Matthias Beenken. Fast 44 Prozent der Befragten haben durch Homeoffice täglich mindestens eineinhalb Stunden Zeit gespart.
Zudem fällt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf leichter, wenn flexibel über den Arbeitsort entschieden werden kann. „Den Beschäftigten ist dabei wichtig, selbst zu bestimmen, wann sie zuhause arbeiten und wann nicht“, betont Professor Beenken.
Trennung von Arbeit und Freizeit als eines der Hauptprobleme
Auch die heimischen Arbeitsbedingungen beeinflussen die Haltung zum Homeoffice. Wer keinen ruhigen Raum, keinen separaten Tisch oder ungenügend Licht hat, will lieber zurück ins Büro. Gleiches gilt, wenn zuhause nicht die gewohnte Leistung erbracht werden kann. Ganz überwiegend haben die Befragten jedoch eine Produktivitätssteigerung im Homeoffice erlebt.
Nachholbedarf besteht beim Thema arbeitsschutzkonformes Mobiliar, aber auch bei der Trennung von Arbeit und Privatem im Homeoffice. Fast drei Viertel der Befragten haben eine Entgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit wahrgenommen.
Es erscheint verlockend, „mal eben“ – außerhalb der Arbeitszeit – Berufliches zu erledigen, wenn der Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung liegt. Laut Prof. Dr. Matthias Beenken ist es notwendig, die Selbstdisziplin der Beschäftigten zu stärken, um zumindest eine mentale Grenze zwischen Job und Privatem zu erhalten. Die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber ende nicht mehr an der Bürotür, so der Wissenschaftler der FH Dortmund.
Hier gibt es die Studie als PDF-Download: NAG-Homeoffice-Studie