Der Komplex gehört(e) zu den größten Problemimmobilien der Nordstadt. Nach jahrelangen Verhandlungen gelang es der Stadt, den Gebeäudekomplex zu kaufen. Als erste Maßnahme platzierte sie das Ordnungsamt in die frühere Apotheke. Mittlerweile ist das Gebäudeensemble an der Ecke Nordmarkt und Mallinckrodtstraße ein Vorzeigeprojekt. Ein Grund ist u.a. das Engagement des gemeinnützigen Viertelwerks. Es hat nicht nur die Immobilie saniert, ohne die bisherigen Mietparteien zu verdrängen, sondern auch bezahlbaren Wohnraum und sogar eine Kita geschaffen. Sie feierte jetzt offiziell Eröffnung.
Bei der neuen Kita stehen schon 100 Kinder auf der Warteliste
Die neue Kindertagesstätte in der Nähe des Nordmarktes wird vom städtischen Eigenbetrieb FABIDO betrieben. Am Mittwoch (14. Februar) wurde sie offiziell von Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal eröffnet.
Er verwies darauf, dass das Wohngebiet sehr verdichtet ist und besonders viele Kinder hier leben. Es sei daher notwendig gewesen, einen weiteren Kindergarten zu eröffnen. Westphal gefielen die erfolgten Umbauten – die Kita könne sich sehen lassen.
Doch auch damit ist der Bedarf an Plätzen weiterhin nicht gedeckt. Momentan stehen rund 100 Kinder auf der Warteliste. Die Kinder sind größtenteils aus der Nachbarschaft, viele von der Schleswiger Straße und dem Borsigplatz, berichtet Kita-Leiterin Nicole Walkenhorst.
Die Kita ist beim Deutschlernen ein wichtiger Baustein
Dass sie alle zum Zuge kommen, ist mehr als unwahrscheinlich: Die neue FABIDO-Kita hat zwei Gruppen für 40 Kinder von zwei bis sechs Jahren. Es gibt insgesamt sechs Fachkräfte und eine Mitarbeiterin, die sich um das Catering kümmert. Die Kinder werden von 7 bis 16 Uhr betreut.
Nicole Walkenhorst erinnerte daran, dass das Gebäude früher mit vielen Problemen behaftet gewesen sei, „Aber daraus ist jetzt eine kleine Perle geworden.“ Die Bewohner:innen des Hauses sowie die Nachbarschaft hätten sehr positiv und interessiert auf die Kita reagiert. Auch das Kind des Hausmeisters besucht jetzt den Kindergarten.
Phan Kienbac ist froh, dass seine Tochter Nina einen der begehrten Plätze bekommen konnte. Die Familie wohnt der in der Bergmannstraße. Nina ist erst vor wenigen Monaten nach Deutschland gezogen und kann dank des Kindergartens bereits sehr gut Deutsch.
Auch Toma Alexander, die in der Schützenstraße wohnt, ist sehr glücklich darüber, dass ihre beiden Kinder hier einen Kitaplatz bekommen haben. Viele Nachbar:innen hatten sich vergeblich darum bemüht, ihren Nachwuchs in der neuen Einrichtung anzumelden.
Durch den frühen Besuch einer Kita steigen die Bildungschancen
Doch ist eine Kita in einem „Brennpunkt“ eher ein Vor- oder Nachteil? Für die Erzieherin und stellvertretende Kita-Leiterin Irene Polster ist die Antwort einfach.
Mit einem Lächeln und strahlenden Augen macht sie deutlich, dass es nur Vorteile gibt. „Die Kinder sprechen zwar am Anfang nicht so gut Deutsch, aber sie lernen umso schneller. Außerdem wird die Zusammenarbeit mit den Kindern hier mit Dankbarkeit angenommen“, lautet ihre durchweg positive Einschätzung.
„Wir freuen uns sehr über die neu geschaffenen 40 Plätze für Kinder, als größter Träger von Kitas in Dortmund ein weiterer Erfolg, auf dem Weg den städtischen Auftrag zu erfüllen“, ergänzt FABIDO-Geschäftsführer Daniel Kunstleben.
„Und wissenschaftliche Studien belegen: Durch den frühen Besuch einer Kita steigen die Bildungschancen – Sprachentwicklung, soziales Miteinander und Lernvermögen werden gestärkt“, so Kunstleben.
Das gemeinnützige Viertelwerk hat rund 8,8 Millionen Euro investiert
Schwerpunkte der pädagogischen Arbeit werden Inklusion und eine vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung sein: Die Kinder sollen ihre eigenen Erfahrungen mit Vielfalt machen können und angeregt werden, über Gerechtigkeit kritisch nachzudenken.
Die Kita legt Wert auf eine intensive Sprachförderung und eine enge Zusammenarbeit mit Erziehungs- und Netzwerkpartner:innen vor Ort.
Problematisch ist das Gebäude, in dem die neue Kita untergebracht ist, schon lange nicht mehr: Das gemeinnützige Viertelwerk hat rund 8,8 Millionen Euro investiert – rund zwei Millionen Euro davon in die Kita, berichtet Geschäftsführer Andreas Koch. Im Januar 2022 wurde mit der Entkernung des Bestandsgebäudes Mallinckrodtstraße 57 begonnen.
Für die Kita wurde auch ein Spielplatz im Innenhof gebaut
Das Viertelwerk sanierte in den oberen Etagen Wohnungen, im barrierefreien Erdgeschoss des Gebäudes befindet sich nun die Tageseinrichtung. Sie konnte nach Ende der Bauarbeiten im Januar in den Betrieb gehen. Die nutzbare Nettogrundfläche beträgt 535 Quadratmeter.
Ein Anbau macht etwa 50 Prozent der Grundfläche der Kita aus. Sein Dach wurde begrünt, um vor Hitze besser gewappnet zu sein. Außen gibt es eine Spielfläche von 450 Quadratmetern im geschützten Innenhof.
Die Kinder können sich hier ausprobieren und toben – etwa auf einem kleinen Bolzplatz, einer Doppelschaukel, einer Wasserbaustelle aus Holz und Naturstein oder auf einem Kletterhaus. Innen bieten helle, farbenfrohe Gruppenräume und ein Bewegungsraum den Kindern die Chance, sich altersgemäß zu entwickeln.
Sanierung der Immobilie als Qualifizierungsprojekt
In der Nordstadt gab es viele Problemimmobilien. Ihre Zahl wurde in den vergangenen zehn Jahren aber mehr als halbiert. Es gelang, die meisten Gebäude in die Hand von zuverlässigen Eigentümer:innen geben.
Zu ihnen zählt das gemeinnützige Viertelwerk, eine Tochter der GrünBau gGmbH. Sie hat schrittweise die Gebäude saniert – bis zum Sommer sollen alle Gebäudeteile fertig saniert sein.
Das Bauvorhaben ist aus mehreren Gründen besonders: Der Umbau der Immobilie wurde u.a. in der bewährten Zusammenarbeit mit Tempel Bau und anderen Unternehmen als Qualifizierungsmaßnahme für Jugendliche ohne Berufsausbildung bzw. für Langzeitarbeitslose durchgeführt. Das hat das Unternehmen im Zusammenspiel mit der Stiftung Soziale Stadt auch schon bei anderen – aber teils deutlich kleineren – Problemimmobilien geschafft.
Die früheren Mieter:innen aus der Roma-Community konnten bleiben
Das besondere bei den Aktivitäten des Viertelwerks ist, dass die früheren Bewohner:innen in diesem großen Gebäudekomplex nicht verdrängt wurden. Zuletzt hatten nur noch rumänische Roma-Familien das völlig marode Gebäude bewohnt.
Es war allerdings nicht wegen der Roma eine Problemimmobilie. Die schrottreife Immobilie, in deren Erdgeschoss sich zuletzt nur noch dubiose Cafés und Geschäfte befanden, wo es mehrfach zu Einsätzen von Polizei, Ordnungsamt und Zoll gekommen war, war auf dem normalen Wohnungsmarkt nicht mehr zu vermarkten.
Nur Roma, die auf dem regulären Wohnungsmarkt kaum eine Chance bekommen, zogen hier in die oberen Etagen zu teils horrenden Mieten ein. Für die Kernsanierung mussten die Wohnungen allerdings geräumt werden.
Viertelwerk schafft eine gute sozale Mischung im Gebeäudeensemble
Jedoch wurden die Gebäude nacheinander saniert, so dass immer nur ein Teil der Familien ausziehen musste. Dem Viertelwerk gelang es, für sie alternative Wohnungen zu finden. Nicht alle ursprünglichen Bewohner:innen sind allerdings zurück gekehrt.
Das war auch so gewollt: Zum einen sind die Familien in den alternativ angebitenenen Wohnungen glücklich, zum anderen wollte das Viertelwerk eine bessere soziale Mischung erreichen, berichtet Geschäftsführer Andreas Koch. In dem Gebäudekomplex gibt es mitterweile die „nordstadttypische Mischung“ aus einer Vielzahl von Nationalitäten und Kulturkreisen. Dies zeigt sich auch in der Kita.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!