Emschergenossenschaft präsentiert Weltpremiere vom Mitmach-Weinberg

„Es gibt jetzt’nen Roten“: Der erste Emscher-Rotwein aus Dortmund-Barop heißt „Cabaret Noir“

„83,1“ ziert das Label des ersten Dortmunder Rotwein. Gemeint ist damit die Länge der Emscher.
„83,1“ ziert das Label des ersten Dortmunder Rotweins. Gemeint ist damit die Länge der Emscher. Foto: Christine Schube

Von Sandy Danneil

Der ökologische Weinbau als Mitmach-Initiative entlang der renaturierten Emscher trägt inzwischen sanfte Früchte. Seit über zehn Jahren hauchen engagierte Hobbywinzer:innen mittelalterlichen Traditionen wieder neues Leben ein. Unter der professionellen Anleitung von Tina Krachten, Diplomingenieurin für Weinbau und Önologie aus der Pfalz, werden seit 2012 Weinberge als Gemeinschaftsprojekt in Dortmund, Herne und Castrop-Rauxel bewirtschaft. Nun präsentiert die Emschgenossenschaft ihre „Weltneuheit“. Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal verkündet: „Es gibt jetzt‘ nen Roten!“

„Cabaret Noir“ ist eine echte Dortmunder Handarbeit

Eine Einladung zu einer Verkostung eines Dortmunder Weins ist etwas ganz besonderes. Seit 2012 die ersten 98 Reben am Dortmunder Phönixsee gepflanzt wurden, hat es nur wenige solch rarer Tastings gegeben. Und wer dies verpasst, wird es schwer haben in den Genuss des neuen „Emscherblutes“ zu kommen. Weder Rot- noch Weißwein gehen in den kommerziellen Verkauf – dafür sind es bisher einfach zu wenig Trauben.

Die Hobbywinzer:innen sind stolz auf ihre Arbeit.
Die Hobbywinzer:innen sind stolz auf ihre Arbeit. Foto: Christine Schube

Die etwa 420 Reben des Hobby-Weinbergs am Baroper Rüpingsbach liegen eingebettet in ein sonnengeflutetes Naturschutzgebiet. Anlässlich der Präsentation einer Weltpremiere, denn das ist die Trauben-Rarität, hatten nur handverlesene Gaumen das Vergnügen, eine echte Dortmunder Handarbeit zu probieren.

Weinkenner:innen wird interessieren, dass der neue Dortmunder Rotwein der Sorte Cabaret Noir eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und einer Amerikanerrebe ist. Diese neue Rotweinsorte stammt ursprünglich aus der Schweiz und musste 2017 aus rechtlichen Gründen von „Cabernet Noir“ zu „Cabaret Noir“ unbenannt werden.

Bei der Traube handelt es sich um eine pilzwiderstandsfähige, hybride Rebsorte. Sogenannte „PiWi-Weine“ erfreuen sich bei jungen Winzer:innen einer immer größeren Beliebtheit, weil sie laut der Organisation PIWI International „attraktive und nachhaltig produzierte Weine aus Rebsorten mit Resistenzeigenschaften“ sind.

420 Reben mit PiWi-Trauben stehen am Rüpingsbach in Dortmund-Barop
420 Reben mit PiWi-Trauben stehen am Rüpingsbach in Dortmund-Barop. Foto: Christine Schube

Doch obwohl man ihnen eine besondere Widerstandsfähigkeit gegenüber unwillkommenen Rebkrankheiten wie Pilzbefall, Echtem und Falschem Mehltau oder einem Angriff der Kirschessigfliege nachsagt und sie zudem den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Sinne des Naturschutzes und ökologischen Weinbaus auf ein Minimum reduzieren, stellte das Weinbau-Jahr 2021 die Hobbywinzer:innen am Baroper Rüpingsbach vor schwierige Herausforderungen.

Geerntet werden mussten die roten Trauben in selektiver Handlese – eine sowohl arbeitsintensive wie zeitaufwendige Form der Ernte –, denn die Trauben wiesen sämtliche der oben genannten Krankheiten auf. Die schwierigen Bedingungen führten daher zu einem eher geringen Ertrag. Laut einer Helferin ergab die Ernte nur etwa 40 bis 50 Flaschen, die einen Genuss über die Verkostungsgrenzen hinaus schlicht verunmöglicht.

Der Ruf des Weins in der Bierstadt Dortmund: „Das Beste am Wein, ist das Pils danach“

Auftakt der Veranstaltung zur Verkostung machte die bei der Emschergenossenschaft beschäftigte Winzerin Tina Krachten flankiert von dem Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal, dem Ratsvorsitzenden der Emschergenossenschaft und OB der Stadt Herne, Dr. Frank Dudda, sowie dem Vorstandsvorsitzenden der Emschergenossenschaft, Prof. Dr. Uli Paetzel. „Früher hat man immer gesagt, das Beste am Wein ist das Pils danach“, ergreift OB Westphal das Wort. „Aber es ist immer gut, wenn es viele Rote gibt.“ Der SPD-Politiker macht den Gästen mit seiner Metapher direkt zu Beginn deutlich, mit welchen Hindernissen ein Rebensaft aus Dortmund rechnen muss: Rotwein ist kein Bier, aber zumindest die Farbe stimmt.

Stießen gemeinsam auf „den Roten“ an (v.l.): Thomas Westphal (OB Dortmund), Winzerin Tina Krachten, Prof. Dr. Uli Paetzel (Chef der Emschergenossenschaft) und Dr. Frank Dudda (EG-Ratsvorsitzender und OB der Stadt Herne). Dr. Sandra Danneil

Dabei kann sich die Qualität des 2021er Cabaret Noir ebenso schmecken lassen wie die des 2022er Weißweins „Neues Emschertal“ vom Phönixsee. „Unsere Helferinnen und Helfer waren immer eine Inspiration“, meint Frank Dudda und fügt hinzu: „Inzwischen haben wir über 100 Hobbywinzer gewonnen, die zum Gelingen des Weins beigetragen haben. Mit ihnen kriegen wir immer alles irgendwie hin.“

Ulrich Pätzel von der Emschergenossenschaft berichtet, dass Interessierte auch herzlich zu den Mitmachaktionen eingeladen sind, die zur Zeit rund um den 1,3 Hektar großen Weinberg in Castrop-Rauxel stattfinden. Mit rund 7000 Reben, die in dem neuen Natur- und Wasser-Erlebnispark in den Emscher-Auen angepflanzt wurden, wird jede helfende Hand gebraucht.

Eine Helfer:in, die anonym bleiben möchte, bedauert es, dass ihnen außer den warmen Dankesworten bisher keine gesonderte Anerkennung zugekommen ist: „Wir haben nicht mal eine Flasche des Weins zum Dank bekommen“, heißt es hier. Nichtsdestotrotz genießt sie den Zusammenhalt im Team. „Ich bin seit über einem Jahr dabei und es macht großen Spaß – ich habe schon sehr viel über das Winzern lernen dürfen.“ Ein Wermutstropfen, bedenkt man, dass die Weinseminare kostenlos sind.

Die Mitmach-Weinberge an der Emscher sind aus der Initiative „Mach mit beim Fluss!“ entstanden. Damit bietet die Emschergenossenschaft eine ganze Reihe an Möglichkeiten für soziales Engagement und bürgerliche Teilhabe – auch um mit der sogenannten „Allmende“ eine mittelalterliche Tradition der gemeinschaftlichen Flächennutzung wiederzubeleben.

Professionelle Anleitung für die Bewirtschaftung des Weinbergs in Barop bietet Tina Krachten selbst. Termine finden Interessierte zum Beispiel in einem Glaskasten unmittelbar am Wegesrand des Weinbergs am Rüpingsbach (oder am Ende des Artikels). In den Workshops der Winzerin Krachten geht es zum Beispiel um den richtigen Rebschnitt, wie man Drahtrahmen repariert oder Rebsorten voneinander unterscheidet. Für eine Teilnahme sind außer einer entsprechenden wettertgerechten (Arbeits-)Kleidung keine gesonderten Vorkenntnisse erforderlich. Interessierte können einfach vorbeikommen oder vorab per Mail mit der Winzerin Tina Krachten Kontakt aufnehmen.

Cabaret Noir ist echter Trendsetter – Roter Pet Nat von der Emscher

Nach Setzung der Reben im Jahr 2018 wurden die Trauben in traditioneller Maischegärung weiterverarbeitet. Nach einer etwas längeren Reifezeit in Pfälzer Fässern rechnete Winzerin Krachten mit einem „ausgewogenen Rotwein mit reifer Frucht und der typischen, feinen Würzigkeit“ eines roten Cabernet. Allerdings ist bei der Gärung etwas schiefgelaufen, da dieser Vorgang in der Flasche einfach nicht aufgehört hat. Was das erwählte Publikum zu goutieren bekam, überraschte Winzerin wie Gäste. Beim Öffnen des Drehverschlusses sorgte die in der Flasche entstandene Kohlensäure dafür, dass die Gärung aus einem Stillwein etwas gezaubert hat, das „moussiert“ und das Kenner:innen als „Pétillant Naturel“ bezeichnen.

„Neues Emscherblut“ gibt es nicht im Handel Foto: Christine Schube

Der in der Naturweinszene extrem angesagte Pétillant Naturel (kurz: Pet Nat) hat seine Bezeichnung aus dem Französischen, die für „natürlich perlend“ steht. Damit sind Schaumweine gemeint, deren Perlage, ähnlich wie beim Champagner, das gewünschte Ergebnis der Flaschengärung ist. Was auf Basis der im Fachjargon als „Méthode Rurale“, eine der ursprünglichsten Formen der Flaschengärung, herauskommt, ist ein oft trockener Schaumwein mit feiner Trübung.

Seine Aromatik ist meist duftig bis exotisch und kann von Flasche zu Flasche variieren. Allerdings muss seine Abfüllung in druckstabilen Flaschen geschehen. Der noch gärende Most kann sonst zu explosiven Überraschungen führen. So ungefähr muss es dem Dortmunder Rotwein nach seiner Abfüllung ergangen sein.

Während die Gäste es anschließend vorziehen, die geschmacklichen Entwicklungen des jüngsten 2022er-Jahrgangs des Weißweins „Neues Emschertal“ vom Phoenix-See zu verkosten, entgeht den meisten, dass Tina Krachten gemeinsam mit ihrem Team aus engagierten Hobbyweinbauer:innen einen echten Trend gesetzt hat.

Anja Göttke, die mit ihrem Start-up Weinrevier Tastings z.B. mit Naturweinen anbietet, meint dazu auf Anfrage, dass es ohne Missgeschicke, keine Innovation geben kann: „Der Dortmunder Cabaret Noir aus Barop ist die Avantgarde des Dortmunder Weinbaus“, lautet ihre professionelle Meinung. In diesem Fall sollten wir es mit Goethe halten, der wusste: „Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.“ Ob das Leben aber lang genug ist, um genug „83,1“-Emscherwein für Alle herzustellen, weiß wohl nur Dionysos.

Kommende Termine am Mitmach-Weinberg in Barop (immer ab 15 Uhr):

  • 30. Juni 2023: Pflanzenschutz
  • 28. Juli 2023: Reberziehung im Jungfeld
  • 18. August 2023: Qualitätssteigerung im Weinberg
  • 15. September 2023: Ampelografie: Rebsorten erkennen
  • 13. Oktober 2023: Weinlese
  • 10. November 2023: Kontrolle der Reparaturarbeiten
  • 8. Dezember 2023: Gemütliches Treffen zum Saisonende

Kontakt zu Winzerin Tina Krachten: tina.krachten@gmx.de

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