Von Claus Stille
Bereits das fünfte Mal in diesem Jahr konnte der Verein Africa Positive e. V. im Rahmen des Projektes „Erzähl mal, wie du es geschafft hast!“ einen interessanten Gast begrüßen. Jetzt reiste das Mitglied des Deutschen Bundestages, Dr. Karamba Diaby (SPD), aus seinem Wahlkreis Halle an der Saale nach Dortmund.
Ansatz von Africa Positive e. V., : Über Vorbilder zu Inspirationen
Das Projekt stellt Kindern und Jugendlichen Menschen mit Migrationshintergrund vor, die als Vorbilder dienen und ihnen zu Inspirationen – was eigene Lebensperspektiven betrifft – verhelfen können.
Eingeladen waren überdies ebenfalls Dortmunder Hauswirtschaftsmeisterinnen, die sich anschließend an den Vortrag Karamba Diabys mit den Vertreterinnen des Afrikanischen Frauennetzwerkes Dortmund zwecks interkulturellen Austausches trafen.
Veye Tata, rührige Vorsitzende von Africa Positive e. V., begrüßte den 1961 in Marsassoum/Senegal geborenen Gast. Moderiert wurde die Veranstaltung von Julia Rumi, Vorstandsmitglied von Africa Positive.
Karamba Diaby als Waisenkind an die Uni nach Dakar
Die Ausgangsbedingungen von Karamba Diaby waren denkbar schlecht: Die Mutter starb als er drei Monate alt war und der Vater, als Karamba sieben Jahre alt war. Aufgewachsen ist er bei der Schwester.
Schon zeitig war ihm klar, dass Schule und Bildung hochwichtig waren, um es im Leben zu etwas zu bringen. Nach Grund- und Sekundarschule machte er das Abitur, ging an die Uni in die Hauptstadt Dakar und studierte auf Lehramt.
Bereits dort engagierte sich studierende Diaby politisch in der Studentenbewegung, trat aktiv für bessere Bedingungen an der Uni ein. Eigentlich hätte ihm als Waisenkind ein staatliches Stipendium zugestanden. Bekommen hat er aber keines.
Glücklicherweise teilte ein Landsmann sein Stipendium solidarisch mit ihm. Dennoch war es schwer. Während andere Kommilitonen reicher Eltern selbst in der Mittagspause im klimatisierten Wagen von der Unitreppe abgeholt wurden, lief Karamba Kilometer in der sengenden Hitze.
Das empörte Karamba. Andere hatten Vorteile: „Nur weil der Papa reich war. Das wollte ich nicht auf mir sitzenlassen“. Ein wichtiger Rat an die anwesenden Jugendlichen: Trotz der Widrigkeiten des Lebens niemals aufgeben!
Stipendium: Auslandsstudium in der DDR als Chance
Über ein Auslandsstudium – die sozialistischen Länder vergaben damals Stipendien für Benachteiligte – kam Karamba Diaby 1985 in die DDR. Ankunftsdatum und Zeit weiß Diaby noch genau: „Es war zweite Oktober um 15 Uhr 15“ in Berlin.
Als gewünschte Studienfächer angekreuzt hatte der Senegalese Wasserwirtschaft, Elektronik und Landwirtschaft, als Studienort DDR. Beschieden wurde letztlich: Elektronik und DDR. Am Herder-Institut in Leipzig lernte Diaby neun Monate intensiv Deutsch. Zuvor konnte er nur zwei deutsche Worte: BMW und Bundesliga.
Schließlich studierte er Chemie. Es war ihm egal. Hauptsache ein Studium. Das begann und absolvierte Diaby an der Martin-Luther-Universität in Halle.
Engagement auch in der DDR, wo man aufpassen musste, was man sagt
Wieder ein Tipp an eingewanderte Jugendliche: „Die Sprache des Landes lernen, unter Leute gehen. Nicht nur unter sich bleiben! Mutig sein, unter Deutsche gehen! „Wenn man gesund ist, alle Möglichkeiten nutzen, sich beteiligen! Sich Verbündete suchen. Alleine schafft man nie etwas.“
Karamba tat das. In Leipzig besuchte er Studentenclubs und hat „mit Deutschen gequatscht“. Es half ihm sehr.
Die Menschen in Leipzig mochten Karamba, weil „der so niedlich“ spricht. Manchmal lachten sie ihn auch aus. Und er wusste: Da habe ich einen Fehler gemacht, das muss ich verbessern.
Wie war das in der DDR?, fragte Julia Rumi. Klar, so Karamba Diaby, war die DDR sozialistisch und man konnte nicht alles so frei sagen, nicht so rebellisch sein wie er in der Studentenbewegung Senegals. An der Uni Halle war er gewählter Sprecher des Internationalen Studentenkomitees.
Dennoch brachte er sich selbst dort ein und setzte auch in Halle Verbesserungen für die Kommilitonen, wie seine Teilnahme am Einlassdienst im Studentenclub durch. Machte sauber und wusch Gläser. Auch wenn andere afrikanische Studenten die Nase darüber rümpften.
Über das Vorbild Willy Brandt in die SPD und den Bundestag
Über Willy Brandt hatte Karamba Diaby ein Film gesehen. Dieser Mann beeindruckte ihn sehr. Und die SPD habe Gerechtigkeit von Gründung an auf ihre Fahnen geschrieben. „Willy Brandt hat das BAföG eingeführt.“
Als die SPD Halle dann den vielseitig in Vereinen und im Ausländerbeirat engagierten Mann fragte, ob er für sie für den Stadtrat kandidieren würde, kam er nach reiflicher Überlegung dazu in die Partei Willy Brandts einzutreten. Er arbeitete erfolgreich sieben Jahre als Stadtrat.
2013 wurde Dr. Karamba Diaby für die SPD in den Bundestag gewählt. Er ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Bildung Forschung und Technikfolgeabschätzung und stellvertretender Vorsitzender des Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.
Bildung steht an erster Stelle – Trotz Tiefpunkten: „Das Leben geht weiter“
Besonders wichtig ist Diaby das Thema Bildung: „Ohne Bildung ist man gar nichts.“ Vehement tritt der Hallenser Bundestagsabgeordnete für Chancengerechtigkeit im Bereich Bildung ein.
Jedem müsse in diesem Land – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern – die Möglichkeit gegeben werden sich je nach seinen Fähigkeiten bilden zu können.
Freilich müssten auch die Schüler Bildung ernst nehmen und die Eltern dies unterstützen. Auch die Mitarbeit in Vereinen sei empfehlenswert. „Doch die Schule hat Vorrang!“
Für Menschen mit Migrationshintergrund: „Die Kinder sollten von Anfang an Deutsch lernen.“ Dr. Diaby wollte nicht missverstanden werden: „Das schließt nicht aus, dass man seine Muttersprache zuhause spricht.“
Bei seinen zwei Kindern habe das nicht ganz so geklappt, räumt er ein. Er sprach mit ihnen auch Französisch. Sie fanden „das aber ein bisschen komisch“. Der Papa solle gefälligst Deutsch sprechen, forderten sie. Immerhin haben Tochter wie Sohn später das Fach Französisch gewählt.
Zu Bedenken gab am eignen Beispiel Karamba Diaby, dass es ihm Leben immer wieder Tiefpunkte gebe. Seines fing ja bereits damit an, Waisenkind geworden zu sein. Nach dem er 1994 die Doktorarbeit in der Tasche hatte wurde er arbeitslos. Es gehe halt auf und ab. „Das Leben geht weiter!“ Er arbeitete als Dolmetscher und dann für das Eine-Welt-Haus.
Auch beim Alltagsrassismus zwischen wesentlich und unwesentlich entscheiden
Auf Nachfrage nach Benachteiligungen wegen seiner Hautfarbe, sagte Diaby, dass es das freilich Alltagsrassismus gebe. Deshalb meide er nächtliche Diskobesuche. Aber es gelte, sich dagegen zur Wehr zu setzen.
Als ihn Taxifahrer einmal im verschneiten Magdeburg nicht befördern wollten, unterließ er eine Beschwerde. Atmete tief durch und zog einen Koffer hinter sich her durch den Schnee zur Staatskanzlei. Er wollte ja nicht zu spät kommen.
Es heißt ja immer: „Afrikaner verspäten sich immer.“ Ein Rezept fürs Handeln hat er nicht: „Ich entscheide zwischen „wesentlich“ und „unwesentlich“.
Die Reihe bei Africa Positive hat Vorbilder im Fokus. Karamba Diabys frühes, bleibendes Vorbild war ein sehr freundlicher und stets hilfsbereiter Krankenpfleger in seiner Heimat. Als Waisenkind habe dieser ihn immer besonders behandelt.
Erfahrungsaustausch mit Kindern und Jugendlichen: „Mischt euch ein!“
Nach einer Kaffeepause kam es zu einem Erfahrungsaustausch mit den Kindern und Jugendlichen. Einige nannten ihre Vorbilder. Kofi Annan wurde genannt. Für ein Mädchen war die Mutter Vorbild, die trotz Schwierigkeiten beider Leben meisterte.
Ein junge Frau, die einst als Kind mit der Mutter, aus dem Kongo kommend, in Halle aufwuchs und heute engagierte und begeisterte Assistenzärztin in einem Wuppertaler Krankenhaus ist, machte anderen Mut, sich anzustrengen.
Karamba Diaby appellierte an die junge Generation alle Möglichkeiten des Landes unbedingt zu nutzen. „Mischt euch ein!“ Er selbst habe nie auf eine Einladung gewartet, sondern sei immer auf die Leute zugegangen.
„Geht in Bürgerinitiativen, in Vereine, zum Technischen Hilfswerk, zur Feuerwehr oder in Jugendorganisationen von Parteien – werdet Teil dieser Gesellschaft!“, rief Dr. Diaby den jungen Leuten zu.
Mehr Menschen mit Migrationshintergrund müssen sich in die Politik einmischen
Im Verlaufe der Gespräche machte Karamba Diaby keinen Hehl daraus, dass er den Rechtsruck in Europa, einhergehend mit dem Erstarken der AfD hierzulande, für besorgniserregend hält. „Das ist kein Zufall. Es gab eine demokratische Wahl!“
Deshalb müssten sich eben mehr Menschen mit Migrationshintergrund in die Politik einmischen: Stimmung gegen Flüchtlinge, Muslime und Schwarze werde gemacht. Komme die AfD an die Macht „dann sind wir die ersten die dran sind!“
Karamba Diaby will die Sorgen mancher AfD-Wähler durchaus ernst nehmen: „Doch in der AfD werden auch völkische und rassistische Meinungen vertreten!“
Dr. Diaby: „Beteiligen Sie sich, arbeiten sie politisch mit! Gehen Sie in Organisationen. Nehmen Sie die deutsche Staatsbürgerschaft an. Lassen Sie nicht zu, dass über ihren Kopf hinweg bestimmt wird.“
Junge Menschen können als Multiplikatoren in unsere Gesellschaft hineinwirken
Vorbilder sind wichtig. Dieser Vormittag und die Veranstaltung „Erzähl mal, wie du es geschafft hast!“ lieferte abermals eines dieser Vorbilder.
Dr. Karamba Diaby aus Halle an der Saale verstand es sehr humorvoll und am eigenen Werdegang eindrucksvoll zu schildern, worauf es ankommt, um im Leben voranzukommen. Das machte gewiss einigen der anwesenden Kinder und Jugendliche Mut, selbst etwas ins Werk zu setzen.
Und im besten Falle werden diese jungen Menschen mitten in unserer Gesellschaft als Multiplikatoren wirken, um auch anderen Altersgenossen Mut zu machen, sich mehr als bisher einzumischen.
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