Von Thomas Engel
Anderthalb Wochen ist es her, dass Intown, Eigentümerin der Problemimmobilie Hannibal II, eine vollständige Schließung des Gebäudekomplexes in Dorstfeld zum 16. Februar angekündigt hat. Nachdem der Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V. am Dienstag (30. Januar 2018) einen ersten Erfolg durch das Erwirken einer einstweiligen Verfügung beim Amtsgericht Dortmund gegen dieses Vorhaben verbuchen konnte, soll nun der Druck auf die Eigentümergesellschaft erhöht werden. So verlautete es auf einer MieterInnen- bzw. Ex-BewohnerInnen-Versammlung in der DASA.
Intown möchte die laufenden Kosten für die begrenzte Zugangsberechtigung einsparen
Hannibal II in Dortmund-Dorstfeld, 21. September letzten Jahres: Die MieterInnen müssen wegen der mangelhaften Brandschutzsicherung des Gebäudekomplexes Hals über Kopf ihre Wohnungen verlassen. Die Stadt hatte sich aus Sicherheitsgründen genötigt gesehen, eine Nutzungsuntersagung zu erlassen. 752 Menschen verlieren auf einen Schlag ihr Zuhause, müssen in Notunterkünften untergebracht werden, ziehen zu Freunden oder Verwandten.
Seitdem tobt der Bär. Auf Gutachten folgen Gegengutachten, die Gerichte müssen sich mit dem Fall befassen. Die ehemaligen BewohnerInnen erhalten nur unter Aufsicht und zeitlich begrenzt Zugang zu ihren Wohnungen, um Post abzuholen, dort verbliebene Habseligkeiten zu retten oder gleich ganz auszuziehen. – Letzter Akt: Nachdem die Eigentümergesellschaft Intwon von der Stadt Dortmund die Schlüsselgewalt für den 412 Wohneinheiten umfassenden Gebäudekomplex zurückerhalten hatte, verkündet sie dessen „Bauwerksicherung“ zum 16. Februar.
Von diesem Tag an soll es keinem Mieter mehr möglich sein, das Gebäude zu betreten. Türen und Fenster im Erdgeschoss sollen ebenso wie die Tiefgaragenzugänge geschlossen, vermutlich: zugemauert werden. – Für Rainer Stücker, Geschäftsführer des Dortmunder Mietervereins, ein durchsichtiges Manöver: Es ginge Intown offenbar darum, die laufenden Kosten zu senken, so der Jurist gestern auf der Mieterversammlung in der Stahlhalle der DASA.
Kosten, die Intown entstehen durch die Bewachung der Wohnanlage, die Begleitung von MieterInnen in ihre Wohnungen durch Brandwachen oder die Koordination von Umzügen durch das Wachpersonal. Es handelt sich mithin um Folgekosten durch die bis dato bestehende begrenzte Zugangsberechtigung für die MieterInnen.
Mieterverein Dortmund möchte möglichst viele einstweilige Verfügungen erwirken
Für den Mieterverein Dortmund ist die Sachlage ohnehin klar: Im Rahmen eines laufenden Mietverhältnisses könnten MieterInnen nicht aus ihrer Wohnung ausgeschlossen werden, erklärt Silke Schwarz, die als Rechtsberaterin für den Mieterverein tätig ist, den Anwesenden. Daher ist der Mieterverein in der Sache tätig geworden.
Das Problem: Sammelklagen auf zivilrechtlichem Wege gegen die beabsichtigte Schließung des Gebäudes oder zum Geltendmachen von Schadensersatzansprüchen sind nach deutschen Recht nicht vorgesehen. Mit anderen Worten: Um gegen die Schließungsabsichten von Intown die eigene Wohnung weiterhin noch betreten zu können, muss jede Mietpartei einzeln bzw. deren juristische VertreterInnen vor dem Amtsgericht Dortmund eine einstweilige Verfügung erwirken.
Einen ersten Erfolg gab es letzten Dienstag: Per einstweiliger Verfügung verpflichtete das Amtsgericht Intown, einer Klägerin aus dem Haus Nr. 18 zweimal wöchentlich für jeweils eine halbe Stunde Zugang zu ihrer Wohnung zu gewähren. Zwei weitere Anträge auf eine einstweilige Verfügung für die Häuser 16 und 22 sind anhängig.
Was die Anwälte des Mietervereins, der die Interessen von etwa 100 ehemaligen Hannibal II-BewohnerInnen vertritt, nun beabsichtigen, ist, bis zur von Intown gesetzten Frist, dem 15. Februar, für jedes Haus der Wohnanlage am Vogelpothsweg eine solche einstweilige Verfügung zu erwirken, um die Stilllegung des Gebäudes abzuwenden.
Sollte sich die so aufrechterhaltenen begrenzten Zugangsmöglichkeiten der ehemaligen BewohnerInnen zufälligerweise noch auf verschiedenen Zeitintervalle beziehen, würden dadurch die Kosten für Intown in die Höhe getrieben, so Stücker. – Was sicherlich deren Kompromissbereitschaft nicht abträglich wäre.
Was passiert ab dem 16. Februar? Stücker: Gegebenenfalls Flagge zeigen!
Auf die besorgte Frage von MieterInnen, was denn passierte, wenn sich Intown trotz einer einstweiligen Verfügung weigerte, die Bewohnerinnen temporär in ihre Wohnungen zu lassen, machen die Anwälte klar: damit sei nicht zu rechnen. Denn das Amtsgericht hatte bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro festgelegt.
Zugleich betont Stücker: Der Eigentümer habe weiterhin Hausrecht. Wer ohne Gerichtsurteil versuche, in seine Wohnung zu kommen, begehe Hausfriedensbruch, wenn nicht eine Hausbesetzung. Zudem, ergänzt Baudezernent Ludger Wilde, richtete sich eine solche Aktion auch gegen die Stadt, da es eine Verfügung der Bauaufsicht gäbe – und deshalb sofort die Polizei auf den Plan gerufen würde.
Was die Anwälte fürchten: dass Intown am oder ab dem 16. Februar Bauarbeiter aufmarschieren lässt, um das Gebäude vollends zu schließen. Dagegen würden dann natürlich gerichtliche Schritte eingeleitet, erklärt Stücker. Zugleich möchte er in einem solchen Fall aber mit den KollegInnen und „möglichst vielen Menschen“ vor den Türen des Gebäudes stehen wollen. „Dann sollten wir Flagge zeigen“, fügt er unter dem Beifall der Zuhörerinnen hinzu.
Ehemalige BewohnerInnen sind wütend, enttäuscht und fühlen sich verraten
Viele der anwesenden (Ex-)MieterInnen an diesem Abend im Stahlsaal der DASA sind wütend, zeigen ihr Unverständnis darüber, dass sie ihre Sachen nicht einfach aus der Wohnung holen dürfen. Dass sie vor Gericht den Zugang dafür erstreiten müssen. Und auch die Stadt Dortmund kommt nicht gut weg: Von einer Ecke in die andere würden die Leute verschoben – Was hätte die Stadt zu bieten?, fragt ein Mieter erregt.
Andere monieren, dass sie keine Möglichkeit hätten, ihre überflüssig gewordenen Möbel unterzubringen, weil sie in der neuen, kleineren Wohnung nicht mehr aufgestellt werden könnten. Beziehungsweise nicht in der Lage sind, für die Kosten einer Auslagerung aufzukommen. Viele MieterInnen, die noch ihre Möbel in der alten Wohnung haben, befürchten oder berichten von ersten Anzeichen, dass diese feucht und klamm werden, da Intown seit Ende letzten Jahres die Heizung hat abstellen lassen.
Zudem funktionierten die Fahrstühle nicht mehr. Wie aber solle dann ein Umzug etwa aus dem achten Stockwerk bewerkstelligt werden, fragen sich einige. – Die Verbitterung ist deutlich zu spüren, auch Verzweiflung. – Was vielen Ex-BewohnerInnen die Sinne flackern lässt, ist, dass die Stadt Dortmund nach Rückgabe der Schlüsselgewalt an die Eigentümergesellschaft mit diesen Problemen direkt nichts mehr zu tun hat.
Stadt Dortmund sieht die Vermietergesellschaft in der Verantwortung
Ludger Wilde betont, dass die Stadt von Intown erwartet, dass der Gebäudekomplex saniert werde. Und zwar in den zwei Jahren, die das Verfahren erwartungsgemäß vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mindestens dauern werde, um über den Einspruch von Intown zur Verhältnismäßigkeit der Evakuierungsanordnung seitens der Dortmunder Stadtverwaltung zu entscheiden.
Bezeichnenderweise habe Intown vor dem Verwaltungsgericht kein Eilverfahren beantragt, so Wilde. Obwohl die Stadt der Eigentümerin bei Sanierungsmaßnahmen ein schnelles Genehmigungsverfahren zugesichert habe, seien von deren Seite her bisher keine belastbaren Zeichen für einen solchen Schritt zu erkennen gewesen.
Der eigentliche Verursacher für die jetzige Situation sei die Eigentümergesellschaft; diese müsse daher für die Folgen geradestehen. Ob das so ist, wird von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in Gelsenkirchen abhängen, bei Revision von der des Oberverwaltungsgerichtes in Münster, usf. – Mit anderen Worten, so Stücker, es könne ein sich endlos hinziehendes Verfahren geben. Und: Es sei sehr wahrscheinlich, dass es so liefe.
(Ex-)BewohnerInnen fordern kostenfreie Unterbringungsmöglichkeiten für ihre Möbel
Eine gute Nachricht, aber auch nichts verbindliches gab es am Nachmittag aus dem Dortmunder Rathaus. Dort hatte die Bezirksvertretung Innenstadt-West zum Hannibal II beschlossen:
„Da nicht absehbar ist, wie oft diese Menschen noch in ihre Wohnungen hineinkommen um ihr Hab und Gut herauszuräumen, bittet die Bezirksvertretung Innenstadt-West die Stadt Dortmund unter Zurückstellung jeglicher bürokratischer Hindernisse, diesen Menschen geeignete Räumlichkeiten für die Unterbringung von Möbeln zur Verfügung zu stellen.“
Damit hat die Bezirksvertretung eine Forderung der MieterInnen aufgegriffen, die von ihnen auch während der Sitzung im Rathaus vorgetragen wurde. An der misslichen Gesamtsituation ändert sich für die (Ex-)MieterInnen dadurch allerdings konkret erst einmal gar nichts. Denn die Bezirksvertretung bittet die Stadt lediglich um etwas.
Wie es weiter geht, steht vorerst in den Sternen. Unabhängig davon, wieweit es den MieterInnen bzw. ihrer Rechtsbeistände durch einstweilige Verfügungen gelingt, Intown unter Druck zu setzen, damit die Eigentümergesellschaft den versiegelten Gebäudekomplex nicht vor sich hinrotten lassen kann, sind durchaus noch andere Szenarien möglich, erläutert Rainer Stücker:
Lütticher 49, Eigentümerin des Gebäudekomplexes und Tochtergesellschaft von Intown, geht in die Insolvenz. Die Konsequenz daraus wäre die Zwangsversteigerung von Hannibal II. Oder Intown verkauft das Gebäude zu einem Preis X an irgendwen. – Was auch immer geschehen mag, nur eins ist nach dem Stand der Dinge sicher: Niemand wird als MieterIn in weniger als 24 Monaten dauerhaft in den maroden Gebäudekomplex zurückkehren können.
Und da wäre noch eine Kleinigkeit. Im Grundgesetz der Bundesrepublik heißt es in Artikel 14, Abs. (2): „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Weiterhin in Abs. (3): „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.“
Die Chronologie zum Thema „Hannibal II“ auf Nordstadtblogger.de:
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Grünen-Fraktion
Hannibal: Die Mieter*innen nicht alleine lassen – Eigentümerin in die Pflicht nehmen
Noch immer sind rund 300 ehemalige Mieter*innen des Hannibal II ohne dauerhafte Wohnungsalternative. Die Firma Intown Property Management GmbH als Bevollmächtigte der Eigentümerin Lüttich Properties hat durch die Stilllegung des Gebäudes innerhalb einer einwöchigen Frist die Situation für die Betroffenen nochmal verschärft. Die GRÜNEN im Rat fordern deshalb, dass die Stadt alle rechtlichen Möglichkeiten prüft, die Eigentümerin des Gebäudes in die Pflicht zu nehmen.
Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin der Dortmunder GRÜNEN: „Die komplette Stilllegung des Hannibal durch den Eigentümer Intown stellt die ehemaligen Bewohner*innen innerhalb kürzester Zeit erneut vor kaum lösbare Probleme. Die unverschuldet in diese Situation geratenen Menschen brauchen jetzt einmal mehr die Solidarität der Stadt. Die Stadt hat bisher bereits mit verschiedenen Maßnahmen bestmöglich geholfen. Jetzt muss die Verwaltung mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Betroffenen in ihrer Auseinandersetzung mit der Eigentümerin unterstützen.
Dazu gehört, dass sämtliche Eingriffsmöglichkeiten der Stadt gegen die Stilllegung des Gebäudes und zur Durchsetzung der notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen geprüft und auch umgesetzt werden. Instandsetzungsbedarf besteht dabei nicht nur im Bereich des Brandschutzes, sondern beispielsweise auch bei den Aufzügen im Gebäude oder der nicht mehr vorhandenen Heizungsanlage. Von der Anwendung des Instandsetzungsgebots über die Ausweisung eines Sanierungsgebiets bis zur Enteignung muss alles auf den Prüfstein, um das Gebaren der Eigentümerin zu unterbinden.
Gleichzeitig muss Intown den Betroffenen endlich reinen Wein einschenken: Denn selbst wenn Intown sofort mit der nötigen Sanierung beginnen würde, zögen sich die Arbeiten über Jahre hin, in denen das Gebäude nicht bewohnbar wäre. Intown muss sich endlich verbindlich zur Zukunft des Gebäudes äußern. Die ehemaligen Bewohner*innen haben das Recht auf die Vorlage eines Zeitplans, der verbindliche Aussagen über die Dauer von möglichen Sanierungsmaßnahmen enthält. Die Mieter*innen brauchen Klarheit über ihre Perspektiven.
Viele ehemalige Bewohner*innen sind immer noch nicht dauerhaft untergekommen, leben bei Freunden, Eltern oder in Übergangsunterkünften. Sie brauchen weiterhin die Unterstützung der Stadt bei der Suche nach geeigneten Wohnungen. Bis dahin muss Intown den Zugang zum Gebäude und den Zugriff auf die dort noch lagernden Möbel garantieren.
Mit der kompletten Stilllegung gibt Intown das Gebäude dem Verfall preis. Damit ist der Hannibal II in Dorstfeld ein bezeichnendes Beispiel für die Folgen von Immobilienspekulationen: Rendite geht vor Investition, Mieten werden kassiert, Instandhaltungen immer wieder hinausgeschoben und durch fehlenden Brandschutz wird sogar das Leben der Mieter*innen aufs Spiel gesetzt.“