Ende einer Odyssee: Sandsteinkreuz in der evangelischen Georgskirche in Aplerbeck ist Denkmal des Monats 

Die Restaurierung des mittelalterlichen Steinkreuzes hat zu neuen Erkenntnissen geführt. Dennoch liegen noch einige Fakten im Dunkeln und bieten Raum für Spekulationen. Dies nimmt die Denkmalbehörde zum Anlass, alle bisherigen und neuen Erkenntnisse zusammenzufassen und sie im Denkmal des Monats September 2020 zu präsentieren.

Bewegliches Denkmal – Hundert oder fünfzig Jahre in der Kellerwand?

Foto: Ulrich Wemhöhner

Am 23. September 1994 trug die Denkmalbehörde das Sandsteinkreuz des Johannes Mullenius, das die Jahreszahl 1581 trägt, in die Denkmalliste der Stadt Dortmund ein. Zu diesem Zeitpunkt war es noch fest in einer Ziegelwand im Keller eines Hauses an der Jasminstraße in Sölde vermauert.

Da das Haus selbst keine Denkmalqualität besaß und das Kreuz sehr wahrscheinlich dort lediglich als Baumaterial diente, entschloss sich die Denkmalbehörde es aufgrund seines eigenständigen Zeugniswertes als bewegliches Denkmal in die Denkmalliste einzutragen. ___STEADY_PAYWALL___

Offen waren und sind nach wie vor die Fragen, wie und wann das Sandsteinkreuz in die Kellermauer kam. Das Gebäude an der Jasminstraße hatte man 1901 als Schreinerwerkstatt errichtet. Seit 1942 wurde es als Wohnhaus genutzt, bis es baufällig wurde. Laut Bauakte sah man für die Hauserneuerung 1949 die „Verwendung alter beim Abbruch anfallender Baumaterialien“ vor. 

Die Wiederverwendung gebrauchter Steine war nicht nur in früheren Jahrhunderten, sondern gerade auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg üblich. Da die Bauakte nicht genau beschreibt, welche Teile des Hauses 1949 wieder neu errichtet wurden, könnte das Kreuz sowohl 1901 als auch erst 1949 in die Kellerwand eingefügt worden sein.

Zeugnis aus dem 16. Jahrhundert

Fünf Jahre nach der Eintragung in die Denkmalliste geriet das Steinkreuz tatsächlich in Bewegung. Das Haus an der Jasminstraße wurde abgerissen und das Kreuz entnommen. Dabei zerbrach es unterhalb des Querbalkens. Es wechselte den Besitzer und lag Jahre ohne Überdachung auf einer Hofanlage, bevor es später in einem offenen Schuppen gesichert wurde. 

Vor zwei Jahren kam es dann in die Obhut des Aplerbecker Geschichtsverein, der es als Leihgabe der Georgs-Kirchengemeinde überließ. Der Förderverein Große Kirche Georgskirche Aplerbeck finanzierte die inzwischen notwendige Restaurierung des Objekts und ließ es dann sicher an einer Foyerwand in der alten Georgskirche anbringen. Im Gemeindebrief ist dazu folgendes zu lesen: „Zur Georgskirche ist das sogenannte „Sölder Kreuz“ zurückgekehrt. Es trägt den Namen „Johannes Mullenius“, die Jahreszahl 1581 und war bis 1999 in einem Keller […] in Sölde eingemauert“.

1994 – noch in der Kellerwand verbaut – war die Inschrift des Kreuzes kaum zu erkennen. Joes (= Johannes) Müllenius vermochte man zu entziffern. Die latinisierte Form des Namens mit der Endung -ius ließ die Annahme zu, dass es sich um ein Objekt aus dem 16. Jahrhundert handelt. Dies hat sich nun bestätigt. Nach der Restaurierung ist fast die ganze Inschrift lesbar. Im Kopf heißt es ANO (= Anno) 1581, auf dem Querbalken ist neben JOES nun der Familienname als MULLENIUS zu lesen. Auf eine unleserliche Zeile folgt noch die Angabe in zwei Zeilen BROD / ER (= Bruder).

Grabmal oder Sühnekreuz – Aplerbeck oder Sölde

Auf dem Kirchhof rund um die Georgskirche finden sich noch alte Grabsteine aus der Zeit von 1588 bis 1786. Das Sandsteinkreuz könnte daher zu einem Begräbnis dort gehören, da aus dem 16. Jahrhundert nur dieser Kirchhof im Raum Aplerbeck/Sölde bekannt ist. Das Kreuz wäre dann tatsächlich an seinen ursprünglichen Standort zurückgekehrt. 

Gegen diese Annahme spricht jedoch das Fehlen von Tag und Monat auf dem Kreuz mit dem damals üblichen Zusatz „in godt entslapen“. Größer ist somit die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein Sühnekreuz handelt, das am Ort eines Verbrechens die Vorübergehenden an ein Gebet für das Seelenheil des Toten erinnern sollte. Gerichte oder Angehörige verpflichteten in früheren Jahrhunderten die Täter zu dieser Form der Buße. 

Oft standen die Sühnemale an Wegekreuzungen, vielleicht an der Ecke der heutigen Jasminstraße zum Kapellenufer. Der Weg in die Kellerwand wäre dann sehr kurz gewesen. Aber auch dies ist natürlich eine weitere Hypothese. Vielleicht werden irgendwann durch eine glückliche Fügung Quellen gefunden, die sowohl über das genaue Schicksal des Kreuzes als auch über Johannes Mullenius Auskunft geben können.

 

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