
Die Unterstützung für Geflüchtete steht in der Migrations- und Integrationsarbeit ganz oben auf der Agenda. Aus diesem Grund trafen sich am Dienstag (7. April) im Haus der Vielfalt in NRW migrantische Organisationen, lokale Akteur:innen und Fachleute, um im Rahmen des Projekts „GLEICH teilhaben“, initiiert vom Bundesverband Netzwerke von Migrantinnenorganisationen e. V. (NeMO), über nachhaltige Strukturen und die Förderung von Inklusion und Teilhabe für schutzbedürftige Geflüchtete zu diskutieren. Dabei wurde auch deutlich, dass migrantische Organisationen nicht frei von Defiziten sind.
Vulnerable Geflüchtete fallen oft durch das System
Dass schutzbedürftige Geflüchtete von staatlichen und kommunalen Stellen übersehen werden, ist keine Seltenheit, wie auf der Dialogkonferenz hervorging. „Die Debatte über Migrant:innen in Deutschland ist oftmals aufgeheizt, und dabei wird leicht vergessen, dass es nicht um bloße Zahlen geht, sondern um echte Menschen” so Gesa Harbig, stellvertretende Geschäftsführerin des Verbands der Sozialkulturellen Migrantenvereine in Dortmund e.V. (VMDO).

Besonders betroffen sind dabei vulnerablere Gruppen, etwa wie geflüchtete Frauen, Kinder, alte Menschen oder Menschen mit Behinderungen, die oft in den Systemen der Unterstützung durch staatliche Stellen durch das Raster fallen.
„Wir können uns kaum vorstellen, was diese Menschen auf der Flucht erleben mussten. Jetzt sind sie hier in Deutschland, aber die Probleme nehmen für sie kein Ende. Behörden und Ämter erschweren oft den Zugang, Ausländerfeindlichkeit und Ausgrenzung sind weit verbreitet“ erzählte Elaine Yousef, Koordinatorin des Projekts „GLEICH teilhaben” und Beraterin für geflüchtete Frauen in Dortmund.
Aus diesem Grund haben sich viele migrantische Organisationen darauf spezialisiert, die Lücken zu schließen, um vulnerable Gruppen zu unterstützen, die häufig übersehen werden. So auch beispielsweise in Düsseldorf, wie die lokale Koordinatorin von „GLEICH teilhaben“ Alexandra Dillmann erzählt: „Unser Fokus liegt auf Menschen mit Behinderungen, aber auch auf denjenigen, die mit Menschen mit Behinderungen zusammenleben, denn diese werden häufig außer Acht gelassen und benötigen ebenfalls Unterstützung.“
Vertrauensaufbau als entscheidender Faktor in der Arbeit mit Geflüchteten
Was aus der Sicht der Akteur:innen und Organisationen die Arbeit besonders wirksam macht, ist die Vertrauensarbeit als zentraler Schlüssel, um Zugang zu den betroffenen Personen zu finden und nachhaltig Einfluss zu nehmen.

Besonders Elaine Yousef erlebt dies täglich in der Arbeit mit gewaltbetroffenen Frauen, die die Beratungsstelle aufsuchen und in einem geschützten Raum Hilfe in Anspruch nehmen, einem Raum, vor dem sie in gewöhnlichen Behörden eher zurückschrecken würden, wie sie erklärte.
Auch Verani Kartum vom Aleviten Paderborn e.V. teilt diese Ansicht und betonte, dass vor allem Menschen, die aus ähnlichen Kulturkreisen oder Herkunftsländern stammen, das größte Vertrauen der Migrant:innen gewinnen:
„Sie vertrauen uns am meisten, weil sie uns als Menschen aus ihrem eigenen Umfeld sehen und wissen, dass wir nur das Beste für sie wollen. Besonders in der Arbeit mit Jugendlichen ist das wichtig, da sie sich so auf Augenhöhe wahrgenommen fühlen. Besonders so können dann Maßnahmen umgesetzt werden“.
Finanzierungsprobleme erschweren die Arbeit in migrantischen Organisationen
Viele Menschen arbeiten ehrenamtlich für migrantische Organisationen, doch ein zentrales Problem bleibt die Finanzierung, um die Kosten zu decken. „Uns wurden zwei- oder dreimal Anträge auf Förderung abgelehnt. Wir wachsen immer weiter, aber die letzten zwei Jahre waren eher ein Überleben des Vereins. Wir arbeiten aus Überzeugung und wollen den Menschen helfen, doch wir müssen auch in der Lage sein, das Ganze finanziell zu stemmen“, berichtete Katia Asfour vom Hiya Frauenverein e.V. Essen.

Auch Elya Makhol vom Haus der Kulturen und Kommunikation e.V. in Düsseldorf bestätigte diese anhaltende Herausforderung. Wie Makhol erklärte, arbeiten auch in diesem Verein die meisten ehrenamtlich. Trotz aller Versuche, die Finanzierung eigenständig zu stemmen, ist dies jedoch ebenfalls nicht möglich. Besonders die Politik wurde dabei von den Organisationen scharf kritisiert, da Beschlüsse auf Bundesebene häufig an den Kommunen hängen bleiben, was sie im Rahmen ihrer Arbeit deutlich zu spüren bekommen.
Umso wichtiger sei es aus Yousefs Sicht, solange die finanziellen Mittel begrenzt sind, Netzwerke unter den migrantischen Organisationen zu schaffen und Kooperationen einzugehen. Diese Netzwerke helfen den Organisationen, eine Stimme zu haben und auch ohne Förderungen nachhaltig zu arbeiten. So können sie gemeinsam Ressourcen schaffen und zur Verfügung stellen, etwa durch die Bereitstellung von Materialien oder Räumlichkeiten für Veranstaltungen, wie die Koordinatorin erklärte.
Kruse mahnt: Geflüchtetenarbeit bleibt auch in Zukunft notwendig
Dennoch ist der Ausbau und die Unterstützung von geflüchteten Arbeit wichtiger denn je, wie Dr. Wilfried Kruse vom Leitungsteam „GLEICH teilhaben” appellierte: „Die Geflüchtetenarbeit steht unter starkem politischen Druck. Man möchte die Förderung verringern, um die Fluchtmigration einzudämmen” so Kruse.

„Unsere Position ist jedoch klar: Wir gehen davon aus, dass es auch in Zukunft Migration und Flucht geben wird – egal, welche Maßnahmen ergriffen werden, ob legal oder illegal. Daher werden wir weiterhin Menschen haben, die geflüchtet sind, und mit denen wir arbeiten müssen. Wir müssen nun mit weniger Geld mehr erreichen, enger zusammenrücken und stärker kooperieren.“
Zugleich machte Kruse deutlich, dass Kriege ein alltägliches Problem auf der Welt darstellen. Nach wie vor müssen Menschen fliehen, weil sie in ihren Heimatländern nicht mehr sicher sind. Er betont, dass es unklar sei, was in vielen afrikanischen Ländern, in den kurdischen Gebieten, in der Türkei und überall auf der Welt passiert. Aus seiner Sicht sei es völlig unrealistisch zu glauben, dass es keine Flucht mehr geben werde und keine Menschen mehr Asyl benötigen.
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