Bei der AWO in Dortmund wird das Instrument seit zehn Jahren genutzt:

Eine Ausbildung in Teilzeit kann eine gute Chance auf eine berufliche Perspektive bieten

Dominique Eickhoff hat von 2018 bis 2021 bei der AWO die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement mit integrierter Fachhochschulreife in Teilzeit gemacht und arbeitet heute als Sachbearbeiterin Finanzbuchhaltung.
Dominique Eickhoff hat von 2018 bis 2021 bei der AWO die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement mit integrierter Fachhochschulreife in Teilzeit gemacht und arbeitet heute als Sachbearbeiterin Finanzbuchhaltung. Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Ausbildung ist das beste Mittel gegen Arbeits- und Fachkräftemangel. Doch die reguläre Ausbildung kommt nicht für alle potenziellen Azubis in Frage. Weil sie die Erziehungs- oder Pflegeverantwortung nicht mit einer Vollzeitausbildung in Einklang bringen können, bleiben ihnen oft nur Jobs für Un- und Angelernte. Eine Alternative ist eine Teilzeit-Ausbildung. Bei der AWO ist das seit mehr als zehn Jahren Alltag.

Im Rahmen der Teilzeitausbildung geht die Arbeitszeit auf bis 25 Stunden runter

„Die Teilzeitausbildung zeichnet uns aus. Wir haben rund ein Dutzend Azubis gehabt, die das gemacht haben. Aktuell haben wir zwei, ab August kommt eine weitere hinzu“, berichtet Personalchef Frank Czwikla. Regulär liegt die Wochenarbeitszeit von Azubis bei 39 Stunden. Im Rahmen der Teilzeitausbildung geht diese bis auf 25 Stunden hinunter, inklusive Berufsschule, dann verlängert sich die Ausbildung nicht.

AWO-Personalchef Frank Czwikla
AWO-Personalchef Frank Czwikla Foto: Alexander Völkel

Dominique Eickhoff hat von 2018 bis 2021 bei der AWO die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement mit integrierter Fachhochschulreife in Teilzeit gemacht und arbeitet heute als Sachbearbeiterin Finanzbuchhaltung.

„Mein Sohn war sieben Jahre alt und besuchte eine Grundschule, in der der Unterricht nur bis mittags ging. Ich suchte nach einer Möglichkeit, den Spagat zwischen Mutter, Hausfrau und Arbeitnehmerin, bzw. Auszubildender hinzubekommen, da kam mir die Teilzeitausbildung gerade recht.“

Familie, Freizeit und Arbeit unter einen Hut bekommen

Sie bot ausreichend Zeit für alle Bereiche des Lebens: Familie, Freizeit, Arbeit. „Ich konnte mich um meine berufliche Zukunft kümmern, welche durch die integrierte Fachhochschulreife auch ein Studium beinhalten könnte, wenn ich wollte. Und trotzdem blieb mir genug Zeit, um für meinen Sohn da zu sein, welcher durch ein kleines Handicap etwas mehr Zuwendung und Zeit braucht, als andere Kinder.“

Mit ihrer (früheren) Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel sah sie keine Perspektive: „Mit einem (Klein-)Kind im Einzelhandel zu arbeiten, erschien fast unmöglich.“ Bei der AWO fand sie eine neue Perspektive: „Ich war zu diesem Zeitpunkt 29 Jahre alt, ich hatte wirklich Angst, dass ich in diesem Alter keine Ausbildung mehr finden könnte. Da wurde ich aber schnell eines Besseren belehrt.“

„Ich arbeite sehr gerne für die AWO, bzw. für die dobeq, bei der ich für die Kreditorenbuchhaltung zuständig bin. Meine Kolleg*innen sind alle sehr nett und haben mich immer herzlich aufgenommen, egal, in welcher Abteilung ich im Zuge meiner Ausbildung war. Auch als ich nach der Ausbildung übernommen wurde, wurde ich in das bestehende Team der Finanzbuchhaltung aufgenommen, als gehörte ich schon Jahre dazu“, berichtet Dominique Eickhoff.

Erst die Teilzeitausbildung ermöglichte die Kinderbetreuung

Im vergangenen Jahr hat Hui Mu ihre Ausbildung als Bürokauffrau begonnen. „Nur mit einer Teilzeitausbildung kann ich mein mittlerweile dreijähriges Kind betreuen.“ Ihre Vita war auch nicht gradlinig: „Als Migrantin aus Asien hatte ich lange in einer Parallelgesellschaft gelebt. Ich bin mit 14 Jahren nach Deutschland gekommen, habe Abitur gemacht, ein Studium abgebrochen und dann zehn Jahre gekellnert“, berichtet die Auszubildende.

„Nur mit einer Teilzeitausbildung kann ich mein mittlerweile dreijähriges Kind betreuen“, sagt Azubi Hui Mu.
„Nur mit einer Teilzeitausbildung kann ich mein mittlerweile dreijähriges Kind betreuen“, sagt Azubi Hui Mu. Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

„Irgendwie hatte ich nie die Gelegenheit, eine deutsche Familie oder Freunde kennenzulernen. Für viele junge Menschen war es selbstverständlich, als Studienabbrecher eine Ausbildung zu machen, vielleicht weil sie das einfach aus ihrem Umfeld so kennen. Bei mir war es leider nicht so“, berichtet Hui Mu.

„Erst nach den Umzug nach Dortmund habe ich richtig viele einheimische Freunde gefunden, und mir wurde langsam klar, dass man nicht ewig kellnern kann. Deshalb habe ich mit 35 eine Ausbildung anfangen. Bei der AWO habe ich nicht eine bessere, sondern überhaupt eine berufliche Perspektive“, betont sie. „Es war nicht einfach, eine Teilzeitausbildung zu finden, weil nur wenige Firmen sie anbieten. Bis jetzt fühle ich mich sehr wohl bei der AWO. Ich habe viel gelernt und werde auch noch andere Abteilungen kennenlernen. Darauf freue ich mich.“

Chance auf Teilzeit als Chance – AWO unterstützte andere Firmen

Die AWO hat nicht nur selbst Teilzeitausbildungen angeboten, sondern mit ihrem Tochterunternehmen dobeq auch andere Firmen beraten. Bis Ende März 2023 war sie im Modellprojekt RITA+ eingebunden und hat in der Zeit 30 Teilnehmer*innen betreut – sechs davon konnten in eine Ausbildung vermittelt werden.

Fortgesetzt wird das Projekt TEP (Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen). Da werden Menschen mit Familienverantwortung (mit Kindern oder zu Pflegenden) weiterhin von der AWO-Tochter dobeq unterstützt. Auch eine Auszubildende der AWO im Bereich Büromanagement macht ihre Ausbildung in Teilzeit und war zuvor im TEP-Projekt.

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