
Rechtes Gedankengut rückt weltweit stärker in den Fokus. Damit einhergehend gewinnen auch antifeministische Strömungen und Narrative an Bedeutung, wodurch die Sorge um den Erhalt der Demokratie und Gleichstellung steigt. Im Rahmen eines Townhall-Meetings diskutierten Frauen aus verschiedenen Organisationen sowie das Plenum im Dortmunder Rathaus darüber, wie man der aufkommenden restriktiven Geschlechterpolitik entgegentreten kann.
Zunehmender globaler Druck auf die Demokratie und die Rechte von Frauen
Zahlreiche Menschen versammelten sich am vergangenen Dienstagabend im Rathaus, um gemeinsam über die Position der Frau im Kontext aktueller politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen zu diskutieren. Unter der Moderation von Judith Schulte-Loh eröffnete Bürgermeister Norbert Schilff die Veranstaltung, bevor er den Frauen verschiedener Initiativen das Wort auf der Bühne überließ.

„Unsere Demokratie steht unter Druck. Weltweit, in Europa und auch in Deutschland werden antifeministische, rechtspopulistische und autoritäre Strömungen immer stärker“, so Schilff.
„Sie stellen nicht nur die Gleichberechtigung infrage, sondern greifen gezielt Menschenrechte an – auch in Staaten, in denen ich das vor einigen Jahren noch für undenkbar gehalten hätte. Besonders bedroht sind die Rechte von Frauen, queeren Menschen und anderen Gruppen, die nicht in ihr Weltbild passen“, richtete sich der Bürgermeister an das Publikum.
Unsicherheit aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen fördert rechtes Gedankengut
Während für viele Anwendende die Frage im Raum stand, warum überhaupt rechte Stimmen vermehrt Zuspruch erhalten und der Feminismus zugleich häufig auf Ablehnung stößt, ist es für Deniz Greschner ganz klar: „Viele Menschen merken, dass sich die Gesellschaft zu einer offeneren Gesellschaft verändert. Personen, die einst keine Stimme hatten, haben sie jetzt und machen auf Missstände aufmerksam.“

Zugleich zwinge der Feminismus dazu, Privilegien zu hinterfragen und gegebenenfalls darauf zu verzichten, was für die meisten eine „unbequeme Machtabgabe“ darstelle, so die Moderatorin von „Feel the Weibz“, dem feministischen Talk im Dietrich-Keuning-Haus.
Dem stimmte auch Mariette Pfister, Referentin für Kultur- & Gesellschaftsaußenpolitik des Auswärtigen Amts, zu. „Der Begriff Feminismus polarisiert, weil er mit der Forderung nach gleichberechtigter Teilhabe am gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben verbunden ist.“
„Das bedeutet auch, Privilegien zu hinterfragen, was vielen Menschen Angst macht – sie fürchten, ihre Privilegien zu verlieren, was in gewisser Weise auch zutrifft“, so Pfister.
„Wer die Hälfte der Gesellschaft ausschließt, verpasst die Hälfte des Potenzials”
Die Ansprache der Position von Frauen in politischen Gremien blieb bei der Veranstaltung nicht aus. Schilff äußerte dabei deutlich seine Unterstützung für die (Wieder-) Einführung eines Gleichstellungsausschusses in Dortmund. Er wies jedoch darauf hin, dass die Einführung solcher Initiativen innerhalb einer Wahlperiode nicht ohne Herausforderungen sei. Dennoch äußerte er den Wunsch, dass die Fraktionen im kommenden Jahr diese Themen in ihre Kooperationsgespräche aufnehmen und somit einen Schritt in Richtung Gleichstellung wagen.

Ebenso wurde die Geschlechterverteilung im Bundestag thematisiert. Laut Moderatorin Schulte-Loh machen Frauen nur rund ein Drittel der Abgeordneten aus. Für Schilff ist dies ein ernüchterndes Ergebnis, insbesondere da er der Ansicht ist, dass der Bundestag als „Spiegelbild der Gesellschaft“ agieren sollte.
Umso unverständlicher sei es für eine Teilnehmerin aus dem Plenum, dass die AfD als rechtspopulistische Partei die einzige sei, die eine Frau als Bundeskanzlerkandidatin bei der letzten Bundestagswahl aufgestellt habe, was sie als „skandalös“ bezeichnete.
Kommunalpolitik agiert als „Wiege der Demokratie“
Für Maresa Feldmann, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Dortmund, steht fest, dass die Kommunalpolitik als „Wiege der Demokratie“ agiert. Deshalb sei es wichtig, „vor der eigenen Haustür zu putzen“, um im Kampf gegen Rechts und Antifeminismus etwas zu bewirken. Aus ihrer Sicht sei es von zentraler Bedeutung, Räume für den Austausch zu schaffen, etwa durch Veranstaltungen wie diese.

„Wir können uns nicht zurückziehen“, betont die Gleichstellungsbeauftragte. „In den Austausch zu treten ist vielleicht manchmal schmerzhaft, aber es ist wichtig.“
Pfister ist der Überzeugung, dass es einen dringenden Mentalitätswechsel auch im Parlament benötige, ebenso wie rechtliche Vorschriften zugunsten der Gleichberechtigung, beispielsweise in Form einer Redeliste.
Feministische Perspektiven fördern Friedensprozessen und Krisenbewältigung
Da sich ein Rechtsruck und zunehmende antifeministische Strömungen nicht nur in Deutschland erkennen lassen, ist aus der Perspektive der Rednerinnen ebenfalls eine feministische Außenpolitik von Nöten. „Feministische Außenpolitik ist notwendig, weil Gleichberechtigung weltweit, auch in Deutschland, noch nicht erreicht ist. Und es ist notwendig, weil Frauen, Mädchen und andere marginalisierte Gruppen unter spezifischen Gewalttaten leiden, wie zum Beispiel geschlechtsspezifischer Gewalt in Krisen- und Kriegsregionen. Beispielsweise wird Vergewaltigung dort immer noch als Kriegswaffe eingesetzt“, so Pfister.

Als weiteres Beispiel verweist Pfister auf Studien, die zeigen, dass Krisen stabiler sind, wenn Frauen in Friedensverhandlungen eingebunden werden. Aus wirtschaftlicher Sicht sei es laut ihr ebenfalls sinnvoll, Frauen einzubeziehen, da mehr Perspektiven und Bedürfnisse berücksichtigt werden.
Frauen hätten eine andere Sichtweise, die zur Stabilisierung beitrage. Daher sei es wichtig, dass Friedensprozesse auf eine feministische Weise gestaltet werden. Gesellschaften, in denen Männer und Frauen gleichberechtigt sind und marginalisierte Gruppen einbezogen werden, seien friedlicher, stabiler und wirtschaftlich erfolgreicher, so die Referentin.
Forderung nach Diskursen mit verschiedenen Positionen
Zugleich sei es wichtig, mit Menschen ins Gespräch zu treten, die nicht derselben Meinung sind, wie bei der Diskussion deutlich wurde. Dabei sei es entscheidend, laut zu bleiben und nicht immer einen Kompromiss zu finden, wie Greschner betont: „Wenn acht Prozent der Menschen laut bleiben, dann reicht es aus, um etwas zu bewirken.“
Dass ein aktiver Austausch mit verschiedenen Meinungen nicht immer im eigenen Alltag integriert ist und Eigeninitiative erfordert, unterstrich ein Beitrag aus dem Plenum. Eine Person berichtete, dass sie sich sowohl privat als auch beruflich in einer politischen Blase befinde, was dazu führe, dass sie selten kontroverse Diskussionen führe.
Doch solle es aus Greschners Sicht nicht ausschließlich Aufgabe der Marginalisierten sein, diese Themen zu vertreten. Auch die von Intersektionalität betroffenen Gruppen, also das Zusammenwirken mehrerer Unterdrückungsmechanismen wie bei armen, migrantischen Frauen, sollten nicht die einzigen sein, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen.
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