Terry Reintke, Grünen-Spitzenkandidatin für die Europawahl, als Ehrengast

Ein Neujahrsempfang der Grünen im Zeichen von Wahlen, Krisen und Handlungsdruck

Gut besucht war der Neujahrsempfang des Grünen-Kreisverbandes im Domicil. Foto: Mareen Meyer

Von Peter Krause

Der Kreisverband Dortmund von Bündnis 90/ Die Grünen hatte zum Neujahrsempfang ins „Domicil” geladen. Nach der Begrüßung durch Heide Kröger-Brenner und Hannah Rosenbaum als Sprecherinnen des Vorstands folgten inhaltliche Beiträge zu den Aufgaben und Erfolgen Grüner Politik.

„Wir haben das brutale Regime von Wladimir Putin in all seinen Facetten kennengelernt“

Den Anfang machte Terry Reintke, seit 2014 für die Grünen Mitglied des  Europäischen Parlaments. Im Blick auf den Krieg in der Ukraine und die Ermordung Alexej Nawalnys sagte sie: „Wir haben das brutale Regime von Wladimir Putin in den vergangenen Jahren in all seinen Facetten kennengelernt.”

Heide Kröger-Brenner und Hannah Rosenbaum begrüßten die Gäste. Copyright 2024. All rights reserved.

„Dass die Welt unruhiger wird, sollte uns als Europäer:innen darin bestärken, dass wir Freiheit und Demokratie verteidigen“, fuhr sie fort.

Das den Grünen besonders eigene Themenspektrum werde berührt, wenn es über die klassische Verteidigungspolitik hinausgeht, denn das Erreichen der Klimaziele und die europäische Sicherheitspolitik hängen zusammen. „Der Green-Deal darf bei der bevorstehenden Europawahl nicht abgewählt werden”, forderte Reintke. ___STEADY_PAYWALL___

Die EU muss der zunehmenden Ungleichheit unter den Menschen in Europa entgegentreten

Terry Reintke, die im vergangenen November zunächst von den deutschen Grünen zur Spitzenkandidatin für die Europawahl gewählt wurde, ist seit kurzem auch Spitzenkandidatin der europäischen Grünen/EFA-Fraktion.

Terry Reintke ist seit 2014 für die Grünen Mitglied des  Europäischen Parlaments.
Terry Reintke ist seit 2014 für die Grünen Mitglied des  Europäischen Parlaments. Foto: Mareen Meyer

Als solche betonte sie, dass man dringend der zunehmenden Ungleichheit unter den Menschen in Europa entgegentreten müsse, und sie erinnerte daran, dass noch vor zehn Jahren kaum jemand an einen europäischen Mindestlohn glauben wollte. Dass es den nun gibt, ist ein Beitrag zur Festigung der Demokratie, denn „demokratische Gesellschaften können nur funktionieren, wenn es ein gewisses Maß an Gleichheit gibt, wenn Menschen von ihrem Lohn leben können und sozial abgesichert sind.”

Herausfordernd bleibt, dass Europa sich möglicherweise vor einem Rechtsruck befindet. Reintke formulierte, was gegenwärtig viele Menschen als Frage erleben: „Kommen wir da überhaupt noch dagegen an?”, und fügte im Blick auf die Demos gegen rechts hinzu: „Die Bilder der letzten Wochen geben Kraft und Mut. Ja, die Herausforderungen sind groß, und eventuell stehen wir vor einem Rechtsruck. Aber dagegen müssen wir, insbesondere in Deutschland, unsere Stimme erheben.”

Grundrechte und soziale Gerechtigkeit imMittelpunkt der kommenden Wahlkämpfe

Im sehr gut gefüllten großen Saal des „Domicil” wurde in kleinen Gruppen – man hatte Stehtische aufgestellt, um die herum sich die Gäste gruppierten – natürlich auch über die aktuellen Ereignisse gesprochen, insofern sie die Grünen direkt betreffen. Das anhaltende Grünen-Bashing, an dem sich auch Spitzenpolitiker:innen der CDU/CSU und der FDP beteiligen, die Übergriffe in Biberach, ebenso, dass auch Grünen Politiker:innen in Dortmund bedroht werden, gibt tatsächlich zu denken.

Foto: Mareen Meyer

Im Anschluss an den Vortrag von Terry Reintke gab es ein Podiumsgespräch an dem Markus Kurth (MdB), Michael Röls-Leitmann (MdL) sowie Vertreter:innen der Grünen Ratsfraktion und des Kreisvorstandes teilnahmen. In den engagiert vorgetragenen Beiträgen ging es immer wieder darum, dass Grundrechte und soziale Gerechtigkeit von den Grünen in den Mittelpunkt der kommenden Wahlkämpfe gestellt werden. Die Ökopartei ist sich der sozialen Dimension ihrer Kernanliegen sehr wohl bewusst.

Markus Kurth hob hinsichtlich der Bundespolitik hervor, dass die Umsetzung Grüner Politik nicht einfach sei. Das Urteil vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom November 2023,  dass das Gesetz über den Zweiten Nachtragshaushalt 2021 verfassungswidrig sei, führte zu den hinlänglich bekannten Turbulenzen. Besonders weil das Gericht keine Übergangsfristen vorgesehen habe, ergab sich eine historisch besondere Situation.

Es braucht oft europäische Rahmenbedingungen, um im Land etwas zu ändern

„Als Haushaltspolitiker”, so Markus Kurth, „würde man sich lieber als Stürmer verstehen, der Tore macht, stattdessen ist man eher Abwehrspieler.” Dennoch sei der Erfolg Grüner Politik nicht zu übersehen, wenn man bedenkt, dass man es beispielsweise geschafft habe, den Eingliederungstitel zu stabilisieren, durch den die Agenturen für Arbeit Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik zur eigenständigen Bewirtschaftung erhalten.

Foto: Mareen Meyer

Darüber, wie Energiepolitik resilienter gestaltet werden kann, referierte im Hinblick auf die Landespolitik Michael Röls-Leitmann: „Auf allen politischen Ebenen hat sich etwas getan, aber vieles ist erst möglich geworden, nachdem auf europäischer Ebene die Rahmenbedingungen geändert wurden. Steigende Zahlen beim Ausbau der Solar- und Windenergie in Nordrhein-Westfalen haben natürlich damit zu tun, dass auf Landesebene manches angepackt, aber auch damit, dass auf Bundes- und Europaebene entsprechend gearbeitet wurde.”

Im Baurecht, fuhr Röls-Leitmann fort, wurden manche Hemmnisse beseitigt, so dass von 600.000 Photovoltaikanlagen in NRW allein 150.000 in 2023 installiert werden konnten. Als großen Erfolg wertete er das im Dezember 2023 beschlossene Bürgerenergiegesetz NRW, mit dem die Rechtsgrundlage für die Beteiligung der Bürger:innen sowie der Standortgemeinden am wirtschaftlichen Ertrag von Windenergieanlagen geschaffen wurde.

Dadurch soll die Akzeptanz der Windenergie gesteigert und ihr Ausbau beschleunigt werden. In diesem Zusammenhang wies Röls-Leitmann auch auf die im Mai 2023 in Dortmund gegründete und seit Februar 2024 eingetragene Bürgerenergiegenossenschaft hin.

STEAG-Geld zum Schuldenabbau und für Investitionen ins Klinikum

Foto: Mareen Meyer

Kommunale Interessen können auch nach dem Verkauf des Essener Energieunternehmens Steag an den spanischen Finanzinvestor Asterion Industrial Partners gefördert werden.

Obwohl es der Grünen Politik eigentlich widerspricht, war der Verkauf wegen der Renaissance der Kohleverstromung besonders profitabel. Aus dem unerwarteten Geldsegen sollen in Dortmund nun Schulden beglichen, aber auch in einem Umfang von 40 Millionen Euro dringend benötigte Investitionen ins Klinikum ermöglicht werden.

Insgesamt gaben sich die Grünen bei diesem Neujahrsempfang ihrer Erfolge bewusst, aber keineswegs selbstzufrieden. Markus Kurth kam schließlich noch einmal darauf zu sprechen, dass derzeit  Verunsicherungen gezielt geschürt werden – Friedrich Merz beispielsweise besorge damit das Geschäft der AfD.

Kurth forderte: „Wir müssen in der Zusammenarbeit besser werden, und es ist kein Geheimnis, dass das vor allem für einen ganz bestimmten Koalitionspartner gilt, der ein besonders großes Verbesserungspotenzial aufweist.” Die in Dortmund anwesenden Mitglieder und Gäste der Partei dankten den Referent:innen am Ende mit langanhaltendem Applaus für die gelungene Veranstaltung.

Kreisvorstand und Gäste der Dortmunder Grünen freuen sich über einen Rundum gelungenen Neujahrsempfang (von links nach rechts): Johannes Zedel, Prof. Dr. Anke Weber, Felix Berger, Heide Kröger-Brenner, Luis Hotten, Markus Kurth MdB, Terry Reintke MdEP, Christoph Neumann (Ratsfraktion), Hannah Rosenbaum, Marek Paul Kirschniok, Michael Röls-Leitmann MdL und Katrin Lögering (Ratsfraktion).
Kreisvorstand und Gäste der Dortmunder Grünen freuen sich über einen Rundum gelungenen Neujahrsempfang (von links nach rechts): Johannes Zedel, Prof. Dr. Anke Weber, Felix Berger, Heide Kröger-Brenner, Luis Hotten, Markus Kurth MdB, Terry Reintke MdEP, Christoph Neumann (Ratsfraktion), Hannah Rosenbaum, Marek Paul Kirschniok, Michael Röls-Leitmann MdL und Katrin Lögering (Ratsfraktion). Foto: Mareen Meyer

Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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