Die sogenannten „Gastarbeiter“ haben einen wesentlichen Anteil am deutschen Wirtschaftswunder und dem Wachstum und Wohlstand der Nachkriegsjahre. Seit Ende der 1950er Jahre bis zum Anwerbestopp 1973 kamen rund 14 Millionen Arbeitskräfte – Männer und Frauen – nach Deutschland. Elf Millionen kehrten nach einigen Jahren oder Jahrzehnten zurück, drei Millionen Arbeitskräfte aber blieben – mit ihren Familien. Ihnen soll in Dortmund ein Denkmal gesetzt werden.
200.000 Menschen in Dortmund haben eine Zuwanderungsgeschichte
Auf Initiative von Dominik de Marco, dem kulturpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, hatte sich der Kulturausschuss mehrfach mit dem Vorschlag befasst und das Thema mit großer Mehrheit auf den Weg gebracht.
Das Denkmal soll an die Leistungen der Menschen erinnern, die ab den späten 1950er-Jahren u.a. aus Südeuropa und der Türkei zum Arbeiten angeworben wurden, und ihren Anteil an der Dortmunder Stadtgeschichte würdigen. ___STEADY_PAYWALL___
Sie prägen Dortmund bis heute: rund 200.000 Menschen in Dortmund – ein Drittel der Bevölkerung – hat Migrationshintergrund, erinnert Kulturdezernent Jörg Stüdemann. Viele seien die Kinder und Enkel der ersten Generation der Gastarbeiter:innen. Andere haben ihre eigene Geschichte mitgebracht. Doch ein Denkmal erinnert bisher nicht an diese Facette der Stadt.
Das ist eigentlich verwunderlich: Denn im Dortmunder Stadtgebiet gibt es derzeit fast 900 erfasste Werke der Kunst im öffentlichen Raum, von denen sich einige auch auf die Geschichte der Stadt beziehen. Ein Kunstwerk, das die Migration thematisiert, fehlt jedoch bislang. Dies soll sich nun ändern.
Der Rat soll am 16. Dezember über das Denkmal und den Weg dahin entscheiden
Dabei soll das Denkmal in einem partizipativen Prozess aus der Mitte der Gesellschaft heraus entwickelt werden. Der Beschlussvorschlag sieht vor, einen Beirat einzurichten, bestehend aus Vertreter:innen des Integrationsrates, des Kulturausschusses sowie der Museen und des Stadtarchivs. Später soll dieser Beirat als Jury für einen Kunstwettbewerb fungieren.
Im ersten Schritt sind die migrantischen Communities, Vereine und Selbstorganisationen, aber auch alle interessierten Dortmunder:innen angesprochen, Ideen über Aussage, Form, Aussehen und Standort des geplanten Denkmals zu entwickeln. In einem Symposium werden die Ideen vorgestellt und fließen als Vorgaben bzw. Kriterien in einen Kunstwettbewerb ein.
Der Wettbewerb soll mit 200.000 Euro ausgestattet werden und im Laufe des Jahres 2022 starten, begleitet von der städtischen Stabsstelle „Kunst im öffentlichen Raum“. Die Ergebnisse des Wettbewerbs werden öffentlich präsentiert, um den Bürger:innen Gelegenheit zu geben, diese zu kommentieren und zu diskutieren. Die Jury wird am Ende die drei besten Entwürfe prämieren und der Politik zur Beschlussfassung vorlegen.
Der Beschlussvorschlag, der jetzt in die politischen Gremien geht, soll am 16. Dezember 2021 im Rat entschieden werden.
Ehemalige Gastarbeiter:innen aus Dortmund erzählen – Kurz-Doku auf Youtube verfügbar
Am 31. Oktober 1961 unterzeichneten die Türkei und Deutschland ein Abkommen zur Anwerbung von Arbeitskräften aus der Türkei. Daraufhin kamen zahlreiche Menschen auch nach Dortmund, um hier zu arbeiten und ein neues Leben anzufangen. Anlässlich des 60. Jahrestages des Anwerbeabkommens hat die Auslandsgesellschaft.de in Kooperation mit dem Kulturbüro der Stadt Dortmund eine Kurz-Dokumentation mit Gastarbeiter:innen der ersten Generation produziert. Der Film ist ab sofort auf dem Youtube-Kanal der Auslandsgesellschaft.de verfügbar.
In der knapp 20-minütigen Doku kommen drei Menschen zu Wort, die als sogenannte Gastarbeiter:innen nach Dortmund kamen. Sie erzählen von ihrem Start in Dortmund, wie sie aufgenommen wurden und wie sie heute leben. Fadime Köylüoğlu (77) lebt seit 1974 in Deutschland und arbeitete als Putzkraft. „Ich wollte eigentlich niemals die Türkei verlassen“, erzählt sie. Bis heute sieht sie Deutschland nicht als ihre Heimat an.
Die Kurdin Pakize Karadaş ist 72 Jahre alt und kam 1970 nach Deutschland. Sie arbeitete als Küchenkraft. „Ich denke, ich gehöre jetzt hierher“, sagt sie über ihre neue Heimat, „egal wo ich hingehe, ich vermisse immer Dortmund.“ Ihre zwei Kinder und fünf Enkel sind alle Deutsche.
Ismet Meral, 80 Jahre alt, lebt bereits seit 1969 in Deutschland und arbeitete bei einer Tochterfirma von Hoesch. „Für mich ist Deutschland ein toller Ort“, sagt er im Film – obwohl er damals niemals gedacht hätte, dass er so lange bleiben würde.
Produziert wurde der Film von Simon Milz und Ali Sirin im Rahmen der „Merhaba Heimat Kulturtage 2021“.
Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:
Ein Denkmal für Gastarbeiter:innen – Beteiligungsprozess für Ort und Gestaltung