Von Angelika Steger
Schon wieder eine Mieterhöhung…! Manche/r MieterIn ist verunsichert, was zu tun ist. Gleich unterschreiben, weil man Angst vor Sanktionen des Vermieters hat? Man muss die Erhöhung doch akzeptieren, ist alles in dem Schreiben der Wohnungsbaugesellschaft begründet. „Diese Begründungen sind aber oft voller Fehler“ , sagt Tobias Scholz vom Mieterverein Dortmund. Eine Mieterhöhung ist grundsätzlich zulässig, muss dafür aber Voraussetzungen erfüllen. „Da muss man sich auch als Laie mal hineinfuchsen.“ Doch es lohnt, sich genauer mit dem Thema Mieterhöhung und Mietspiegel zu befassen, schließlich geht es um das eigene Geld.
Der Mietspiegel für die Stadt Dortmund: wichtige Orientierungshilfe für MieterInnen und Vermieter
Seit dem 1. Januar 2019 ist der „Mietspiegel“ öffentlich und auf den Webseiten der Stadt abrufbar. Er wird nach wissenschaftlichen Grundsätzen gemäß § 558d Abs. 2 des BGB erstellt und ist damit ein „Mietspiegel“, wie ihn das BGB vorsieht. Damit ist eine Orientierungshilfe vorhanden, die es ermöglichen soll, die Miethöhe einer Wohnung je nach Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage festzustellen.
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In der Tabelle des Mietspiegels gibt es Mietspannen je Quadratmeter Wohnfläche für die monatliche Nettokaltmiete = „ortsübliche Miete“ (Miete ohne Heiz- und Betriebskosten), getrennt nach Baualtersklassen. Vergleichsmieten für Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern werden nicht erfasst.
Betriebskosten sind Grundsteuer, Sach- und Haftpflichtversicherungen, Kosten für Wasserversorgung und Entwässerung, Heiz- und Warmwasserkosten und mögliche Services für das Haus wie z. B. Hausreinigung.
Wenn es eine Mieterhöhung oder Neuvermietung gibt, ist der Mietspiegel zu beachten
Bei Mieterhöhungen und Neu-Festsetzung der Miete (wenn eine Wohnung erstmalig im Neubau vermietet wird) gibt der Mietspiegel eine Orientierungshilfe an der „ortsüblichen Vergleichsmiete.“ Private Vermieter und auch große Wohnungsunternehmen halten sich aber nicht immer daran und nehmen einen „Mietspiegel“ aus dem Netz zur Orientierung für die Festsetzung der Miethöhe.
„Der Begriff ,Mietspiegel’ ist nicht geschützt, deshalb kann ihn jeder benutzen. Das ist das Ärgerliche“, erläutert der wohnungspolitische Sprecher des Mietervereins, Tobias Scholz. Die im Netz abrufbaren Mietspiegel basieren oft nur auf einer kleinen Datenbasis und sind damit nicht aussagekräftig, ermöglichen dem Vermieter aber, höhere Mieten, bzw. größere Mieterhöhungen festzusetzen. Der „Mietspiegel“ von ImmoScout24 beispielsweise hat als Datenbank nur die Mieten der Neuvermietungen inne. Seriös ist das nicht.
Für alle Mieten und Mieterhöhungen gilt: sie müssen sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren, die im Mietspiegel der Stadt Dortmund verzeichnet sind. Mieter sind vom Gesetzgeber geschützt: Mieterhöhungen sind dann rechtens, wenn der Maßstab der ortsüblichen Vergleichsmiete (die erhöhten Mieten der letzten vier Jahre) beachtet wurde.
Der städtische Mietspiegel unterscheidet ebenfalls zwischen Neuvermietungsmieten und Bestandsmieten, weil das Baujahr der Wohnungen, bzw. des Hauses berücksichtigt wird. Je nach Baujahr gibt es in der Mietspiegeltabelle Mietspannen in Euro pro Quadratmeter, denen ein Mittelwert (Median) zugeordnet wird, z. B. für das Baujahr 1978-1994 eine Spanne von 4,97 bis 6,55 €/m². Mietpreise innerhalb dieser Spannen gelten noch als ortsüblich. Mieten, die seit zehn Jahren nicht erhöht wurden, sind nicht im Mietspiegel erhalten.
Zu- und Abschläge sollten ebenfalls bei der Einordnung in den Mietspiegel geprüft werden
Vermieter führen gern Modernisierungsmaßnahmen als Begründung für die Mieterhöhung an. Nicht jede Modernisierung reicht jedoch für eine Mieterhöhung aus. Sind für die Wohnung tatsächlich Ausstattungs- und Modernisierungszuschläge vorgesehen? Das kann man im Mietspiegel erkennen.
Außerdem spielt das Baualter einer Wohnung eine Rolle. Der/die MieterIn sollte auch prüfen, ob Abschläge zu ihren/seinen Gunsten auch wirklich berücksichtigt wurden, z. b. eine Vermietung ohne Oberböden bzw. mit einfachem PVC oder ohne Balkon, Einfachverglasung oder wegen Lärm, z. B. wenn eine Wohnung nah an der S-Bahnlinie 4 liegt.
Mieterhöhungen können aber nicht ins Unermessliche gesteigert werden: der Gesetzgeber sieht hierfür die Kappungsgrenze vor. So darf die Miete innerhalb von drei Jahren um maximal 20 Prozent steigen und seit zwölf Monaten keine Erhöhung erfolgt sein. Maßstab muss der offizielle städtische Mietspiegel sein.
Prüfung der Zu- und Abschläge zeigen Wirkung: Unternehmen Vivawest hat reagiert
Laut Mieterverein wurden vom Wohnungsunternehmen Vivawest Abschläge zugunsten der MieterInnen nicht berücksichtigt oder falsche Zuschläge erhoben. So wurde ein Zuschlag für die Gesamterneuerung der Heizungsanlage erhoben (33 Cent/Quadratmeter), obwohl nur der Kessel ausgetauscht wurde (18 Cent zulässiger Zuschlag).
Der Vermieter Vivawest nahm nach dem Widerspruch des Mietervereins die jeweilige Mieterhöhung zurück oder hat sie reduziert. Geschäftsführer Rainer Stücker jedoch befürchtet, dass auch andere Vivawest-MieterInnen betroffen sein könnten.
Etwas 11.000 Wohnungen gehören dem Konzern allein in Dortmund. Wieder gab es den Verdacht, dass die Kriterien des neuen Mietspiegels nicht vollständig oder korrekt in der EDV von Vivawest enthalten sind.
Der Mieterverein hat deshalb das Wohnungsunternehmen Vivawest aufgefordert, alle im Jahre 2019 verschickten Mieterhöhungen zu prüfen und ggf. zurückzunehmen.
Die Aufforderung zeigte Wirkung: ca. 1.000 Mieterhöhungen wurden storniert, in etwa 900 Fällen seien die Erhöhungen korrigiert worden oder zeitlich zum 1. Juni verschoben worden, in 100 Fällen musste die Erhöhung sogar ganz zurückgenommen werden.
Geschäftsführer Rainer Stücker dazu: „Vivawest hat seinen Fehler eingesehen und sehr korrekt reagiert. Auch bei bereits unterschriebenen Mieterhöhungsschreiben wurde die Erhöhung zurückgenommen.“ Selbstverständlich sei das bei großen Wohnungsunternehmen nicht.
Mieterhöhungen immer prüfen: auch kleine Differenzen können 100 Euro Mehrkosten im Jahr ausmachen
Der Mieterverein Dortmund beobachtet beim aktuellen Wohnungsmarkt eine Steigerung um 10% in 10 Jahren, in denen der Mietspiegel bereits existiert. Zwar ist der/die MieterIn gesetzlich geschützt, nach der Erhöhung aber erstmal allein und ratlos. Zwei Monate stehen jeder-/m MieterIn zu, um die vom Vermieter festgesetzte Erhöhung zu prüfen. „Das sollte man in Ruhe tun. Heute berechnet eine Software die Mieterhöhung, elektronisch und automatisch. Vor allem die größeren Wohnungsunternehmen sind da sehr aktiv“ sagt Scholz.
Für MieterInnen ist es ein Ärgernis, wenn die Mieterhöhung falsch berechnet wurde: zu wenig Datenbestand, mit dem die Software gerechnet hat, ist eine Ursache. Sogenannte „gefangene Räume“ sind eine andere, wenn ein Durchgang von einem Zimmer in das andere, ein solcher Raum aber nicht berücksichtigt wurde. Der Anteil moderner Wohnungen, für die eine Miete neu vereinbart wurde, ist gestiegen.
„Beim aktuellen Mietspiegel ist zu erkennen, dass es eine 3 bis 4-fache Mieterhöhung gegeben hat“, sagt Rainer Stücker vom Mieterverein. „Wenn die Modernisierung länger zurückliegt, ist sie nicht im Mietspiegel enthalten“, ergänzt sein Kollege Tobias Scholz. Als Information sei es auch zunächst in Ordnung, dass es sich bei ImmoScout24 nur um Neuvermietungen handelt. „Was aber nicht korrekt ist: die Verwendung des Begriffs ,Mietspiegel’ bei ImmoScout24“, fügt Stücker hinzu.
Mietervereins Dortmund: LEG Wohnen legt häufig falsch berechnete Mieterhöhungen vor
Auffällig häufig falsch berechnete Mieterhöhungen gib es bei dem Wohnungsunternehmen LEG Wohnen Service GmbH. Geschäftsführer Rainer Stücker und Sprecher Tobias Scholz zeigen ein Schreiben der LEG an eine/n ihrer KlientInnen vor. Zwar gibt die Vermieterin, die LEG, einen Oberwert als Referenz an, nimmt ihn aber nicht. Aus Scharnhorst sind dem Mieterverein einige Mieterhöhungen bekannt, bei denen die LEG Mieten oberhalb des Mittelwerts verlangt.
Statt des Medians von 5,38 Euro im städtischen Mietspiegel sind 6,12 Euro angegeben. Die Differenz wirkt erst mal harmlos. „Man muss das aber auf die Gesamtfläche der Wohnung hochrechnen und dann kommt im Monat und Jahr doch ein bedeutsamer Betrag heraus“ warnt Scholz. Als Beispiel: die Überschreitung des Medians liegt „nur“ bei 0,12 Euro/Quadratmeter, das macht für eine 80 Quadratmeter eine überhöhte Mieterhöhung von über 100 Euro im Jahr.
Die rechtlich notwendige Begründung für diese zu starke Mieterhöhung macht die LEG allerdings nicht. Nur wenn bei allen für den Mietspiegel wichtigen Kriterien eine Wohnung überdurchschnittlich zu bewerten ist, darf vom Medianwert abgewichen werden, so das Landgericht Dortmund (AZ 11 S 90/12 und 11 S 57/12 vom 25.06.2012). Ängstliche Mieter würden schon am ersten Wochenende unterschreiben, erzählt Stücker. „Aber nicht unter Druck setzen lassen, denn wenn die Zustimmungserklärung unterschrieben ist, gibt es kein Rücktrittsrecht.
Städtische DOGEWO-Wohnungsgesellschaft verhält sich mieterfreundlich
Der Mieterverein appelliert an alle MieterInnen, sich rechtzeitig zu informieren und sich von Mieterhöhungsschreiben nicht verunsichern zu lassen. Mieterfreundlich verhalte sich die DOGEWO-Wohnungsgesellschaft: sie legt dem Mietvertrag oder dem Mieterhöhungsschreiben den städtischen Mietspiegel bei. So muss der/die MieterIn nicht erst sich selbst den Mietspiegel besorgen. Nach zwölf Monaten darf wieder eine Mieterhöhung erhoben werden.
Die LEG bleibt beim Mieterverein weiter in der Kritik: ihre Mieterhöhungen seien immer intransparent; die Begründung, warum die Erhöhung über den Mittelwert liegt, wird nicht gemacht. Auffällig ist, dass nach 15 Monaten regelmäßig eine Mieterhöhung erfolgt. Deshalb ist Sorgfalt gefragt, bei wem und wo man eine Wohnung mietet.
Der Mieterverein bietet einen kostenfreien Online-Mietspiegel-Rechner und einen Sonderdruck mit Berechnungshilfe an. Wer Mitglied beim Mieterverein wird, kann sich in allen Rechtsfragen einer Mieterhöhung beraten lassen.
Weitere Informationen:
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Mieterverein und VHS Dortmund (Pressemitteilung)
Betriebs- und Heizkosten – Stimmt meine Nebenkostenabrechnung?
Über die Betriebskosten einer Wohnung muss einmal jährlich abgerechnet werden. Die Praxis zeigt: Annähernd jede zweite Betriebskostenabrechnung weist gravierende Mängel auf.
Sowohl bei der Erstellung der Abrechnung durch Vermieter, als auch bei Einwendungen der Mieter gilt es Fristen und Formalien einzuhalten. Dabei führt eine sich ständig ändernde Rechtsprechung zu Verunsicherung bei den Betroffenen.
Die Veranstaltung informiert rechtsicher für Vermieter und Mieter über die wichtigsten Fragen des Betriebskostenrechts. Was sind Betriebskosten? Unter welcher Voraussetzung können Sie im Mietverhältnis umgelegt werden? Wie muss eine korrekte Abrechnung formell und inhaltlich aussehen und bis wann muss sie vorliegen? Welche Grundsätze müssen hinsichtlich Verteilerschlüssel und Vorverteilung beachtet werden? Welche Überprüfungsmöglichkeiten gibt es und zu welchem Zeitpunkt müssen Nachzahlungen oder höhere Vorauszahlungen geleistet werden?
Die Veranstaltung findet im Rahmen des Volkshochschulprogramms 2020 statt. Die VHS Dortmund und der Mieterverein Dortmund an der Kampstr. 4 führen erneut gemeinsame Informationsveranstaltungen zu Fragen des Miet- und Wohnungsrechtes durch.
Teilnahmegebühren werden nicht erhoben. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Zeit: Montag, 10. Februar 2020, 19.00-20.30 Uhr,
Ort: in den Räumen der Volkshochschule im VHS-Gebäude, Hansastraße 2-4/Ecke Königswall, Dortmund-Innenstadt
Referent: Rechtsanwalt Martin Grebe, Leiter Miet- und Wohnungsrecht, Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.