Von Klaus Winter
Fragt man nach jüdischen Künstler:innen aus Dortmund, so denken wohl die meisten an den Bildhauer Benno Elkan. Der ist in der Stadt noch präsent aufgrund einer nach ihm benannten Straße, der virtuellen Präsentation eines Mahnmals im Museum für Kunst und Kulturgeschichte und wegen Reliefs an Grabmälern auf dem Ostfriedhof. Doch es gab auch andere jüdische Künstler aus Dortmund. Zu ihnen gehört die jung verstorbenen Schauspielerin Martha Schanzer.
Vater war Verleger des Dortmunder Tageblatts – Emil Binder übernahm die Ausbildung
Martha Schanzer wurde am 4. Juli 1900 als jüngstes Kind der Eheleute Viktor Schanzer und Martha geb. Wolff in Dortmund geboren. Die Familie wohnte im Haus Balkenstraße 27.
Viktor Schanzer war von Beruf Buchhändler, Verleger und Besitzer einer Buchdruckerei. Im Mai 1901 wurde er als Inhaber der Firma Viktor Schanzer, Verlag des Dortmunder Tageblatts mit Lokal-Anzeiger in das Handelsregister eingetragen.
Martha Schanzer besuchte die Städtische Mädchenmittelschule, die damals an der Hansastraße lag. Während einer Schulfeier anlässlich des Geburtstags des Kaisers trug sie ein Gedicht vor. Deshalb wurde sie bei der Besprechung der Feier in der Tagespresse namentlich genannt.
Schanzer trat in Düsseldorf und Frankfurt auf
Nach Beendigung ihrer Schulzeit ließ Martha Schanzer sich durch Emil Binder zur Schauspielerin ausbilden. Binder war vermutlich um 1906 in die Stadt gekommen und Schauspieler an den Städtischen Bühnen Dortmund.
Die Ausbildung durch Emil Binder trug Früchte: Im Frühjahr 1921 wurde Martha Schanzer an das Freilicht-Theater Düsseldorf geholt. Im Sommer 1924 wurde sie vom Schauspielhaus Frankfurt am Main engagiert. Dort blieb sie etwa drei Jahre und wohnte an unterschiedlichen Adressen.
Im Juni 1925 spielte sie in einer Inszenierung von Goethes Faust, I. Teil die Rolle des Ersten Bürgermädchens, in der Theatersaison 1926/27 die Rolle der Miranda in Shakespeares „Sturm“. Im Rahmen einer literarischen Matinee im Februar 1927 hatte sie mehrere Auftritte.
Martha Schanzer besaß ein schönes Talent
Im Jahr 1925 übernahm Martha Schanzer für einen Auftritt die Rolle der Tschang-Haitang in Klabunds Märchenspiel „Der Kreidekreis“ am Dortmunder Theater. Der Auftritt hatte das Ziel, sie dem Dortmunder Publikum vorzustellen.
In der Rezension wurde Schanzer sehr gelobt: „Mit ihrem schönen Talent, das sich schon an anderen Bühnen bewährte, war sie den Aufgaben dieser vielseitigen, überaus dankbaren Rolle vollauf gewachsen“.
Lange Krankheit beendete die junge Karriere
Martha Schanzers Schauspielkarriere währte nur einige Jahre. Beim Tode ihrer Mutter im Januar 1929 lebte sie bereits wieder in Dortmund. Nachrichten über eine Schauspieltätigkeit hier fehlen.
Möglicherweise war Martha Schanzer bereits erkrankt. In ihrer Todesanzeige hieß es, dass sie „nach langer, schwerer, heldenhaft ertragener Krankheit“ verstorben war. Ihr Todestag ist der 6. November 1930.
Letzte Ruhestätte auf dem Hauptfriedhof
Martha Schanzers Grab befindet sich auf dem Hauptfriedhof. 1983 wurde die in Amsterdam verstorbene Schwester Henriette Schanzer an ihrer Seite beigesetzt.
Auf dem Hauptfriedhof haben auch die Mutter Martha Schanzer geb. Wolff, gestorben 3. Januar 1929, und der Vater Viktor Schanzer, gestorben 10. Oktober 1942 ihre letzte Ruhestätte gefunden.
Hintergrund:
- Der Historische Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e. V. (gegr. 1871) ist Träger des Projekts „Jüdische Identität, jüdisches Leben und jüdische Friedhöfe in Dortmund“.
- Ausgehend von einer wissenschaftlich fundierten Bestandsaufnahme aller historischen jüdischen Friedhöfe im Stadtgebiet sollen neue Erkenntnisse über das Leben und Wirken jüdischer Mitbürger gewonnen und dokumentiert werden.
- Das Projekt wird gefördert mit Mitteln aus dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen („Heimatzeugnis“).