Die „JA“ als Karriereleiter für den rechten Nachwuchs (Teil 2 von 2)

Die Junge Alternative: Regionale Aktivitäten der „Bezirksgruppe Arnsberg“

Inszenierung der JA Arnsberg in Dortmund-Hörde, Februar 2021
Inszenierung der JA Arnsberg in Dortmund-Hörde, Februar 2021 Quelle: Twitter @HartwigJA

Ein Gastbeitrag von Rainer Roeser und der Mobilen Beratung
gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg

Die Junge Alternative für Deutschland (JA) ist die Jugendorganisation der Alternative für Deutschland (AfD). Durch die im April 2023 erfolgte Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz rückte sie bisher am stärksten ins Licht der Öffentlichkeit. Dabei ist die Parteijugend seit Jahren ein relevanter Machtfaktor innerhalb der Partei und bestens vernetzt in allen Bereichen ihres politischen Umfelds. Im zweiten Teil der Artikelserie werden vor allem die regionalen Aktivitäten im Rahmen der ‚Bezirksgruppe Arnsberg‘ in den Blick genommen, die vor allem in Dortmund und Umland organisiert ist. 

Wachsender Einfluss an der Parteibasis

Die Junge Alternative organisiert sich in NRW vorrangig in Bezirksgruppen, verteilt auf die fünf Regierungsbezirke des Landes. Hierüber sammelt sie in den Regionen ihre Mitglieder und entfaltet einen Großteil ihrer lokalen Aktivitäten. Die Bezirksgruppe Arnsberg ist im östlichen Ruhrgebiet sowie im Sauer- und Siegerland aktiv.  Eine Organisierung über die Bezirksebene hinaus (beispielsweise in Ortsgruppen) ist nicht erkennbar.

Die Junge Alternative ist ein Männerclub - und hält nichts von Frauenquoten.
Die Junge Alternative ist ein Männerclub – und hält nichts von Frauenquoten.

Dennoch ist der Einfluss der Jugendorganisation auf die zwölf AfD-Kreisverbände im Bezirk zuletzt sichtbar gestiegen: Noch vor zwei Jahren besetzten ausschließlich ältere Männer die Sprecherposten der Parteigliederungen, dies hat sich mittlerweile geändert. Ein ‚Männerclub‘ sind die hiesigen Kreisvorstände zwar weiterhin, aber die Parteijugend ist stärker vertreten.

So besetzen mit Marco Kleine und Tim Csehan zwei aktive Mitglieder der JA Arnsberg Sprecherposten in den Kreisverbänden (KV) Hochsauerland- und Ennepe-Ruhr-Kreis, Nils Hartwig und Manuel Linnemann fungieren als stellvertretende Sprecher der KV Unna und Soest. Darüber hinaus finden sich verstärkt JA-Mitglieder in der erweiterten Vorstandsarbeit der Parteigliederungen, beispielsweise David Janzen als Beisitzer im KV Hochsauerlandkreis (Stand: Oktober 2022).

Während die Parteiarbeit demnach bereits stark vom Nachwuchs geprägt wird und diese auch regelmäßig bei Wahlkämpfen und Veranstaltungen eingebunden ist, fielen bei der Kommunalwahl 2020 noch kaum Mandate an die Parteijugend. Eine Ausnahme bildet zum Beispiel Friederike Hagelstein als Fraktionsvorsitzende im Stadtrat von Lünen (Kreis Unna).

Helferichs Identitäre

Das Personal der JA Arnsberg ist eng mit dem näheren Umfeld des Dortmunder Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich verflochten. Im Januar 2020 verfasste Tim Csehan aus Witten, damals stellvertretender JA-Landessprecher, zusammen mit ihm die ‚Marler Erklärung‘, die ein Impuls für den Landesparteitag sein sollte. Csehan und Helferich schreiben dort mit allerlei völkischem Kitsch von der „Rettung Deutschlands in der von uns geliebten Form“.

AfD-Bundestagskandidat Matthias Helferich hat sich in der Partei viele Feinde gemacht. Foto: Alex Völkel
Matthias Helferich hat sich in seiner Partei viele Feinde gemacht. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Mit Nils Hartwig aus Holzwickede ist zudem ein umtriebiger JA-Kader in der Region aktiv, der in der Parteijugend verschiedene Ämter besetzt. Hartwig ist nicht nur Sprecher der Bezirksgruppe Arnsberg, sondern auch stellvertretender Landesvorsitzender und stellvertretender Sprecher im Bundesvorstand. Zur Landtagswahl 2022 trat er als Direktkandidat im Hochsauerlandkreis an. „Sauerland schützen!“, schwarzrotgelb unterlegt, prangte es von einer Fotomontage, die Hartwig zusammen mit Jürgen Antoni (KV Hochsauerlandkreis) zeigte.

Wovor das Sauerland seiner Ansicht nach ‚geschützt‘ werden müsse, führte Hartwig im WDR-‚Kandidatencheck‘ aus: Man dürfe „es nicht so weit kommen lassen, dass unsere noch sehr intakten Innenstädte sterben und einer Ghettoisierung zum Opfer fallen“. Er beobachte ferner „eine immer offenere und aggressivere Landnahme durch afrikanische Zuwanderer“, wie er wenige Wochen nach der Wahl auf Twitter nachschiebt. Daraus folgt für Hartwig: „Unser Volk kann nur mit einer Politik der Null-Zuwanderung überleben“.

Hartwig, der zeitweise auch im Düsseldorfer Landtag für die AfD-Fraktion arbeitete, zählt, wie ein großer Teil der JA Arnsberg, zum Umfeld von Matthias Helferich. Darüber hinaus steht er mit seiner politischen Biografie prototypisch für die Verflechtungen der Parteijugend mit extrem rechten Gruppierungen: Er war nicht nur für die DB-Burschenschaft Normannia-Nibelungen (Bielefeld) aktiv, sondern trat früher auch als ‚Sprecher‘ der IB in Bielefeld auf und nahm bundesweit an Aktionen teil, beispielsweise bei der ‚Blockade‘ der CDU-Parteizentrale im Jahr 2016.

Wenig verwunderlich ist es dann auch, dass die JA Arnsberg sich unter seinem Vorsitz immer wieder am Aktionsrepertoire der IB bedient. Zum Beispiel in Gelsenkirchen, Juli 2020: Mit Lenin-Masken und einem blutrot-gefärbten Banner („100 Millionen Tote“) versehen zogen eine Handvoll Mitglieder der JA vor die Parteizentrale der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD). Anlass war eine dort enthüllte Lenin-Statue.

Nach ein paar Fotos und auf dem Gehweg verteilten Kunstblut war die Aktion beendet. Man wollte so ein „starkes Zeichen für die Freiheit des Einzelnen und gegen sozialistischen Totalitarismus“ setzen, hieß es später auf der Facebook-Seite der JA Arnsberg. Denn „auch heute gilt es den linksextremen Terror der Antifa und Ihren Gesinnungsgenossen zivilisiert und mit aller Härte des Gesetzes zu bekämpfen und ihre Mittelsmänner in Parlamenten und Stiftungen zu entlarven“ (Rechtschreibfehler i. Original).

„Solidarität mit unseren Leuten“

Ungewollt komisch wirkt es dann, wenn sich die JA Arnsberg bei einer weiteren Aktion nach dem IB-Schema selbst einer DDR-Rhetorik bedient. „Vom Arbeitervolk zum Volk ohne Arbeit“ prangte es im Februar 2021 auf einem Banner, das die Rechtsextremen auf einem Viadukt in Dortmund-Hörde präsentierten. Als Kulisse nutzten sie die Industrieruinen der Phoenix-Werke.

Bild: Junge Alternative für Deutschland - Facebook

Das kurze Video der Aktion wird von der JA mit dem Hashtag „#solpat“ beworben, abgeleitet vom Begriff des ‚Solidarischen Patriotismus‘, der seit Jahren in sozialpolitischen Diskussionen der AfD gesetzt wird und zugleich Titel eines im extrem rechten Antaios Verlag veröffentlichten Buches ist.

Der Bezirksverband inszenierte sich in diesem Sinne auch vereinzelt als ‚Kümmerer‘-Organisation – freilich nur für „unsere Leute“ (Hartwig). So verteilten sie zusammen mit Helferich Pakete an wohnungslose Menschen in Dortmund oder ließen sich nach der Flut im Juli 2021 bei Aufräumarbeiten in Hagen fotografieren.

Dorfkneipe und Wahlkreisbüro in Kamen

Vereinzelte größere Veranstaltungen der JA Arnsberg fanden zumeist in Dortmund statt, wie eine Demo und Kundgebung gegen „Impfzwang“ im November 2021 oder eine Kundgebung mit dem Titel „Die Jugend wählt blau“ im April 2022, kurz vor der Landtagswahl. Über eigene Räumlichkeiten verfügt der Parteinachwuchs im Bezirk nicht, für Saalveranstaltungen und „Kongresse“ wird aber oft eine kleine Gaststätte in Kamen (Kreis Unna) genutzt, in der in früheren Jahren auch der NPD Kreisverband Unna-Hamm Schulungen und Vortragsveranstaltungen durchführte.

Aufgrund dieser Umstände forderte Hartwig in der JA-Zeitung ‚Distel‘ „patriotische Jugendzentren“ und „von der Partei gestellte Rückzugsorte für Jung und Alt“. Ansatzweise kann diese Forderung das im August 2022 eröffnete Wahlkreisbüro von MdB Helferich in Dortmund-Dorstfeld erfüllen, das bereits von der JA für interne Veranstaltungen genutzt wird.

Völkischer Karrierismus „als dringend benötigte rechte Avantgarde“

Aufkleber, die es beim Stand der JA beim AfD-Landesparteitag im April in Marl gab.
Aufkleber, die es beim Stand der JA beim AfD-Landesparteitag im April in Marl gab.

Im ‚Basislager‘-Podcast der JA NRW formuliert Hartwig einen Anspruch an die Jugendorganisation: „Ich glaube an die Zukunft unserer Jungen Alternative. Weniger als Massenorganisation, sondern mehr als dringend benötigte rechte Avantgarde, die Impulse in die AfD sendet“. Der JA Arnsberg fehlt es tatsächlich an einer breiteren Basis und als ‘Avantgarde’ kann sie in hiesigen Gefilden wie auch überregional nur schwerlich bezeichnet werden. Zumindest gelang es ihr aber, in den vergangenen Jahren ihre Relevanz in den lokalen Strukturen der AfD auszubauen.

Erkennbar ist auch eine zweigleisige Strategie, zwischen neurechtem Aktivismus und den Niederungen der Kreisverbandsarbeit. Die Anleihen bei der IB sind aufgrund ihres Personals logisch, die Aktionen werden aber nur dosiert eingesetzt. Inhaltlich liegt man mit der offenen Bezugnahme zur ‚Neuen Rechten‘ sowie hemdsärmelig vorgetragenen Provokationen politischer Gegner*innen inner- und außerhalb der Partei ganz auf Linie der Gesamt-JA.

Zugleich bringt man sich in Trachtenjanker, Anzug und Lederschuhen für künftige Parteiämter und Mandate in Stellung. Die aktivistische Fassade sollte also nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in der JA Arnsberg vor allem die Karrierechancen in der Mutterpartei im Vordergrund stehen.

Mehr Informationen:

  • Der Artikel wurde leicht abgeändert einer Handreichung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg entnommen. Sie wurde im April 2023 veröffentlicht und ist online abrufbar: mobile-beratung-gegen-rechts.de/fileadmin/user_upload/Webversion_auf-dem-schirm-2-die-junge-afd-2023-3-komprimiert.pdf 
  • Die Mobile Beratung ist eine Beratungs- und Fachstelle, die unkompliziert und vertraulich Unterstützung im Umgang mit extrem rechten, rassistischen, antisemitischen und antifeministischen Herausforderungen anbietet.
  • Sie wird in NRW gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung sowie das Bundesprogramm Demokratie leben! (mobile-beratung-nrw.de).  
  • Eine ausführliche Einordnung zur Jungen Alternative findet sich auch in der Ausgabe #90 der LOTTA – Antifaschistische Zeitung für NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen. 
  • Umfassende Dokumentationen und Analysen zum neurechten Nachwuchs finden sich unter anderem bei der Rechercheplattform zur Identitären Bewegung (identitaere-in-bochum.net) sowie dem Kollektiv ‚IfSdichtmachen‘ (ifsdichtmachen.noblogs.org). 
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