Die Lage für die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Dortmund spitzt sich erneut zu: Auch die neuen Kapazitäten reichen (noch) nicht aus, sodass ab der kommenden Woche neu ankommende Menschen kurzfristig und übergangsweis in den Brügmann-Sporthallen in der Innenstadt untergebracht werden sollen.
Land weist den Kommunen aktuell täglich neue Flüchtlinge zu
Denn die Zahlen sind noch einmal sprunghaft angestiegen, sodass die kommunalen Kapazitäten kurzfristig nicht ausreichen. Denn die neue Notunterkunft in der Adlerstraße – zumindest das Erdgeschoss – ist mit 40 Menschen vollbelegt.
Die erste und zweite Etage werden jedoch erst Mitte Dezember für weitere 80 Flüchtlinge zur Verfügung stehen. Spätestens dann gibt es auch weitere 200 Plätze in neu angemieteten Wohnungen – der Wohnraum wird gerade hergerichtet. Weitere 40 Wohnungen hat die Stadt bereits ins Visier genommen – auch etwa Platz für weitere 100 Menschen.
Doch das braucht Zeit, die die Stadt nicht haben wird. Daher hat der Krisenstab für die Unterbringung von kommunal zugewiesenen Flüchtlingen unter der Leitung von Sozialdezernentin Birgit Zoerner jetzt entschieden, kurzfristig eine Turnhallennutzung als Notlösung zu realisieren.
Zoerner: „Am Ende ist die Turnhalle die beste Notlösung“
30 bis 40 Menschen bekommt die Stadt durchschnittlich pro Woche vom Land zugewiesen. Üblicherweise erfährt die Stadt am Ende der Woche, wieviele Menschen in der kommenden Woche ankommen werden. Vielleicht gibt es dann mal noch eine Nachmeldung.
Doch aktuell ordnet das Land fast täglich neue Zuweisungen an: Für diese Woche waren sieben Flüchtlinge angekündigt. Aber dann gab es jeden Tag weitere: 15, 28, 1 und 18 Personen – statt 7 kamen in dieser Woche bereits 69. „Das ist ein gewaltiger Sprung. Wir hatten es noch nie, dass täglich nachgemeldet wurde“, so Zoerner. Daher rechnet die Stadt jetzt schon mit 50 Neuankömmlingen pro Woche.
„So lange wir keine Größenordnungen kennen, hat das immer ein gewisses Risiko“, verdeutlicht Zoerner. Daher wird die Feuerwehr ab Montag die beiden Sporthallen am Brügmann-Block herrichten. „Am Ende ist die Turnhalle die beste Notlösung.“
Feuerwehr kümmert sich um die Herrichtung der Sporthallen in der Innenstadt
„In einer Notsituation ruft man die Feuerwehr. Und besondere Situationen bedürfen besonderer Lösungen“, betont Feuerwehr-Chef Dirk Aschenbrenner. Auch 2012 hatte die Feuerwehr schon die Sporthallen hergerichtet – damals sogar noch kurzfristiger.
„Natürlich ist es nicht Schwerpunktaufgabe der Feuerwehr, diese humanitären Einsatze zu fahren. Aber wir machen das gerne“, so Aschenbrenner. „Allerdings ist die Feuerwehr für eine längere Unterbringung nicht ausgestattet. Bei Bränden oder Evakuierungen von 24 bis 48 Stunden Dauer kann sie mehrere hundert Personen unterbringen.
Darauf richtet sich die Feuerwehr auch jetzt ein: Sie richten die beiden Sporthallen für 300 Personen her. „Auch wenn wir nicht damit rechnen, dass so viele Menschen kommen. Aber wir wollen nicht nachträglich weiterbauen“, so der Feuerwehr-Chef. 300 Feldbetten, Trennwände, Biertisch-Garnituren werden ab Montag aufgebaut. Die Sporthalle hat unter anderem deshalb den Vorzug vor den Westfalenhallen bekommen, weil hier auch entsprechende Sanitäranlagen und Nebenräume zur Verfügung stehen.
Sportvereine müssen ausweichen – Schulsport fällt aus
Die Stadt habe es sich nicht leicht gemacht, weil dies eine Belastung für die Vereine darstelle. Die Fachschaften und Verbände seien am Mittwoch informiert worden – betroffen sind Handball, Volley Basketball, Tischtennis und Hockey. Teilweise können die Trainingseinheiten und Spiele in andere Hallen verlagert werden. Teilweise werden die Mannschaften versuchen, mit ihren Gegnern Heim- und Auswärtsspiele zu tauschen. Und wenn dies nicht gelingt, müssen zur Not auch Spiele abgesagt und die im Ligabetrieb vorgesehenen Nachholtermine genutzt werden. Der Sportunterricht der Berufsschulen fällt aus.
Johanniter Unfallhilfe übernimmt die Betreuung der Menschen in den Hallen
Die Betreuung der Flüchtlinge und ihre Unterbringung wird in der ersten Woche die Johanniter-Unfallhilfe übernehmen. Die Johanniter sind auf solche Großlagen eingerichtet – ihre Spezialgruppe Betreuung sitzt auch in Dortmund. Zehn Helferinnen und Helfer werden dauerhaft vor Ort sein. Verstärkt werden sie bei Bedarf durch Rettungsassistenten.
Die Feuerwehr ist für diese Aufgabe gerüstet, weil sie ihren Einsatz im Jahr 2012 sehr systematisch ausgewertet hat. Sie ht daraus gelernt. So werden jetzt spezielle Hygienepacks – unterschiedlich gepackt für Männer, Frauen und Kinder bereitgestellt.
Wie schon in der Adlerstraße hofft die Stadt auf eine hohe Spendenbereitschaft. Vor allem Winterbekleidung und großes Kinderspielzeug wie Roller und Fahrräder werden benötigt.
Die vorübergehende Spendenadresse für Spielzeug, Kleiderspenden etc. lautet: Johanniter Unfallhilfe Dortmund, Wittbräucker Straße 26, 44287 Dortmund, Tel. 0231/44 23 23-0. Ansprechpartner ist Martin Vollmer.
Feuerwehr: Einsätze als Aufgabe des Bevölkerungsschutzes einplanen
Außerdem bemühen sich die Helfer, Dolmetscher zur Verfügung zu stellen, damit man schnell und gezielt reagieren kann. Das Sozialamt bemüht sich fieberhaft darum, einen Betreiber zu finden, der im „Fall der Fälle“ nach einer Woche den Betrieb der Notunterkunft übernehmen kann. Die Gespräche stehen kurz vor dem Abschluss. Caterer und Reinigungsfirma sind ebenfalls beauftragt. Außerdem wird das Sozialamt vor Ort ein Büro einrichten, um die administrativen Arbeiten zu übernehmen.
Spenden gesucht: Winterkleidung und Spielzeug
Auch hier habe die Dortmunder Feuerwehr aus den Erfahrungen vor zwei Jahren lernen können, unterstreicht Dirk Aschenbrenner. „Es ist nicht unsere Kernaufgabe. Aber das heißt ja nicht, dass nicht auch zu einer Kernaufgabe werden kann.“ Man müsse darüber nachdenken, ob dies nicht auch perspektivisch Aufgabe des Bevölkerungsschutzes werden könne. „Das muss dann mit Land und Bund abgesprochen werden und langfristig vernünftig geregelt, finanziert und ausgestattet werden.“
Stadt prüft stadtweit weitere Standorte für Notunterkünfte
Weitere feste Notunterkünfte sind übrigens in Arbeit. Die Stadt prüft noch immer in der gesamten Stadt freie Flächen und leerstehende Gebäude. In zwei Wochen soll spruchreif sein, ob und welche Optionen es noch gibt.
Bei einer solchen Prüfung war man auch auf die ehemalige Abendrealschule in der Adlerstraße gekommen, die aktuell hergerichtet wird.
Schließlich will man die Sporthalle spätestens zum Jahresende wieder für den Sportbetrieb zur Verfügung haben. „Wenn es eine Alternative dazu gegeben hätte, dann hätten wir anders gewählt“, so Zoerner.
Sobald aus Grevendiecks Feld Flüchtlinge in Wohnungen vermittelt werden können, sollen die Menschen aus der Sporthalle nachrücken. Es wird also ständig Neubelegungen geben.
Kritik am Land: Landesweites Lagebild fehlt und schafft Planungsunsicherheiten
Doch die Unsicherheit bleibt: „Das ist das Problem, dass wir kein Landeslagebild haben“, kritisiert Zoerner das Land NRW. Denn die Zuweisungen kommen aus den zentralen Unterbringungseinrichtungen. Doch die Kommunen werden erst sehr kurzfristig informiert.
„Bei allen Kommunen ist es das gleiche Problem. Im Rheinland ist es teilweise sogar noch schwieriger, weil kaum Möglichkeiten bestehen, Wohnraum anzumieten“, so Zoerner. In Dortmund hätten die Menschen aber eine Perspektive, in Wohnraum zu kommen. „Das bleibt der Dortmunder Weg. Große Kooperationsbereitschaft der Wohnungswirtschaft.“
Zoerner zur Unterbringung: „Es muss uns gelingen und es wird uns gelingen!“
Die Sozialdezernentin glaubt nicht, dass der Zustrom abreißen wird. „Er wird wohl deutlich länger als bis Frühjahr anhalten“, prognostiziert sie – wohlwissend, dass dies ein Lesen in der Glaskugel ist. Denn immer mehr Nachbarstaaten Syriens machen verständlicherweise die Grenzen dicht. Der kleine Libanon hat bereits 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen – bei nur vier Millionen Einwohnern.
„Also werden noch mehr Flüchtlinge versuchen, nach Europa zu kommen“, verdeutlicht Birgit Zoerner die Lage. Aktuell sind in Dortmund 2100 Flüchtlinge und Asylbewerber – 1700 von ihnen in Wohnungen – untergebracht. „Wir haben als Kommune die rechtliche Verpflichtung, Menschen aufzunehmen. Es muss uns gelingen und es wird uns gelingen!“
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