Von Jennifer Pahlke
Nahostkonflikt, Hummus, Falafel und jetzt der ESC – damit verbinden die meisten Israel. Für Deutschland kann man auch einige Stereotypen und Vorurteile aufzählen: Nazis, Weißwurst, Sauerkraut und Bier. Doch keines der Länder lässt sich alleine darauf reduzieren. Und genau das haben 22 TeilnehmerInnen des deutsch-israelischen Austauschprojekts „Your Story Moves!“ erfahren.
Dortmund und Israel – unterschiedlicher könnten die Kulturen nicht sein, trotzdem sind wir alle gleich
Zehn deutsche und neun israelische Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 18 und 27 nehmen an dem Rückbesuch in Dortmund teil. Zuvor waren sie eine Woche im Oktober in Israel. Der Austausch steht unter dem Thema Migrationsgeschichte. Im Vordergrund stehen die Deutsch-Israelischen Beziehungen und der Diskurs der beiden Kulturen.
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Jeder der TeilnehmerInnen sollte eine eigene Migrationsgeschichte haben oder zumindest eine große Affinität zu diesem Thema. „Wenn man keine Migrationsgeschichte hat, ist man nicht automatisch aus diesem Programm raus“, erklärt Zeynep Kartal, Projektkoordinatorin Multikulturelles Forum e.V..
Menschen seien vielfältig, so Ilira Alliai von ConAct, dem Projektträger. „Jeder Mensch hat eine interessante Geschichte zu erzählen – egal ob mit Migrationshintergrund oder nicht“. Und genau das solle im Mittelpunkt der interkulturellen Begegnung stehen. Anderen zuhören und herausfinden wer sie sind und wie sie ticken. Oft finde man ein Stück von sich in dem Gegenüber.
Migration ist nicht immer ein Handicap – aber oft mit Rassismus und Ausgrenzung verbunden
Und Migration ist ja auch nicht immer negativ traurig oder dramatisch, obwohl es oftmals so aufgenommen wird. Denn ein Migrationshintergrund bringe auch einige Vorteile mit sich, wie besseres interkulturelles Verständnis und natürlich die Bilingualität oder sogar Mehrsprachigkeit.
Neben dem Umgang mit Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus steht auch die Erinnerungskultur an die Shoah und den Nationalsozialismus im Fokus. Die meisten der Teilnehmenden hätten Erfahrungen damit gemacht. Erfahrungen mit dem Anderssein oder dem anders behandelt werden. Aber auch hier gibt es einen anderen Blickwinkel.
Aufgrund dessen, dass fast alle TeilnehmerInnen eine Migrationsgeschichte haben laute die Frage eher: Wie gehe ich damit um, wenn meine Vorfahren nicht hier (in Deutschland/ Israel) gelebt haben? Wie könne man sich an etwas erinnern, woran man nicht aktiv beteiligt war?
Lernen und das Gelernte weitergeben, ist das Motto des Projekts, genau wie interkulturelle Begegnungen
Es gehe darum, dass die Teilnehmenden eher als Multiplikatoren fungieren sollen, das Gelernte an andere weitergeben sollen. Viele der Jugendlichen würden auch ehrenamtlich im Bereich Jugend und Integration arbeiten und wären somit ideal dafür geeignet, anderen die gelernten Inhalte zu vermitteln.
„Es ist immer was anderes, wenn man das selbst erlebt hat. Da kann man dann auch besser von berichten“, so Kartal. Der Umgang mit rassistischen und antisemitischen Ressentiments soll in interaktiven Workshops gelernt und auch Präventionsarbeit geleistet werden.
Aber warum ausgerechnet Dortmund? „Dortmund ist in Sachen Integration ein gutes Beispiel. Hier leben viele Kulturen miteinander“, sagt Zeynep Kartal. Besonders in der Nordstadt. Deswegen haben alle zusammen eine Fahrradtour durch die gemacht, trotz Wind und Regen.
„Und die Reaktionen waren so toll“, erzählt Kartal. „22 Mann mit Helm durch die Nordstadt, natürlich wurden wir dann auch von Kindern angesprochen“. Und genau das sei auch ein integraler Teil des Projekts: Menschen begegnen und authentische Gespräche führen.
BVB Stadion und Nordstadt in Dortmund – Flüchtlingsschule in Tel Aviv
Doch kein Besuch in Dortmund kann ohne einen Besuch im BVB Stadion verlaufen. Nicht nur im Stadion war die Austauschgruppe, sondern auch im Lernzentrum des BVBs. Ziel dabei ist wieder einmal das interkulturelle Lernen. Das Lernen von einander und in alle Richtungen.
Obwohl der Jugendaustausch durchweg positiv verläuft, kommt es aber auch immer mal wieder zu einigen kleinen Schwierigkeiten. So wie bei allen Jugendaustauschen wolle man lieber ein wenig mehr Pausen machen oder Zeit zum Shoppen haben – alles verständlich.
Aber auch bei einigen Themen kommt es zu Spannungen oder Missverständnissen. So z.B. in einer Schule im Süden Tel Avivs. Das Südviertel ist, im Vergleich zu dem Image Tel Avivs, keine Partymeile, sonder beherbergt viele Flüchtlinge und ärmere Menschen.
Dort gibt es auch eine Schule, in der nur Flüchtlingskinder unterrichtet werden. Während die israelische Regierung diese Schule als gutes Beispiel für Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund präsentierte, hatten die Teilnehmenden des Austauschprojektes eine ganz andere Auffassung. Sie fanden, dass die Isolierung von der jüdischen Gesellschaft problematisch sei.Auch das Thema Nah-Ost-Konflikt sei allgemein ein Schwieriges.
Rassismus ist kein Thema der Vergangenheit, sondern auch eins der Gegenwart und es betrifft uns alle
Aber auch moderne Themen zum Thema Rassismus und Antisemitismus in den Medien werden in den Workshops diskutiert.
So auch das Thema, ob Selfies in Auschwitz erlaubt sein sollten oder die kontrovers diskutierte H&M Pullover-Werbung. Dort trug ein farbiger Junge einen Pullover auf dem stand: „Coolest monkey in the jungle“.
Das Ziel des Projekts ist, Migrationsgeschichten sichtbar zu machen und ihnen Präsenz zu geben. Dadurch komme man einen Schritt näher sich gegenseitig und die Besonderheiten und Eigenschaften eines Jeden zu verstehen und diesen Funken weiterzugeben. Und vor allem kann man so sein eigenes Nähkästchen öffnen und sehen, wer man ist und was einen ausmacht.
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Reader Comments
George
Es ist schon seltsam und stimmt angesichts der aktuellen und vergangenen Situation der letzten Jahrzehnte im Nahen Osten nachdenklich, dass man ausgerechnet Hummus und Falafel ausgerechnet mit Isrsel verbindet, sind das doch beides palästinensische resp.arabische Spezialitäten.
Nordstadtblogger-Redaktion
Das ist leicht zu erklären: In der Gruppe waren auch viele arabisch-israelische Jugendliche – und diese sind auch israelische StaatsbürgerInnen.