Er war der Spitzenkandidat seiner Partei für die Wahl in der Nordstadt, fuhr ein historisch gutes Wahlergebnis ein und bekleidet zudem das Amt des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters der Innenstadt-Nord. Jetzt ist Cüneyt Karadas mit sofortiger Wirkung aus der Partei „Die Linke“ ausgetreten.
Sein Mandat will Karadas behalten – sein Amt ebenfalls?
„Ich trete aus der Partei die Linke aus, werde aber weiterhin als parteiloses Mitglied der Bezirksvertretung mein Mandat behalten und Mitglied der Gesamtfraktion Piraten/ Die Linke bleiben, da Ich diese Fraktion mitinitiiert habe und Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Fraktion und meiner Wählerinnen und Wähler trage“, betont der nun parteilose Bezirksvertreter.
Er ist nicht der erste Parteilose in der Bezirksvertretung der Innenstadt-Nord: Bereits im vergangenen Jahr ist Anja Lohmann bei den Grünen ausgetreten und hat ihr Mandat ebenfalls behalten. Mit ihrer früheren Fraktion arbeitet sie allerdings nicht mehr zusammen.
Fraktionssprecherin will sich noch nicht zum Verbleib in ihren Reihen äußern
Ob er nach den Anwürfen gegen seine Partei noch in der Fraktion verbleiben kann, dazu möchte sich die Fraktionsvorsitzende Cornelia Wimmer noch nicht äußern. Sie will sich erst mit den anderen Fraktionsmitgliedern abstimmen.
Sie selbst macht aber keinen Hehl daraus, dass sie nach der Kritik wenig begeistert von einer weiteren Zusammenarbeit ist. Auch ob Karadas stellvertretender Bezirksbürgermeister bleiben kann und soll, muss sich zeigen. Wenn er nicht zurücktritt – dazu will er sich jetzt noch nicht äußern – müsste seine Partei die Abwahl beantragen.
Auch das wäre nicht das erste Mal in dieser Wahlzeit: Bereits im Herbst 2014 war die CDU-Stadtbezirksvorsitzende Gerda Horitzky wegen ihrer Äußerungen zu Kopftüchern als stellvertretende Bezirksbürgermeisterin abgewählt worden.
Karadas rückte seinerzeit vom 2. zum 1. Stellvertreter auf. Auf eine Nachwahl eines 2. Vertreters wurde – wohl auch mangels geeignetem Kandidaten – verzichtet. Ob sich daher erneut eine Mehrheit für eine Abwahl finden würde, ist fraglich. Denn das würde auch davon abhängen, ob sich ein Nachfolger für Karadas finden ließe.
Tiefe Enttäuschung über fehlende Solidarität seitens der Partei
Für enge Freunde und Wegbegleiter kommt der Parteiaustritt allerdings wenig überraschend. Schon seit dem Wahlabend am 25. Mai 2014 – genauer gesagt seit dem Nötigungsverfahren gegen DemokratInnen und AntifaschistInnen nach dem sogenannten Rathaussturm durch die Neonazis – gab es bei Karadas eine innere Unzufriedenheit.
„Der Angriff von Neonazis auf die Wahlfeier im Dortmunder Rathaus markierte einen Tiefpunkt meiner Beziehungen zur Dortmunder Linken“, kommentiert er seine jetzige Entscheidung.
„Ich war Spitzenkandidat der Linken in der Dortmunder Nordstadt. Damit wurde ich nicht nur zu einer Zielscheibe von rechten Übergriffen, sondern auch von juristischer und strafrechtlicher Verfolgung im Zuge des Angriffs auf die Wahlfeier“, so der Kommunalpolitiker.
„Wenngleich ich von einigen Genossinnen und Genossen, zu denen ich privat guten Kontakt pflege, Unterstützung erfahren habe, ist eine Solidarität seitens der Dortmunder Linken ausgeblieben“, begründet Karadas seinen Austritt.
„Dies ist besonders vor dem Hintergrund enttäuschend, als dass ich Mitglied einer Partei war, die sich Antifaschismus, Sozialismus und Solidarität auf die Fahnen geschrieben hat.“
Karadas beklagt die innere Zerrissenheit in der Dortmunder Links-Partei
Ein weiterer Grund für den Austritt sei die innere Zerrissenheit der Partei. „Ich bin in die Partei eingetreten, um die Gesellschaft und meine Stadt mitzugestalten, doch meine Aufgaben haben sich immer mehr darauf beschränkt, innere Grabenkämpfe auszutragen, zu vermitteln und für einen Grundkonsens zwischen den unterschiedlichen Akteuren in der Partei zu streiten“, kritisiert der Bezirksvertreter.
„Damit konnte ich leider nicht länger meiner Aufgabe in der Bezirksvertretung in der Form nachkommen, wie es sich für einen stellvertretenden Bezirksbürgermeister gehört“, so Karadas.
Auch für die Ausübung seines Amtes habe er von der Partei keine Unterstützung erfahren. Im Gegenteil: „Mir wurden vielerorts Steine in den Weg gelegt und politische Vorhaben wurden auf Grund meiner Person, nicht auf Grund meiner Inhalte, behindert.“
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