Von Horst Delkus
Er stammte aus einfachen Verhältnissen und galt als „einer der härtesten und besten Manager“ Deutschlands“: Karl-Josef Neukirchen, von seinen Buddies nur „Kajo“genannt. Als Nachfolger von Detlef Carsten Rohwedder, der Chef der DDR-Abwicklungsgesellschaft „Treuhand“ wurde, wechselte Neukirchen nach erfolgreicher Sanierung des Dieselmotorenherstellers KHD in Köln am 5. August 1991 zur Dortmunder Hoesch AG und wurde deren Vorstandsvorsitzender.
Restrukturierung unter dem Schlagwort „Hoesch 2000“ bekam keine Chance
Wohl auch auf Bestreben der Deutschen Bank, die lange Jahre den Aufsichtsratsvorsitzenden des traditionsreichen Unternehmens stellte. Bei Hoesch blieb der Sanierungsprofi nur zwölf Monate. Allerdings in einer Zeit, die für die weitere Entwicklung des Unternehmens entscheidend war. Und die ganz anders verlief, als von Neukirchen gedacht.
Als Vorstandsvorsitzender machte sich Neukirchen, wie es heißt, „in gewohnter Manier an die überfällige Restrukturierung des Konzerns, den er unter dem Schlagwort „Hoesch 2000“ auf ein neues Strategisches Konzept ausrichtete: Konzentration auf Kerngeschäftsfelder, Abrundung durch Firmenkäufe, Rückzug aus Randaktivitäten.“
Bereits zwei Monate nach seinem Amtsantritt musste Neukirchen sich allerdings mit der Tatsache auseinander setzen, dass sich der Krupp-Konzern unter seinem Vorstandschef Gerhard Cromme in einer handstreichartigen Aktion die Kapitalmehrheit bei Hoesch gesichert hatte und in Folge auf eine Fusion der beiden Konzerne drängte.
Neukirchen erlebte damit bei Hoesch, wie der Wirtschaftsjournalist Günter Ogger schrieb, sein „Waterloo“: „Kajo“ Neukirchen wurde vom fast gleichaltrigen Krupp-Chef Gerhard Cromme regelrecht vorgeführt, denn er hatte der Umarmungstaktik des finanzschwächeren Gegners nichts entgegenzusetzen. „Sein haltloses Taktieren machte ihn unglaubwürdig und schließlich dachte er nur noch an seine Abfindung“, so Ogger.
Über 20.000 Hoeschianer protestierten erfolglos gegen die Übernahme durch Krupp
Die feindliche Übernahme durch Krupp begleiteten Protestaktionen der Belegschaft, unter anderem mit einem Sternmarsch am 17. Oktober 1991 von über 20.000 Hoeschianern vor das Rathaus zum Friedensplatz.
Für diese Protestkundgebung gab es eine Live-Übertragung der Ratssitzung, in der neben Neukirchen der damalige Arbeitsdirektor Alfred Heese und der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Werner Nass zu den Ratsmitgliedern sprachen.
Die Übernahme von Hoesch durch Krupp konnte bekanntlich nicht verhindert werden. Sie ging laut Ogger ihren marktwirtschaftlich-kapitalistischen Gang.
„Stets wenn irgendwo im Konkurrenzkampf der Konzerne Manager ihrer Job verlieren, regnet es Geldscheine. Die Fusion des Krupp-Konzerns mit dem Dortmunder Konkurrenten Hoesch wird aller Voraussicht nach einige tausend Stahlwerker arbeitslos machen,doch während die Mitglieder der Belegschaften einfach ,freigesetzt‘ werden, dürfen sich die Bosse auch in ihre wegrationalisierten Sessel erst mal kommod zurücklehnen“, schreibt der Wirtschaftsjournalist.
Letzter Hoesch-Chef bekam eine Abfindung von 6,5 Millionen Mark
„Damit Hoesch-Chef Karl-Josef Neukirchen der Machtübernahme seines Kollegen Gerhard Cromme von Krupp keinen allzu großen Widerstand entgegensetzte, bewilligte ihm der Hoesch-Aufsichtsrat eine Abfindung von rund 6,5 Millionen Mark.
Und selbst der als Sündenbock ausgeguckte Hoesch-Vorstand Constantin von Dziembowski, der die Verhandlungen mit Krupp eingefädelt hatte, erhält bei seinem Ausscheiden ein Trostpflaster von 2,5 Millionen Mark mit auf den Weg“, so Ogger.
Tatsächlich konnte Neukirchen in den Fusionsverhandlungen mit Krupp noch wichtige Positionen seines Strategiekonzeptes „Hoesch 2000“ durchsetzen. Nach der Fusion verließ Neukirchen im August 1992 das Unternehmen, fand aber schnell wieder neue Aufgaben als Aufsichtsratvorsitzender der angeschlagenen Klöckner-Werke und der FAG in Schweinfurt.
Bis zuletzt stand er an der Spitze seiner Neukirchen-Gruppe, einer Beteiligungsgesellschaft, die er gemeinsam mit seinem Sohn führte. Wie die Tageszeitung „Welt“ jetzt meldete, starb Kajo Neukirchen am zweiten Weihnachtstag 2020 an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Er wurde 78 Jahre alt. Möge er in Frieden ruhen.
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Willo S. Noack
Der letzte Chef der Hoesch AG in Dortmund, Karl-Josef „Kajo“ Neukirchen, ist im Alter von 78 Jahren gestorben
Der als Unternehmensanierer auftretende „Kajo“ Karl-Josef Neukirchen hätte vermutlich auch bei der „Interprojekt“ so aufgeräumt, ob er sie damit gerettet hätte?
Neukirchen feuerte so viele Vorstände, Geschäftsführer und Abteilungsdirektoren wie kein anderer. Allein bei der Metallgesellschaft sollen es in seinen zehn Jahren als Vorstandschef 50 gewesen sein.
Bis es ihn selbst erwischt hat. Vor zwei Jahren drängt der Großaktionär der Metallgesellschaft, Otto Happel, den Rambo der deutschen Wirtschaft aus dem Vorstandssessel. Der sonst so kühl rechnende Neukirchen hat sich verkalkuliert. Am Ende des erbittert geführten Streits um die Konzernstrategie zählen keine Argumente – sondern nur die pure Macht. Happel kontrolliert 20 Prozent der Aktien: Das muss selbst ein Neukirchen akzeptieren. Danach taucht Deutschlands bekanntester Berufssanierer ab.
Zwanzig Jahre lang war es Neukirchen gewohnt, im Rampenlicht zu stehen. Als Sanierer der Kugellagerfabrik SKF, als Nothelfer beim Motorenbauer KHD in Köln. Bis ihn die Deutsche Bank nach Frankfurt zur Metallgesellschaft schickte, um die milliardenschwere Beinahepleite des Konzerns in letzter Minute abzuwenden.
Neukirchen eilt der Ruf des erfolgreichen Sanierers voraus, auch wenn sich, wie im Fall KHD, der Erfolg nicht so recht einstellte. Vossloh-Chef Schuchmann plagten dagegen keine Probleme. Bis er auf die Idee kam, den Konzern in eine Europa-AG umzuwandeln – mit allen Konsequenzen für den sechsköpfigen Aufsichtsrat.
An dessen Spitze steht zufällig Kajo Neukirchen, der sich zwar hauptsächlich der Verwaltung seines üppigen (Abfindungs-)Vermögens von geschätzt 13 Millionen Euro widmet, nebenbei aber noch das eine oder andere Beratungsmandat pflegt. Das Vossloh-Kontrollgremium könnte nach den Plänen des Vorstandschefs ganz aufgelöst werden, denn eine Societas Europaea (SE) darf auch mit einem Board nach angelsächsischem Muster geführt werden. Und da hätte allein Schuchmann das Sagen. Neukirchen wäre seinen Aufsichtsjob los.
Das allein ist nicht tragisch, er hat lukrativere Mandate. Etwa beim Schweizer Chemieriesen Clariant oder beim Autovermieter Sixt, wo er sogar dem Gremium vorsitzt. Doch gegen Schuchmann zu verlieren – das träfe ihn schwer.
Neukirchen wird heute im sauerländischen Werdohl sein Raubtierlächeln wieder einmal auspacken. Die Wirkung ist ungewiss. Mag er die beiden Betriebsräte im Aufsichtsrat noch überzeugen. Die Eigentümerfamilie des mittelständischen Konzerns ist unentschlossen, will erst am Wochenende entscheiden.
Erneut könnte Neukirchen eine Niederlage wie bei der Metallgesellschaft erleben. Damals ließ ihn die Deutsche Bank im Kampf gegen Happel hängen, die Bank verkaufte ihre Aktien:
Wohl auch auf Bestreben der Deutschen Bank, die lange Jahre den Aufsichtsratsvorsitzenden des traditionsreichen Unternehmens stellte. Bei Hoesch blieb der Sanierungsprofi nur zwölf Monate. Allerdings in einer Zeit, die für die weitere Entwicklung des Unternehmens entscheidend war. Und die ganz anders verlief, als von Neukirchen gedacht.
Als Vorstandsvorsitzender machte sich Neukirchen, wie es heißt, „in gewohnter Manier an die überfällige Restrukturierung des Konzerns, den er unter dem Schlagwort „Hoesch 2000“ auf ein neues Strategisches Konzept ausrichtete: Konzentration auf Kerngeschäftsfelder, Abrundung durch Firmenkäufe, Rückzug aus Randaktivitäten.“
Bereits zwei Monate nach seinem Amtsantritt musste Neukirchen sich allerdings mit der Tatsache auseinander setzen, dass sich der Krupp-Konzern unter seinem Vorstandschef Gerhard Cromme in einer handstreichartigen Aktion die Kapitalmehrheit bei Hoesch gesichert hatte und in Folge auf eine Fusion der beiden Konzerne drängte.
Neukirchen erlebte damit bei Hoesch, wie der Wirtschaftsjournalist Günter Ogger schrieb, sein „Waterloo“: „Kajo“ Neukirchen wurde vom fast gleichaltrigen Krupp-Chef Gerhard Cromme regelrecht vorgeführt, denn er hatte der Umarmungstaktik des finanzschwächeren Gegners nichts entgegenzusetzen. „Sein haltloses Taktieren machte ihn unglaubwürdig und schließlich dachte er nur noch an seine Abfindung“, so Ogger.
Die feindliche Übernahme durch Krupp begleiteten Protestaktionen der Belegschaft, unter anderem mit einem Sternmarsch am 17. Oktober 1991 von über 20.000 Hoeschianern vor das Rathaus zum Friedensplatz.
Für diese Protestkundgebung gab es eine Live-Übertragung der Ratssitzung, in der neben Neukirchen der damalige Arbeitsdirektor Alfred Heese und der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Werner Nass zu den Ratsmitgliedern sprachen.
Die Übernahme von Hoesch durch Krupp konnte bekanntlich nicht verhindert werden. Sie ging ihren marktwirtschaftlich-kapitalistischen Gang, wie Ogger in seinem Bestseller „Nieten in Nadelstreifen“ 1992 anschaulich beschreibt.
„Stets wenn irgendwo im Konkurrenzkampf der Konzerne Manager ihrer Job verlieren, regnet es Geldscheine. Die Fusion des Krupp-Konzerns mit dem Dortmunder Konkurrenten Hoesch wird aller Voraussicht nach einige tausend Stahlwerker arbeitslos machen,doch während die Mitglieder der Belegschaften einfach ,freigesetzt‘ werden, dürfen sich die Bosse auch in ihre wegrationalisierten Sessel erst mal kommod zurücklehnen“, schreibt der Wirtschaftsjournalist.
Letzter Hoesch-Chef Neukirchen bekam eine Abfindung von 6,5 Millionen Mark und brauchte seitdem nicht mehr zu arbeiten, um Geld zu verdienen, er aber hatte damit noch immer nicht den „Rand voll“:
„Damit Hoesch-Chef Karl-Josef Neukirchen der Machtübernahme seines Kollegen Gerhard Cromme von Krupp keinen allzu großen Widerstand entgegensetzte, bewilligte ihm der Hoesch-Aufsichtsrat eine Abfindung von rund 6,5 Millionen Mark.
Und selbst der als Sündenbock ausgeguckte Hoesch-Vorstand Constantin von Dziembowski, der die Verhandlungen mit Krupp eingefädelt hatte, erhält bei seinem Ausscheiden ein Trostpflaster von 2,5 Millionen Mark mit auf den Weg“, so Ogger.
Tatsächlich konnte Neukirchen in den Fusionsverhandlungen mit Krupp noch wichtige Positionen seines Strategiekonzeptes „Hoesch 2000“ durchsetzen. Nach der Fusion verließ Neukirchen im August 1992 das Unternehmen, fand aber schnell wieder neue Aufgaben als Aufsichtsratvorsitzender der angeschlagenen Klöckner-Werke und der FAG in Schweinfurt.
Bis zuletzt stand er an der Spitze seiner Neukirchen-Gruppe, einer Beteiligungsgesellschaft, die er gemeinsam mit seinem Sohn führte. Wie die Tageszeitung „Welt“ jetzt meldete, starb Kajo Neukirchen am zweiten Weihnachtstag 2020 an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Er wurde 78 Jahre alt.