Der AWO-Schultenhof: Ein Ort der sozialen Teilhabe und der ökologischen Landwirtschaft mitten in der Großstadt

Marthe Pflüger (37) hat die Nachfolge von Landwirt Johannes Jüngst als Leitung des Schultenhof angetreten.
Marthe Pflüger ist seit einem Jahr die Leiterin des Schultenhof in Renninghausen. (Archiv-) Fotos: Alex Völkel

Immer mehr Menschen wollen biologisch und regional erzeugte Lebensmittel auf dem Tisch haben. Regionaler als beim Schultenhof der AWO in Dortmund geht es nicht: Viele Lebensmittel haben eine „Anreise“ von weniger als 150 Metern. In manchem Bio-Supermarkt haben die Bio-Produkte aber schon tausende Kilometer hinter sich. Doch nicht nur die Regionalität macht den Schultenhof aus. Er ist ein Ort der sozialen Teilhabe für Menschen mit Behinderung. Davon wollen sich immer mehr Menschen ein Bild machen.

Gelebte Inklusion – einige der Beschäftigten leben und arbeiten auf dem Schultenhof

Besuch auf dem AWO Schultenhof (von links): Inge Blask, Anja Butschkau, Sabine Poschmann, Marthe Pflüger, Nadine Somer). Foto: Oliver Schaper
Pause nach dem Rundgang: (v.l.) Inge Blask, Anja Butschkau, Sabine Poschmann, Marthe Pflüger, Nadine Somer. Foto: Oliver Schaper

Jüngst ließen sich die SPD-Landtagsabgeordnete Anja Butschkau zusammen mit ihren Kolleginnen – Inge Blask aus dem Landtag und Sabine Poschmann aus dem Bundestag – von Hofleiterin Marthe Pflüger über den Schultenhof in Renninghausen führen.

Rund 50 Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten auf dem Bio-Bauernhof. Gemeinsam bauen sie Obst und Gemüse an, kümmern sich um die Tiere auf dem Hof und verkaufen die Produkte im Hofladen. Mit dem Anschluss an den Bioland-Verband für ökologischen Landbau wird die Einhaltung der Öko-Richtlinien kontrolliert.

Jeden Tag legen die vielen Hühner viele Eier. An der Fleischtheke im Hofladen liegen Filets und Koteletts von den zuvor auf dem Hof gehegten und gepflegten Schweinen. Die Schweine kommen als Ferkel aus einem Bioland-Betrieb in die Ställe an der Stockumer Straße 109, wachsen auf und erhalten währenddessen viel Besuch von jungen und alten Ausflügler*innen aus der Umgebung. 

Damit Wurst und Fleisch aus der Schultenhof-Metzgerei später bestens schmecken, besteht das Futter der Schweine aus selbst erzeugtem Getreide, Kartoffeln und Heulage.

Blask: „Der Schultenhof steht exemplarisch für all das, was wir mit der Enquete-Kommission stärken wollen“

Der Schultenhof ist Teil der Eingliederungshilfe - Monika Stanbridge kann aber die Behinderteneinrichtung nicht einfach schließen - sie ist ja auch ein Lebensmittelgeschäft.
Der Schultenhof ist Teil der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, aber auch ein „ganz normaler“ Bioladen – Monika Stanbridge leitet ihn.

Auf dem Hofgelände steht ein AWO-Wohnhaus, in dem 25 Menschen mit Behinderung leben. Einige von ihnen arbeiten auf den Feldern, im Stall und im Gewächshaus. Der direkte Anschluss an den Hof vermittele allen ein gutes Gefühl von Gemeinschaft, macht Marthe Pflüger deutlich.

Im Hofladen gegenüber stehen neben selbst erzeugten Produkten Lebensmittel aus anderen Bio-Unternehmen in den Regalen. Brot und Wurst, Käse und Kuchen gibt es an den Frischetheken. Und dann sind da noch die attraktiven Öffnungszeiten: Bis auf den Montag kann die Kundschaft an jedem Tag der Woche kommen.

„Der AWO-Schultenhof steht exemplarisch für all das, was wir mit der Enquete-Kommission im Landtag stärken wollen: ein integratives Konzept, regionale Vermarktung und Verankerung und vor allem Produkte, die nach ökologischen Richtlinien erzeugt und verarbeitet werden“, betonte Inge Blask, stellvertretende Vorsitzende der Enquete-Kommission „Gesundes Essen. Gesunde Umwelt. Gesunde Betriebe“.

Das selbst erzeugte Obst und Gemüse kommt per Handkarren und nicht mit dem LKW in den Laden

Der Hofladen auf dem Schultenhof wird immer beliebter.
Der Hofladen auf dem Schultenhof wird immer beliebter.

Marthe Pflüger und ihrem Team ist es wichtig, den Wert von Lebensmitteln zu vermitteln. Denn die Erzeugung hat ihren Preis – insbesondere dann, wenn man es ökologisch und sozial gestaltet. Daher kann der Schultenhof wegen der verhältnismäßig geringen Fläche im Hofladen nicht mit einer Großfiliale eines Bio-Discounters konkurrieren – die haben andere Durchsatzmengen und damit mitunter auch andere Preise im Einkauf. 

Doch auch ein anderes Anspruchsdenken hat Ladenleiterin Monica Stanbridge festgestellt: „Am Anfang reichte es, wenn Lebensmittel bio und gesund waren. Das Aussehen war nicht wichtig. Aber heute ist auch perfektes Aussehen gefragt“, berichtet sie mit einem Stirnrunzeln. „Aber eine krumme Gurke vom eigenen Hof wird gerne genommen, weil sie so authentisch aussieht.“

Dabei haben die auf dem Schultenhof erzeugten Waren eine Besonderheit: Alles wird händisch und manuell gemacht. Vom Pflücken in den Gewächshäusern kommen Obst und Gemüse per Handkarren und nicht mit dem LKW in den Laden. So regional kann das kein Supermarkt anbieten. Wobei mit „regional“ viel Schindluder getrieben wird: „Das ist kein geschützter Begriff“, macht Pflüger deutlich. 

Die Sachen können durch ganz NRW gefahren worden sein und werden noch als „regional“ vermarktet“. Der Hofladen ist die regionalste Form. „Hyperlokal“, zumindest was die hofeigenen Produkte betrifft. Doch nur mit ihnen könnte man einen Laden nicht bestücken. „Dann hätten wir im Winter nur Kartoffeln und Kohl“, macht die Schultenhof-Chefin deutlich. „Es ist schwierig, den Leuten deutlich zu machen, dass nicht alles immer verfügbar ist.“

Widersprüchliche Politik und sich widersprechende Vorschriften bereiten den Tierzüchter*innen große Probleme

Diese Schweine reagieren bei Hitze empfindlich freuen sich im Sommer über eine kühle Dusche. Beim Dachrückbau droht ihnen ein Sonnenbrand.

Die lauter werdenden Klimaproteste und auch Corona mit seinen abgeschnittenen Lieferketten und Fleischskandalen haben dem Hofladen viele neue Kund*innen beschert. Vor allem das Biofleisch und die Eier aus Dortmund sind sehr begehrt. Doch deren Erzeugung wird immer schwieriger wegen der sich teils widersprechenden Vorgaben. 

Beispiel Schweinehaltung: Eine Kommission hat entschieden, dass die Tiere mehr „Witterung“ bekommen und auch mal vom Regen geduscht werden sollen. Das bedeutet mehr Auslauf oder den Rückbau der Dächer bis zum Ende des Jahres. Doch ob das gut ist für die „Rosa-Schweinchen“, ist fraglich. Denn sie sind sehr empfindlich, vertragen keine Hitze und sind auch schlechter gegen Sonnenbrand geschützt als ihre stärker behaarten Verwandten.

Allerdings sind die Tierzüchter auch angehalten, möglichst wenig Gülle zu produzieren. Misthaufen sollen überdacht sein. Doch nun wird durch den Regen die Jauche in den Ställen ausgewaschen. Außerdem beschäftigt sich eine zweite Kommission mit den Folgen von Infektionen – aktuell geht es um die afrikanische Schweinepest. Sie fordert bei deren Auftreten eine Aufstallungspflicht, so dass weder Wildvögel noch Betriebsfremde Kontakt zu den Tieren bekommen können. 

„Wir müssen dann die Dächer, die wir rückgebaut haben, wieder aufbauen und die Tiere hermetisch abschirmen, damit noch nicht mal eine Taube in den Stall fliegen und über den Kot die Erreger einschleppen kann“, skizziert Marthe Pflüger das Dilemma. „Politik kann nicht alles regeln. Aber sich wenigstens zu einigen, wäre hilfreich. Es ist total schwierig, den Spagat zu schaffen, weil die Kommissionen offenbar nicht miteinander reden“, so die Hofleiterin.

Erlebbare ökologische Landwirtschaft im Widerspruch zu Corona- und anderen Vorschriften 

Ganz abgesehen davon, dass der Schultenhof ja die Landwirtschaft in der Großstadt erlebbar machen will. Die Abschottung beschert dann dem Hof viel Kritik und im Internet schlechte Bewertungen. Die gibt es mitunter auch, weil die Corona-Regeln hier strenger gehandhabt werden als in normalen Supermärkten. 

Das liegt daran, dass der Schultenhof ein Betrieb der Eingliederungshilfe ist. Er wird daher behandelt wie ein Altenheim oder ein Krankenhaus. „Daher gibt es bei uns auch eine Test- und FFP2-Maskenpflicht“, macht Pflüger deutlich. „Bei uns arbeiten auch Mehrfach- und Schwerstbehinderte. Das müssen wir immer erklären. Dann reagieren die meisten sehr verständnisvoll.“

 

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  1. Die SPD-Ratsfraktion will ökologische Landwirtschaft in Dortmund fördern (PM)

    „Als SPD-Ratsfraktion wollen wir erreichen, dass der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen in Dortmund in den kommenden Jahren erhöht wird. Denn auch der Bereich der Landwirtschaft bietet Möglichkeiten für Beiträge zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität bis 2035“, erklärt die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion Dortmund, Veronika Rudolf.

    In der vergangen Sitzung des Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen hat die SPD-Fraktion daher einen Antrag zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft gestellt, der in der Sitzung eine Mehrheit gefunden hat. Die Verwaltung soll nun das Pachtzinsmodel für die Verpachtung von städtischen Flächen für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung überarbeiten. Hierbei soll ein gestaffeltes System entstehen, durch das landwirtschaftliche Flächen, die ökologisch oder extensiv bewirtschaftet werden, günstiger in der Pacht sind, als konventionell bewirtschaftete Flächen.

    Auch soll im Pachtmodell zwischen Acker- und Grünlandflächen sowie sonstigen Flächen unterschieden werden. Für die extensive Bewirtschaftung von Acker- und Grünlandflächen sollen Pachtauflagen als Bestandteile der Pachtverträge entwickelt werden, die einen Mindeststandard definieren. Die Pachtauflagen für die ökologische bzw. extensive Bewirtschaftung sollen in den Naturschutzgebieten und geschützten Landschaftsbestandteilen zum Standard werden. Darüber hinaus sollen auch die Landwirte, die weiterhin konventionelle Landwirtschaft in Dortmund betreiben wollen und dabei nicht eine städtische Fläche bewirtschaften, aktiver von der Verwaltung angesprochen werden, um die Flächen nachhaltiger zu bewirtschaften.

    „Hierdurch wollen wir auch mit finanziellen Anreizen erreichen, dass gemäß der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bis zum Jahr 2030 mindestens 20% der Flächen ökologisch bewirtschaftet werden. Durch eine nachhaltigere Ausrichtung der Landwirtschaft könnte, etwa durch den geringeren Stickstoffeinsatz und der meist positiven Humusbilanz, ein Betrag zur Reduzierung der Emissionen geleistet werden, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Des Weiteren kann der Biodiversitätsverlust in der Agrarlandschaft aufgehalten werden“, erklärt Veronika Rudolf abschließend.

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