Dortmund geht „Nordwärts“: Ein zehnjähriger Dauerlauf zur Aufwertung und Stärkung der nördlichen Stadtbezirke

Dortmunder Hafen, Nordstadt  und Kokerei  Hansa Huckarde
Die bislang ungenutzten Potenziale der nördlichen Stadtbezirke sollen mit „Nordwärts“ gehoben werden.

Nun soll es auch in den parlamentarischen Gremien der Stadt Dortmund „Nordwärts“ gehen: Der Verwaltungsvorstand hat eine 25-seitige Vorlage für das „Dekadenprojekt“ auf den Weg gebracht, mit dem die nördlichen Dortmunder Stadtbezirke gestärkt und städtebaulich aufgewertet werden sollen.

Politische Beratungen starten in der kommenden Woche – 18 Nordwärts-Foren geplant

Der Blick über Eving mit dem Hammerkopfturm  bis zum Steag-Kraftwerk in Lünen-Brambauer.
Der Blick über Eving mit dem Hammerkopfturm bis zum Steag-Kraftwerk in Lünen-Brambauer.

Die zentralen Handlungsfelder sind Flächenentwicklung, Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, Steigerung der Umwelt- und Lebensqualität sowie Qualifizierung und Bildung.

Das vorläufige Arbeitsprogramm sieht zu Beginn der Projektarbeit eine Bestandsaufnahme zu den vier Handlungsfeldern vor, die auf statistischen Daten, kommunalen Analysen und den Ergebnissen aus den Beteiligungsveranstaltungen fußen wird.

Die politische Beratung der Verwaltungsvorlage zum Projekt ‚Nordwärts’  startet am 11. März 2015 in der Bezirksvertretung Eving. Sie durchläuft anschließend alle weiteren Bezirkvertretungen und inhaltlich berührten Fachausschüsse, um am 07. Mai 2015 im Rat der Stadt beraten und beschlossen zu werden.

Nach einem positiven Beschluss des Rates wird mit einer Auftaktveranstaltung am 9. Mai 2015 der offizielle, stadtgesellschaftliche Startschuss für das Projekt auf dem Gelände der Westfalenhütte gegeben.

Im zweiten und dritten Quartal 2015 wird es die ‚Nordforen’ geben, um zu einem gemeinsamen Projektverständnis zu kommen. Im vierten Quartal 2015 wird die Auftaktbilanz in den Bezirksvertretungen und im Rat gezogen. Insgesamt ist die Laufzeit auf zehn Jahre, also bis zum Jahr 2025, mit einer Auftaktpräsentation im Jahr 2018 und einer Zwischenpräsentation im Jahr 2020 ausgelegt.

Sierau sieht Parallelen zur Internationalen Emscher-Bauausstellung

Für Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) hat das Vorhaben Ähnlichkeiten mit der Internationalen Emscher-Bauausstellung (IBA) in den Jahren 1989 bis 1999: Auch sie war auf zehn Jahre angelegt. Auch dort gab es Projekte, die vorgeschlagen und qualifiziert wurden. Bekamen sie ein Testat, erhielten sie eine vorrangige Behandlung als IBA-Projekte. Ziel sollte es sein, möglichst viele private Investitionen anzustoßen.

Der zweite Bestandteil ist die strukturelle Nachhaltigkeit: Ein Beispiel für Sierau sind die Planungen für den Hoeschpark. Dort will die Stadt die Infrastruktur entwickeln und ein integriertes Projekt mit den Dortmund Wanderers (Baseball) und den Dortmund Giants (Football) erreichen. Jugendarbeit und Integration sollen dort Hand in Hand mit der sportlichen Talentförderung und der Entwicklung des öffentlichen Raums gehen. Sie werden weiterentwickelt und an aktuelle Herausforderungen angepasst.

Viele Flächen für die Potenzialentwicklung: Von der Westfalenhütte bis zum Kraftwerk Knepper

Der Blick über den Dortmunder Hafen bis zum  Kraftwerk Knepper.
Der Blick über den Dortmunder Hafen bis zum Kraftwerk Knepper in Mengede. Fotos: Alex Völkel

Zu entwickelnde Flächen gibt es viele: In der Nordstadt sind es die Flächen des ehemaligen Güterbahnhofs Eving, der für die Infrastruktur des Schnellzugprojekts RRX genutzt werden könnte, die Flächen an der Speicherstraße sowie die Westfalenhütte.

TKS wolle nicht mehr benötigte Flächen „zu einem fairen Preis“ zur Verfügung stellen, so Sierau. Er machte deutlich, dass ohne die Beteiligung von privater Seite Entwicklung im Norden nicht zu schaffen sei. Doch es gebe positive Signale: „Die Kooperationsbereitschaft ist hoch“, so der OB.

Dabei blickt er auch auf die 62 Hektar große Fläche des ehemaligen Kraftwerks Knepper in Mengede. Sie soll auch zukünftig als Gewerbefläche dienen. Darüber hat die Stadt bereits mit dem bisherigen Eigentümer, dem Energiekonzern EON, gesprochen.

Dort will man selbst die Flächen entwickeln: „Wir finden das nicht uncharmant, zumal die Fläche ziemlich belastet ist. EON will Ewigkeitskosten übernehmen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen“, berichtet Sierau.

Er könnte sich vorstellen, dass das Kraftwerks-Gebäude zu einem Gründerzentrum umbaut würde. Das wäre dann für Mengede und den Norden ein Leuchtturm oder Leuchtfeuer. Wobei Sierau es tunlichst vermeidet, solitäre Leuchtturmprojekte zu nennen.

„Wir setzen auf dezentrale Planungen“,  dämpft er Erwartungen und Sorgen. Es werde weder einen See noch ein „U“ geben. Es gehe um einen Paradigmenwechsel: Nicht Einzelprojekte, sondern Projektfamilien stünden im Mittelpunkt. Ziel müsse es sein, in der Fläche etwas zu erreichen und Projekte für mehr Lebensqualität zu realisieren.

Auftakt-Veranstaltung zu „Nordwärts“ am 9. Mai auf der Westfalenhütte

Die Westfalenhütte in der Nordstadt.
Die Westfalenhütte in der Nordstadt.

Am 9. Mai gibt es am „Tag der Städtebauförderung“ eine Auftaktveranstaltung auf der Westfalenhütte. Ziel müsse es sein, die Menschen bei den Großvorhaben mitzunehmen.

Und groß ist es in der Tat: Sieben Stadtbezirke ganz oder teilweise einbezogen. 44 Prozent des Stadtgebietes sind Teil der „Gebietskulisse“.  Eventuell wird noch etwas dazukommen, je nachdem, wie Diskussionen vor Ort laufen. 235.000 Menschen – 40 Prozent der Stadtbevölkerung – leben im Gebiet von „Nordwärts“.

Es werde komplex und schwierig, räumt Sierau ein. „Aber mit Fug und Recht können wir darauf verweisen, dass wir viel Erfahrung haben“, so Sierau.

„15 Jahre lang haben wir mit Projekten wie Phoenix oder Thierbrache zu tun gehabt, wo es darum gegangen sei, schwierige Themen zu transportieren, transparent zu machen und für Akzeptanz zu sorgen.

Sieben Stadtbezirke sind in "Nordwärts" ganz oder teilweise einbezogen.
Sieben Stadtbezirke sind in „Nordwärts“ ganz oder teilweise einbezogen.

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  1. Auswärtsspiel

    Die „Thierbrache“, auf die sich Herr Sierau bezieht, war keine Brache, sondern eine interessante Club-Location, bevor die sterile Thier-Galerie darauf gesetzt wurde. Die Suche nach einem Ersatzort für die Szene versandete. Ein Masterplan „Nordwärts“ hätte Charme, wenn die Schaffung weiterer, öder Logistikflächen ausgeschlossen würde und interessante Orte wachsen könnten, die auch risikobereite Kreative und Gastronomen anziehen würden. Noch ein weiteres (steriles) Gründerzentrum hätte nur Anziehungskraft, solange Subventionen fließen.

  2. Sylvia Wrubel für für DIE LINKE

    „Dieses Projekt des OB ist doch nur Augenwischerei.“

    Das Projekt „Nordwärts“ wurde am Mittwoch, 11. März, von Oberbürgermeister Ullrich Sierau in der Bezirksvertretung Eving vorgestellt. Dafür erntete er nicht nur Applaus. „Dieses Nordwärts-Projekt des Oberbürgermeisters ist doch nur Augenwischerei.“ Sylvia Wrubel, Bezirksvertreterin für DIE LINKE in der Bezirksvertretung Eving, mag nicht in die allgemeine Euphorie einstimmen.

    „Ich habe zwar – wie alle anderen Bezirksvertreter – für das Projekt Nordwärts gestimmt. Denn natürlich bin ich auch dafür, dass endlich mehr für die Stadtbezirke im Norden der Stadt Dortmund getan wird. Der Grundgedanke, der sozialen Spaltung der Stadt entgegen zu wirken, ist nicht schlecht. Aber dennoch gibt es zahlreiche Kritikpunkte“, betont die linke Bezirksvertreterin.

    So sei es doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn für alle Stadtbezirke zusammen lediglich jährliche Investitionen in Höhe von 15 Mio. Euro eingeplant würden – verglichen mit dem Geld, das alleine im Dortmunder U stecke.

    Sylvia Wrubel: „Ich bin der Meinung, dass es sich hier nur um eine Imagekampagne handelt, bei der vor allem die Bürger eingebunden werden sollen, um einfach an deren Ideen zu gelangen.“ Wie anders solle man den Personaleinsatz verstehen, den der OB den Bezirksvertretern vorgestellt habe. Sylvia Wrubel: „Für dieses zeitaufwändige Projekt wird keine einzige Planstelle geschaffen! Die Betreuung des Projektes wird vielmehr verwaltungsintern geregelt.“

    Und auch bei dem wichtigen Punkt „Arbeitsplätze“ gebe es viele Kritikpunkte, sagt die Bezirksvertreterin. In diesem Bereich gebe es keine neuen Ideen, sondern nur eine Auflistung vieler alter Beschlüsse.
    Es fehle zudem als Grundlage ein Beschäftigungsprogramm für Langzeitarbeitslose, wo nicht nur einfache Hilfskräfte, sondern auch qualifizierte Arbeitskräfte beschäftigt werden, die aus passiven Mitteln der ARGE und Mitteln aus den Programmen des Bundes und des europäischen Sozialfonds zusammen zu tarifgerechten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen führen, die die Kommune gar nichts Zusätzliches kosten würden – so wie die die Fraktion DIE LINKE das in der Broschüre “Arbeit für Alle“ formuliert hat.

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