Von Klaus Winter
Am östlichen Rande des Feldes 14 auf dem Ostfriedhof – dem jüdischen Feld – befindet sich eine Grabstelle, auf der ein für die Verhältnisse dieses Gräberfeldes großer Quader aus Granit steht. Er wirkt schlicht, trägt keinerlei Schmuck und ist auch nicht beschriftet. Es gibt keinen erkennbaren Hinweis darauf, auf wessen Grabstelle er einst platziert wurde.
Ein unbeschrifteter Granitblock wirft Fragen auf
Im Rahmen des Projekts „Jüdische Heimat Dortmund“ wurden dem Historischen Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e. V. von Friedhöfe Dortmund Unterlagen zur Belegung des Feldes 14 zur Verfügung gestellt. Daraus geht hervor, dass die Grabstelle mit dem Granitblock die des Ehepaars Louis und Clara Sternau ist.
Louis Sternau, geboren 1861 in Dortmund, war Kolonialwaren- und Getreidegroßhändler, übte seit 1908 das Amt des Stadtverordneten aus und besaß zahlreiche Mitgliedschaften in Dortmunder Vereinen. Er starb 1916 in seiner Heimatstadt.
Seine Ehefrau Clara geborene Auerbach engagierte sich im Dortmunder Wohltätigkeitsverein und war Mitglied im Vorstand des Vaterländischen Frauenvereins. Sie war bereits am Jahresbeginn 1912 verstorben.
Ausstellung über Friedhofskunst auf dem Ostfriedhof
Die Identifizierung der Grabstelle mit dem Granitblock als die des Ehepaars Sternau war ein wichtiger Schritt. Doch er führte nicht zur Klärung der Frage, wie das Grabmal ursprünglich wohl ausgesehen haben mag. Denn das es nur aus dem heute noch vorhandenen Granitblock bestanden haben soll, war nicht anzunehmen.
Ein glücklicher Zufall – oft genug der große Helfer! – brachte den entscheidenden Erkenntnisschub: Am 27. September 1913 veröffentlichte die Dortmunder Zeitung einen Artikel über eine Ausstellung für Friedhofskunst auf dem Ostfriedhof.
Stadtbaurat Kullrich stellte Grabmale vor
Dazu gehörte, dass Stadtbaurat Kullrich die Mitglieder des Museumsvereins durch die Ausstellung führte. Gezeigt wurden dabei u. a. die zu der Zeit noch neuen Grabmale Springorum, Franz Schlüter und Krämer.
Gezeigt wurde aber auch die Grabstätte Sternau. Hierzu schrieb der Redakteur der Dortmunder Zeitung, dass sie mit einer wundervollen Plastik Benno Elkans geschmückt sei.
Der weltberühmte Künstler Benno Elkan ist in Dortmund noch präsent
Benno Elkan (1877-1960) war ein in Dortmund geborener jüdischer Künstler. Er hatte eigentlich das väterliche Geschäft übernehmen sollen, doch diese Laufbahn früh abgebrochen, um sich der Kunst zu widmen.
Heute ist er vor allem wegen seiner bildhauerischen Tätigkeit bekannt. Er schuf Medaillen, Reliefs, Büsten, Statuen und Leuchter.
In Dortmund finden sich öffentlich ausgestellte, von Benno Elkan geschaffene Werke auf dem Ostfriedhof, im Museum Ostwall, in der Marienkirche, im Institut für Zeitungsforschung. Im Museum für Kunst und Kulturgeschichte kann man die virtuelle Darstellung eines von ihm entworfenen, aber nicht realisierten Anti-Kriegs-Mahnmals betrachten.
Werksverzeichnis zeigt das verlorene Sternau-Grabmal
Über Benno Elkan, an den in Dortmund eine kleine Straße westlich des Dortmunder U erinnert, gibt es eine stattliche Zahl von Veröffentlichungen, von denen die ersten bereits in der Frühphase seines künstlerischen Schaffens in Zeitschriften erschienen.
Ein – nicht vollständiges – Werksverzeichnis des Bildhauers enthält ein Buch von Hans Menzel-Severing, das 1980 als Band 7 der Reihe Monographien zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark erschien und Elkans Werk durch zahlreiche Abbildungen vorstellt.
Eine Statue, die „verhallendes Lied“ genannt wurde
Eines der Fotos in Menzel-Severings Buch lieferte die Antwort auf die Frage, wie das Grabmal der Eheleute Sternau ursprünglich aussah: Auf dem bis heute erhaltenen Granitsockel befand sich eine etwa lebensgroße sitzende Frauengestalt aus Bronze.
Elkan hatte ihr den Namen „Verhallendes Lied“ gegeben. Das Schicksal dieser Statue ist unbekannt, aber sicherlich mit dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg eng verbunden.
Möglicherweise verschwand sie bei einer Schändung des jüdischen Gräberfeldes in den 1930-ern oder wurde im Rahmen einer Metallsammlung eingeschmolzen oder durch Bomben, die hier fielen, zerstört oder nach Kriegsende gestohlen.
Die Sternau- und die Elkan-Grabstelle liegen nebeneinander
Übrigens: Steht man vor dem Sternau-Grab mit dem Granitsockel und schaut nach rechts, so sieht man die Grabstelle, in der Benno Elkans Mutter beigesetzt wurde. Darauf weist heute aber nichts mehr hin, hier gibt es nicht einmal mehr einen Sockel, sondern nur noch die Grabeinfassung.
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Am Samstag, 13. Juli, 14 Uhr lockt ein Spaziergang durch die Geschichte auf den Ostfriedhof.
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Karten müssen im Vorfeld im Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Hansastraße 3, gekauft werden. Die Führungen kosten 8,50 Euro (4,20 Euro ermäßigt).