Seit Monaten wird es kolportiert und diskutiert, nun ist es offiziell: Die grüne Dezernentin Daniela Schneckenburger wirft ihren Hut in den Ring und erklärt ihre Bewerbung für die Kandidatur als OB-Kandidatin in Dortmund. Am 6. Februar 2020 werden die Grünen ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten küren. Bewerbungen sind bis dahin noch möglich.
Daniela Schneckenburger will Thomas Westphal und Andreas Hollstein herausfordern
Die Mitglieder des Dortmunder Kreisverbands von Bündnis 90/Die Grünen kommen am 6. Februar zu einer Mitgliederversammlung zusammen, um über die Nominierung zu entscheiden.
Mit Schneckenburger geht ein politisches Schwergewicht ins Rennen: Sollte sie (was als sicher gilt) nominiert werden, steht das Trio fest, dass am 13. September 2020 in das Rennen um das OB-Amt geht.
Amtsinhaber Ullrich Sierau tritt nicht mehr an. Seine Partei, die SPD – schickt Wirtschaftsförderer Thomas Westphal ins Rennen. Die CDU hat – nachdem sie in Dortmund offenbar nicht fündig wurde – den bisherigen Bürgermeister von Altena, Dr. Andreas Hollstein, aufgestellt. Diese drei dürften aller Voraussicht die Wahl unter sich ausmachen.
Die OB-Wahl dürfte spannend werden wie nie. Denn es gilt keineswegs als sicher, dass die SPD in ihrer selbst erklärten „Herzkammer“ die Wahl für sich entscheiden kann. Bei den Europawahlen waren die Genoss*innen erstmals hinter die Grünen zurückgefallen.
Die Entscheidung fällt mit großer Wahrscheinlichkeit erst in einer Stichwahl, da wahrscheinlich keiner der drei Bewerber*innen im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erringen kann.
Die Grüne bringt jahrzehntelange Erfahrung und Engagement mit sich
Daniela Schneckenburger bringt jahrzehntelange politische Erfahrung in der Kommunal- und Landespolitik mit. Sie war u.a. von 1994 bis 2006 Ratsmitglied und ab 2000 auch Fraktionsvorsitzende der Grünen im Dortmunder Rat, von 2006 bis 2010 Landesvorsitzende der Grünen NRW, von 2010 bis 2015 Dortmunder Landtagsabgeordnete.
Seit 2015 trägt sie als Dezernentin für Schule, Jugend und Familie im Verwaltungsvorstand der Stadt Dortmund Verantwortung und könne damit auch auf Verwaltungserfahrung zurückgreifen. „Als versierte Sozialpolitikerin steht sie für Zusammenhalt und Solidarität innerhalb der Stadtgesellschaft und darüber hinaus“, betont der Kreisverband der Grünen in einer Stellungnahme.
Als ehemalige wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion sei es ihr ein Anliegen, dass „sich ambitionierter Klimaschutz mit wirtschaftlichem Erfolg und der zukunftsfesten Sicherung von Arbeitsplätzen in Dortmund zusammenbringen lässt“, heißt es weiter. Mit ihr kandidiere eine leidenschaftliche Dortmunderin, die seit vielen Jahren fest in Dortmund beheimatet sei, die Stadt genau kenne und sich seit vielen Jahren engagiert für sie einsetze.
Grüne wollen Chance ergreifen, mehr Verantwortung zu übernehmen
Waren frühere grüne OB-Kandidaturen – wie auch von den anderen kleineren Parteien – nur dazu da, in entsprechenden Podiumsdiskussionen präsent zu sein, wird es nun ernst. Das stand auch vielen Aktiven aus Partei und Fraktionen am Abend der Europawahl 2019 ins Gesicht geschrieben, als sie die SPD in Dortmund erstmals überflügelten.
„Mit großen Ergebnissen geht eine große Verantwortung einher“, kommentierte damals der Grünen-Fraktionssprecher Ulrich Langhorst das sensationelle Ergebnis seiner Partei in Dortmund – wohl wissend, dass dies nicht direkt auf die Kommunalwahlen zu übertragen ist. „Die Kommunalwahl wird spannend und ich freue mich heute über dieses Hammer-Ergebnis!“
Ein Wechsel an der Spitze in Dortmund rückt in greifbare Nähe – und die Grünen wollen zeigen, „dass sie bereit sind, ein Mehr an Verantwortung für Dortmund zu übernehmen“. Ermutigt werden sie dabei auch durch die zahlreichen Neueintritte von Menschen in die Partei in Dortmund.
Nach dem Stimmungstief zur Landtagswahl 2017 hatte die Partei nur noch 300 Mitglieder – über Jahre waren es 350. Aktuell haben die Dortmunder Grünen mehr als 500 Mitglieder. Grüne Kernthemen – das Eintreten für „mehr Klimaschutz, für eine stabile Demokratie und den sozialen Zusammenhalt in der Stadt“ – haben Konjunktur.
Betrachtung
OB-Stichwahl: Das Rennen ist völlig offen
Die aussichtsreichen Kandidat*innen stehen in den Startblöcken. Nach der Entscheidung des NRW-Verfassungsgerichtshofs ist klar, dass sie am 13. September die absolute Mehrheit erreichen müssen, um im Chefsessel im Rathaus Platz nehmen zu können. Gelingt dies im ersten Wahlgang nicht, muss eine Stichwahl her.
2014 musste SPD-Amtsinhaber Ullrich Sierau mit 43,7 Prozent in die Stichwahl. Seine CDU-Herausforderin Annette Littmann kam auf 32 Prozent.
Für die Wähler*innen war dies eine klare Sache – offenbar vor allem für die Genoss*innen. Sie blieben in der Stichwahl reihenweise zu Hause. Daher wurde es knapp: Sierau kam auf 51,6 Prozent, seine Herausforderin auf 48,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei 30,9 Prozent.
Das war 2014. Seitdem sind die Wahlergebnisse der SPD weiter rückläufig. Bei der Europawahl im Mai 2019 lagen die Grünen mit knapp 25 Prozent erstmals vor der SPD. In der Herzkammer der Sozialdemokratie kamen die Genoss*innen nur noch auf 23 Prozent, die CDU auf 19 Prozent.
Bei den Kommunalwahlen – wegen der starken (sub-) lokalen Verankerung – gehen traditionell mehr SPD-Mitglieder und -Wähler*innen zur Wahl. Daher kann sich die SPD durchaus Chancen ausrechnen, wieder die Nase vorn zu haben.
Denn auch die Bilanz fällt kommunal deutlich besser aus als auf Landes- oder Bundesebene. Daher sind die Chancen nicht schlecht, dass Wirtschaftsförderer Thomas Westphal als SPD-Kandidat das OB-Rennen am 13. September für sich entscheiden könnte.
Sehr wahrscheinlich ist jedoch, dass im ersten Wahlgang niemand die absolute Mehrheit einfahren kann. Die beiden bestplatzierten Bewerber*innen müssen dann in die Stichwahl. Ob es Westphal sein wird und gegen wen er dann antreten müsste, ist offen.
Der Altenaer Bürgermeister Dr. Andreas Hollstein geht für die CDU an den Start. Und nach der Bewerbung von Daniela Schneckenburger wird deutlich, dass sie für die Grünen ins Rennen gehen wird.
Die SPD kann darauf hoffen, dass sich CDU und Grüne bei der OB-Wahl gegenseitig kannibalisieren. Doch was im ersten Wahlgang gut für Westphal sein könnte, könnte in der Stichwahl sein Problem werden. Die jeweils unterlegene Partei – entweder die Grünen oder die CDU – könnte dann ihre Wähler*innen auffordern, für den Wechsel zu wählen. Die Zahl der schwarz-grünen Stimmen dürfte größer sein als die, auf die Westphal beispielsweise aus dem linken Lager hoffen könnte. Es wird also spannend. Und das Rennen ist offen wie nie.
Alexander Völkel
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Reaktionen
Gustav Berger
Ich werde meine Stimme gerne für Frau Schneckenburger abgeben sofern die mir glaubhaft vermitteln kann, dass es wirklich radikale Veränderungen in den Bereichen geben wird, in denen dies notwendig ist. Der Klimaschutz wird auf lokaler Ebene mit umgesetzt. Hier ist vor Allem eine Veränderung bei der Mobilität von Nöten. Es muss in Dortmund radikal der Autoverkehr zurück gedrängt werden, was einen deutlichen Ausbau von Fahrradinfrastruktur und ÖPNV bedeutet. Ich würde vorschlagen, dass als erste Amtshandlung die gesamte Verwaltung eine Fortbildung in einer beliebigen niederländischen Großstadt machen muss, um zu lernen wie Städte vernünftig den Autoverkehr reduzieren. Zum Anderen ist es wichtig, dass der Gentrifizierung in der Nordstadt Einhalt geboten wird, bevor es zu spät ist und die Nordstadt zum unangenehmen Hipster viertel a la Kreuzviertel mutiert. Beruhigen tut es mich immerhin, dass die Grünen sich dagegen entschieden haben einen CDUler zu unterstützen. Denn weder die Beton-SPD noch eine rechts-außen Partei wie die CDU währen für mich wählbar.
Cornelia Wimmer
Nun also, – die grüne Stadträtin Daniela Schneckenburger wird grüne OB-Kandidatin. Damit hat das monatelange Techtelmechtel der GRÜNEN mit der CDU um einen gemeinsamen OB-Kandidaten vorerst ein Ende gefunden. Das ist gut so.
Doch bedeutet das auch für die Zukunft die Abkehr von einer gemeinsamen Politik mit der CDU? Wird mit Daniela Schneckenburger in Dortmund eine soziale und ökologische Politik Einzug halten? – Das darf man bezweifeln.
Denn aktuell befürworten die GRÜNEN unter anderem – und Frau Schneckenburger hat sich bisher nicht als Gegnerin profiliert – den Bau eines riesigen, versorgungstechnisch völlig nutzlosen Möbelhauses an der Hildastraße, inklusive 800 Stellplätzen. Für dieses Projekt wird ein kleiner Wald vernichtet, Fläche versiegelt und beachtlicher zusätzlicher Verkehr generiert. Auch bezüglich des geplanten Zentralen Omnibusbahnhofs ist nichts von Auseinandersetzungen innerhalb der GRÜNEN bekannt. – Er wird – sollte er realisiert werden – die Nordstadt mit zusätzlichen Verkehren und Staus beglücken. Eine ökologisch und als innerstädtischer Erholungsraum wichtige Fläche wird weichen.
Und ob schließlich mit einer Oberbürgermeisterin Schneckenburger der Armut in Dortmund die Rote Karte gezeigt werden wird?
Die festgefahrene Politik der SPD bedarf einer Veränderung. Mit der CDU wird das nicht gehen. Und ein „weiter so“ in einer Zusammenarbeit von GRÜNEN und SPD mit einer OB Schneckenburger erscheint derzeit auch nicht gerade zukunftsträchtig.