Von Gerd Wüsthoff
Die neue schwarz-gelbe Landesregierung will nicht nur den Zuschuss zum Sozialticket bis 2019 halbieren, sondern das Ticket im Jahr 2020 ganz streichen. Das hat Landesverkehrsminister Hendrik Wüst in der Sitzung des Verkehrsausschusses im Landtag von Nordrhein-Westfalen am Mittwoch (22.11.2017) verkündet. Die finanzielle Förderung des Sozialtickets werde ab 2020 eingestampft. Bisher zahlte das Land einen Zuschuss von 40 Millionen Euro pro Jahr.
Kritik der Dortmunder SPD: „Die Landesregierung betreibt eine Politik der sozialen Kälte“
Das Sozialticket ermöglicht eine Teilhabe all derer Menschen, für die Fahrt mit Bus und Bahn in ihrer Kommune oder Kreis sonst zu teuer wäre. Mit der Einführung des Sozialtickets 2011 stieg die Nutzung dieses Tickets kontinuierlich an. Entsprechend deutlich fallen nun die Reaktionen auf die angekündigte Streichung aus.
„Das schlägt dem Fass den Boden aus. Die Landesregierung betreibt eine Politik der sozialen Kälte auf dem Rücken derjenigen, denen nicht viel Geld zum Leben zur Verfügung steht. Menschen, die Arbeitslosengeld 2, Sozialhilfe oder Aufstockung beziehen, werden sich Mobilität bald nicht mehr leisten können“, kommentieren die Dortmunder SPD-Landtagsabgeordneten Anja Butschkau, Nadja Lüders, Armin Jahl und Volkan Baran in einer gemeinsamen Stellungnahme.
„Angesichts der vielen neuen Beamtenstellen, die Schwarz-Gelb in den Spitzen der Ministerien geschaffen hat, ist die Streichung des Sozialtickets ein Skandal sondergleichen. Die CDU will, dass die Verkehrsverbünde das Sozialticket übernehmen. Damit schiebt sie Sozialpolitik auf die vielen Pendlerinnen und Pendler in unserem Land ab, die die Zeche mit höheren Fahrpreisen zahlen dürfen“, heißt es von den GenossInnen weiter. Ursprünglich hieß es noch, dass die Einsparungen zugunsten eines notwendigen Auszubildenden Tickets verwendet würden.
Das Sozialticket ist schon jetzt für viele Menschen viel zu teuer
Für die BezieherInnen von Arbeitslosengeld 2 (Hartz IV) und weiterer unterstützungswürdiger und -bedürftiger Mitmenschen, es sind etwas mehr als zwei Millionen Menschen in NRW, für welche schon der derzeitig geforderte Ticketpreis, im VRR von derzeit 37,80 Euro, nicht bezahlbar ist. Der Satz der Arge zur Abdeckung für die Mobilität liegt hingegen bei knapp über 25 Euro. Diese Differenz, von in Dortmund aktuell fast 13 Euro, kann eine Woche etwa für Nahrung sorgen.
Schon in den Vorjahren 2016 und 2015 zeichnete sich ab, dass der Landeszuschuss von 40 Millionen Euro nicht ausreichte und die Ticketpreise immer wieder erhöht werden mussten (nordstadtblogger.de berichtete mehrfach).
Auch das Dortmunder Sozialforum reagiert empört und hat mit einem Offenen Brief an den Ministerpräsidenten Laschet auf die drohende Abschaffung des Sozialtickets im VRR und in den anderen Verkehrsverbünden in NRW reagiert.
Mit der Streichung des Landeszuschusses steht das Sozialticket vor dem Aus
Mit der geplanten Kürzung bzw. Streichung des Zuschusses durch das Land stehe das Ticket vor dem Aus: „Weder die Kommunen noch die Verkehrsbetriebe bzw. Verbünde wären bereit und in der Lage, die Mindereinnahmen auszugleichen“, kommentiert Heiko Holtgrave vom Sozialforum Dortmund die Landespläne. „Shon jetzt bewegen sich die Abgabepreise der Sozialtickets vielfach auf einem Niveau, das die Betroffenen sehr schmerzt und einen guten Teil der Berechtigten bereits heute von einer Nutzung abhält“, ein Zustand, den das Sozialforum schon seit Jahren kritisiert.
„Jede weitere Preiserhöhung würde nach unserer Einschätzung den Zuspruch weiter mindern. Und man braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um vorauszusagen, dass die für Einkommensschwache gedachten Tarifangebote spätestens mit der geplanten Halbierung des Haushaltsansatzes im Jahr 2019 komplett vom Markt verschwinden würden“, so Holtgrave.
Deswegen ist die Botschaft im Brief an den Ministerpräsidenten klar: „Eine solche Entwicklung wird man zu Recht der neuen Landesregierung anlasten, denn ohne eine auskömmliche Förderung – als Ausgleich für sozialticketbedingte Mindereinnahmen – geht in dem Bereich einfach gar nichts. Der Ministerpräsident müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, dass hier auf Kosten der Armen gespart werden soll, um irgendwelche anderen Dinge zu finanzieren“, heißt es dazu vom Sozialforum.
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Nordstadtblogger-Redaktion
Sozialticket: Widerstand gegen entfesselte CDU und FDP
Die GRÜNEN im Rat setzen darauf, dass das letzte Wort bei der Streichung der Landesmittel für das Sozialticket noch nicht gesprochen ist. Notwendig ist nun ein konsequenter Widerstand gegen die Pläne der Landesregierung.
Ulrich Langhorst, Sprecher der GRÜNEN Ratsfraktion: „CDU und FDP haben nach der von ihnen gewonnenen Landtagswahl angekündigt, Nordrhein-Westfalen von rot-GRÜNEN Positionen zu befreien und – wie sie es selber nennen – zu, entfesseln`.
Jetzt sehen wir nach und nach, was sie damit meinen: Eine Politik gegen die Schwächsten im Land. Wer das Sozialticket abschafft, trifft damit aktuell 18.000 Menschen in Dortmund, die sich weder ein eigenes Auto, noch ein reguläres Monatsticket leisten können. Die aber bereit sind, 37 Euro für ein Sozialticket zu zahlen, das schon jetzt viel zu teuer ist. Denn im Hartz-IV-Regelsatz sind nur ca. 25 Euro zur Nutzung von Bussen und Bahnen enthalten.
Fast schon zynisch wird es, wenn die Landesregierung das Ticket für einkommensschwache Menschen ohne Auto streicht und die Gelder dann in den Straßenbau stecken will. Wer so handelt, der entfesselt nicht – der ist selber vollkommen entfesselt. Das ist ein sozialpolitisches Armutszeugnis.“
Aus Sicht der GRÜNEN braucht es nun zunächst massiven Widerstand gegen die Pläne der Landeregierung – von den Betroffenen, aus den Kommunen, den sozialpolitischen Verbänden, aber auch den Verkehrsunternehmen, die mit dem Sozialticket massiv neue Kunden gewonnen haben.
Matthias Dudde, Ratsmitglied der GRÜNEN und Mitglied der Verbandsversammlung des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR): „Das Sozialticket ist ein Erfolgsmodell. Alleine im VRR wird es von ca.180.000 Menschen genutzt. Die Finanzierung wird bisher ausschließlich durch die Landesförderung und die Sozialticket-Kund*innen getragen. 2017 hat der VRR dabei ein Defizit von 1,7 Millionen Euro eingefahren. Die fehlenden Einnahmen sind bereits in der Vergangenheit als Preiserhöhung auf die Nutzer*innen des Sozialtickets umgelegt worden.
Ohne weitere Gelder des Landes müsste der VRR die Mehrkosten des Sozialtickets durch insgesamt höhere Preise für alle ausgleichen. Die unsoziale Politik der Landesregierung darf aber nicht auf dem Rücken aller Fahrgäste ausgetragen werden. Ein Einzelticket von
3,00 €uro oder mehr für eine einmalige Fahrt innerhalb der Stadt ist nicht vermittelbar, insbesondere nicht, wenn wir mehr Menschen zum Umsteigen auf Bus und Bahn bewegen wollen.“
Die GRÜNE Landtagsfraktion hat inzwischen eine Onlinepetition gegen die Pläne der Landesregierung gestartet. Sie kann auf der Facebook-Seite der GRÜNEN NRW unterzeichnet werden.
Katholische Kirche Dortmund
Für den Erhalt eines bezahlbaren Sozialtickets:
Katholische Kirche in Dortmund schreibt Brief an Landespolitiker
Einkommensschwache Menschen sollen in ihrer Mobilität nicht eingeschränkt werden und sich auch künftig das sogenannte Sozialticket für Bus und Bahn leisten können. Dies fordert die katholische Kirche in Dortmund gemeinsam mit der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) in einem offenen Brief an die Dortmunder Landtagsabgeordneten und die Fraktionen im NRW-Landtag.
In dem von Propst Andreas Coersmeier und Vertretern des Katholischen Stadtgremiums sowie der KAB unterzeichneten Schreiben wendet sich die katholische Kirche in Dortmund gegen geplante Kürzungen beim Sozialticket. Aktuell sind im Etatentwurf des Landes die Zuschüsse um fünf Millionen Euro gekürzt. Wird dies umgesetzt, führt die Kürzung dazu, dass bedürftige Menschen bald mehr Geld für das Sozialticket ausgeben müssen.
Bereits jetzt liegt der Preis mit 37,80 Euro weit über der Summe, die im Hartz-IV-Regelsatz für die Nutzung von Bus und Bahn vorgesehen ist. Die katholische Kirche in Dortmund setzt sich daher dafür ein, „über den 31.12.2017 hinaus die bisherige Förderpraxis beizubehalten, die entsprechende Richtlinie zu verlängern und über eine Erhöhung der finanziellen Mittel zur Förderung des Sozialtickets nachzudenken“.
Das Sozialticket sei für die Berechtigten ein wichtiges Instrument der Teilhabe am öffentlichen Leben. „Mit dem Sozialticket ist es möglich, dass Menschen, die am Rande des Existenzminimums leben, durch die entsprechende Mobilität ihren alltäglichen Geschäften nachgehen können, wie die regelmäßigen Gänge zu Ämtern und Behörden aber auch die Erledigung von Einkäufen, z.B. in weiter entfernt liegenden Discountern“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Eine zum Januar 2018 geplante Erhöhung des Preises für das Sozialticket und eine mögliche Kürzung der Landesförderung dürfe nicht auf den Kreis der Berechtigten abgewälzt werden.